Zensur auf Befehl? –

Telegram-Chef wirft Frankreich massiven Druckversuch vor

Publiziert heute um 16:59 UhrPavel Durov, Gründer von Telegram, verlässt mit seinen Anwälten das Pariser Gerichtsgebäude nach Befragung durch Richter, 28. Juli 2025.

Telegram-Gründer Pavel Durov: Der Unternehmer gilt als kompromissloser Verfechter digitaler Freiheit.

Foto: AFP

In Kürze:

  • Telegram-Gründer Durov beschuldigt französische Geheimdienste der politischen Erpressung in Moldau.
  • Französische Behörden ermitteln wegen zwölf Delikten gegen den Messenger-Dienst.
  • Der libertäre Techunternehmer lehnt jegliche Zensur auf seiner Plattform ab.

Der Mann, der sich weigert, russische Bots zu sperren, wirft Frankreich politische Zensur vor: Telegram-Gründer Pavel Durov beschuldigt die französischen Geheimdienste, ihn unter Druck gesetzt zu haben. Er habe regierungskritische Kanäle in Moldau sperren sollen und im Gegenzug juristische Vorteile in einem laufenden Verfahren gegen ihn angeboten bekommen.

Am Sonntag, dem Tag der Parlamentswahl in Moldau, veröffentlichte Pavel Durov den brisanten Post auf X. Darin beschuldigt der Telegram-Gründer die französischen Geheimdienste, ihn 2024 während seiner Haft in Paris unter Druck gesetzt zu haben.

Durov will russlandfreundliche Kanäle nicht sperren

Er habe russlandfreundliche Kanäle der Opposition in Moldau sperren sollen – im Gegenzug für Vorteile in seinem eigenen Strafverfahren. In seinem Post berichtet Durov, dass ein Mittelsmann ihm zunächst eine Liste mit Telegram-Kanälen übergeben habe. Einige davon hätten tatsächlich gegen die Plattformregeln verstossen – Telegram habe sie entfernt.

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Kurz darauf folgte eine zweite Liste. Diesmal seien es fast nur politische Kanäle gewesen, die der französischen und moldauischen Regierung missfielen. Diese hätten aber keine Regeln verletzt, so Durov. Telegram habe sich geweigert, sie zu löschen.

«Telegram ist der freien Meinungsäusserung verpflichtet»

«Telegram ist der freien Meinungsäusserung verpflichtet und wird keine Inhalte aus politischen Gründen entfernen», schreibt Durov. Dass er diesen Vorwurf ausgerechnet am Wahltag erhebt, lässt auf eine gezielte Zuspitzung schliessen – möglicherweise als Reaktion auf wachsenden Druck von westlichen Regierungen im Kampf gegen russische Desinformation.

Bereits im Mai hatte Durov Vorwürfe der Zensur erhoben – damals im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl in Rumänien. Mittelsmänner hätten versucht, politische Kanäle auf Telegram blockieren zu lassen. Es habe sich um konservative Profile gehandelt, die kurz vor der Stichwahl besonders aktiv gewesen seien.

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Durov sprach auf X von einer «westeuropäischen Regierung» und ergänzte seinen Post mit einem Baguette-Emoji – ein kaum verdeckter Hinweis auf Frankreich. Frankreich wies die Anschuldigungen zurück. Das Aussenministerium erklärte, die Vorwürfe seien ein Ablenkungsmanöver angesichts «realer russischer Einmischung».

Telegram will keine Inhalte aus politischen Gründen löschen – auch nicht mutmasslich russische Bot-Kanäle, die systematisch Falschinformationen verbreiten. Kritiker werfen Durov deshalb vor, nicht nur Zensur zu verweigern, sondern gezielt wegzuschauen.

Vor allem während Wahlkämpfen tauchen immer wieder Telegram-Kanäle auf, die mit gefälschten Inhalten Stimmung gegen proeuropäische Kandidaten machen.

Durov sieht sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit

Pavel Durov dagegen präsentiert sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit. Er lehnt jede Form von Zensur ab – auch dann, wenn es um rechtsextreme Gruppen, Drogendelikte oder Desinformationskampagnen geht.

Kritiker werfen ihm vor, sich hinter einer Ideologie zu verstecken, um regulatorische Verantwortung zu vermeiden.

Frankreich steht damit vor einem Dilemma: Einerseits geht es um legitime Sicherheitsinteressen, andererseits um den Schutz demokratischer Grundrechte. Die französischen Behörden ermitteln gegen Durov wegen insgesamt zwölf Delikten – darunter Beihilfe zu Drogendelikten, Kinderpornografie, Betrug, Geldwäsche und Verstoss gegen Auflagen zur Zusammenarbeit mit der Justiz. Der Prozess steht noch aus.

Für Durov ist das Verfahren Teil eines grösseren Konflikts. Er sieht darin den Versuch, über juristischen Druck politische Kontrolle über Telegram zu erlangen.

Telegram hat eine streng libertäre Linie

Pavel Durov gründete 2006 das russische soziale Netzwerk VKontakte, später den Messengerdienst Telegram. Beide Plattformen wuchsen rasant – und gerieten schnell ins Visier staatlicher Stellen. Als sich Durov 2014 weigerte, Nutzerdaten an den russischen Geheimdienst FSB weiterzugeben, verlor er die Kontrolle über VKontakte und verliess das Land.

Mit Telegram verfolgt Durov seither eine kompromisslos libertäre Linie: keine Herausgabe von Nutzerdaten, keine Hintertüren für Strafverfolgungsbehörden – selbst bei schweren Straftaten. «Wenn wir die Verschlüsselung schwächen, gefährden wir alle Nutzer», sagt er immer wieder.

Frankreich sieht das anders. Seit 2024 läuft dort ein Justizverfahren gegen Durov. Ihm wird vorgeworfen, zu wenig gegen illegale Inhalte auf Telegram unternommen zu haben – von Drogenhandel bis hin zu Kinderpornografie. Durov wurde im August 2024 in Paris festgenommen und kam gegen Kaution frei.

Telegram und die russische Propaganda-Maschine

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EinloggenEdgar Schuler ist Redaktor am Newsdesk und verfasst regelmässig den Newsletter «Der Morgen».

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