Immer dann, wenn der 1. FC Nürnberg ein wenig den Kopf aus dem Schlamassel streckt, zeigen mindestens 5000 Anhänger mehr als üblich ihre Vorfreude auf einen Fortgang der freudigen Ereignisse. Und werden dabei, zumindest war das in den vergangenen Jahren so, in schöner Regelmäßigkeit enttäuscht. Wie am Sonntag, als sogar 38 900 Zuschauer kamen – und das, obwohl der Club in der Vorwoche zwar einen 2:1-Sieg gegen den VfL Bochum zustande gebracht hatte, das aber der bis dato einzige der Saison war.
Es passt dann zu dieser bislang so beklagenswerten Nürnberger Saison, dass auch die frisch begeisterten Clubfans wieder frustriert nach Hause fahren mussten. Zumal der FCN nach dem Sieg gegen Bochum und der ordentlichen Leistung beim 1:2 in Karlsruhe beim 0:3 gegen das zuvor kriselnde Team aus Berlin nicht ansatzweise mithalten konnte. Die Zweifel, ob Trainer Miroslav Klose dieses Team in die angestrebten Tabellenregionen – Platz sieben ist das offizielle Saisonziel – führen kann, sind am Sonntag nicht verschwunden.
Auch weil die Niederlage nicht mit Pech zu erklären war. Wenngleich dem Club ein klarer Handelfmeter verweigert wurde, als Marten Winkler einen Schuss von Tim Drexler an die emporgereckte Hand bekam (14.). Dass der VAR nicht einschritt, wunderte nicht nur Klose: „Dafür haben wir eigentlich den Keller.“ Auch Drexler war irritiert und befand: „Das hätte uns vielleicht noch mal einen Schub gegeben.“ Er zeigte sich aber redlich genug, um nachzuschieben, dass „wir die Niederlage nicht auf den Schiri schieben können“. Das größte Problem der Nürnberger war tatsächlich ein selbst verschuldetes. Gegen die dann doch zumeist regelkonforme Zweikampfhärte und das bemerkenswert gute Anlaufverhalten der Berliner fiel den Franken die ganze Partie über nichts ein. „Wir hatten zu wenig Energie auf dem Platz“, resümierte Keeper Jan Reichert zurecht, „wenn wir am Ball waren, hatten wir viel zu viele leichte Ballverluste.“
Fünf Minuten vor dem Ende leert sich das Max-Morlock-Stadion schlagartig
Nicht wenige davon gingen dabei auf das Konto von Drexler, der Fabian Reese vor allem im ersten Durchgang viel zu viel Platz ließ. Das spielte dem im bisherigen Saisonverlauf eher enttäuschenden Star der Berliner bereits bei seiner Vorbereitung des ersten Hertha-Treffers in die Karten, als er in aller Seelenruhe für Winkler auflegen konnte (2.). Beim 0:2, das kurz vor der Pause fiel, war es dann Jon Dagur Thorsteinsson, der vor seinem Abschluss erstaunlich viel Platz hatte. Seinen Schuss konnte FCN-Torwart Reichert abwehren, beim Nachschuss von Michaël Cuisance war er dann machtlos (42.). Auch der starke Franzose dürfte sich gewundert haben, dass das Toreschießen an diesem Nachmittag im Max-Morlock-Stadion leichter ging als im Training. Einen Lernerfolg gönnte die Club-Defensive ihren Anhängern nicht: Kurz darauf hatte Reese erneut das ganze Feld vor sich und hätte fast das 0:3 durch Thorsteinsson vorgelegt (44.).
Im zweiten Durchgang gab es dann immerhin ein paar Nürnberger Torabschlüsse zu sehen – den Eindruck, dass dieses Spiel noch gedreht werden könnte, dürfte allerdings nicht einmal Klose gehabt haben, der schon nach dem frühen 0:1 irritiert gewesen war: „Eigentlich weißt du, dass danach noch genug Minuten zu spielen sind.“ Derer 96 inklusive Nachspielzeit, um genau zu sein.
Immerhin bekam Tjark Ernst im zweiten Durchgang zwei-, dreimal etwas zu tun. Der eingewechselte Artem Stepanov scheiterte zuerst am Hertha-Keeper und traf dann das Außennetz (52./80.). Und Mohamed Zoma rutschte knapp an einer Flanke von Berkay Yilmaz vorbei (60.) – die wenigen anderen Aktionen im Berliner Strafraum waren noch harmloser. Als Berlins David Kownacki in der 85. Minute einen Konter zum 0:3 abschloss, leerte sich das Stadion schlagartig. Gut gefüllt blieben die Nürnberger Nordkurve, die allerdings schon lange zuvor die Unterstützung eingestellt hatte, und die Gästekurve. Diese freute sich umso mehr, als ihr Team in den sechs Saisonspielen zuvor zusammengerechnet nur einen Treffer mehr zustande gebracht hatte, als am Sonntag gegen Nürnberg.
„Letztendlich bleibt’s ein Ergebnissport, wir waren nicht gierig genug auf Tore“, bilanzierte Klose: „Das müssen wir uns vorwerfen lassen, weil am Freitag schon das nächste Spiel in Düsseldorf ist.“