• Gesche Michaelis (20) aus Ritterhude veröffentlicht ihr erstes Buch „450 Tage“ über Massentierhaltung, in dem ein Huhn die Hauptrolle übernimmt.
  • Michaelis’ Buch schildert aus Sicht eines Huhns das Leben in der Massentierhaltung bis zum 450. Tag; inspiriert von persönlichen Tiererfahrungen und gesellschaftlicher Doppelmoral.
  • Michaelis spendet ihre Einnahmen an „Vier Pfoten“ und empfiehlt jungen Autoren den Thalia-Wettbewerb „Story-One“; ihr Buch ist als Print-on-Demand erhältlich.

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Aufgewachsen zwischen Hühnern, Hunden, Pferden und Ziegen auf dem Resthof ihrer Familie in Ritterhude, entwickelte Gesche Michaelis schon früh eine enge Bindung zu Tieren. Ihr Zwerghahn „Idefix“ begleitete sie nach der Schule nach Hause, die Legehenne „Hühnchen“ ließ sich nach intensiver Pflege rufen und streicheln. „So habe ich eine weitverbreitete Doppelmoral erkannt: Unsere Konsumgesellschaft unterscheidet bewusst zwischen Haus- und Nutztieren, baut zu den einen Bindungen auf, während sie den anderen den Lebenswillen abspricht“, sagt die 20-Jährige. Diese Erfahrungen bilden die Grundlage für ihr literarisches Debüt „450 Tage“. Die Kurzgeschichte versetzt die Leserschaft in die Perspektive eines Huhns und eröffnet zugleich einen kritischen Blick auf die Massentierhaltung.

In der Buch-Erzählung lebt ein Huhn mit 6000 Artgenossinnen in mehrstöckiger Bodenhaltung, legt fast täglich ein Ei – und wartet darauf, dass am 450. Tag das Ende kommt. „Denn so lange dürfen Legehennen in der Massentierhaltung bleiben, danach gilt ihr Leben als ‚verbraucht‘“, erklärt Michaelis. Zugleich betont sie: „Es ist ein fiktionaler Text. Ich kann nicht für die Richtigkeit aller Fakten garantieren, auch wenn ich recherchiert habe. Im Vordergrund stand für mich die Frage: Wie kann man literarisch Empathie mit einem Tier erzeugen, das sonst nur als Nutztier betrachtet wird?“

Ein Huhn als Hauptfigur

Ihre kreative Lösung: Ein Huhn zur Ich-Erzählerin zu machen. Denn für Michaelis liegt die Kraft des Schreibens darin, Bindungen zu schaffen: „Wenn ein Huhn zur Hauptfigur wird, können Leserinnen und Leser vielleicht eine Beziehung entwickeln – und ihre Sichtweise verändern“, sagt die Jungautorin.

Dass diese Henne nicht nur eine Stimme bekommt, sondern damit auch Position bezieht, zeigt sich in einer zentralen Szene: Ihre Rede dafür, Widerstand gegen die „Riesen“ zu leisten, ist inspiriert von Martin Luther Kings berühmter Ansprache „I have a Dream“ (1963). „Sowohl Menschen als auch Tiere leiden unter Unterdrückung“, erklärt Michaelis zu ihren Beweggründen. „In beiden Fällen herrscht die Haltung vor, dass das Leben des einen weniger wert sei. Menschen stellen sich über Tiere, materialisieren sie und sprechen ihnen den Willen zu leben ab.“ Ihre Haltung fasst sie mit einem Zitat von Albert Schweitzer zusammen, das sie ihrem Buch als Motto vorangestellt hat: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“

Schreiben ohne erhobenen Zeigefinger

Trotz der Brisanz des Themas möchte Michaelis, wie sie sagt, niemanden bevormunden. „Es ist ein unschönes Thema, und ich kann verstehen, wenn man die Augen davor verschließen möchte. Daher ist es mir wichtig, dass ich nicht dogmatisch wirke.“ Sie wolle niemandem ein Konsumverhalten aufzwingen, sondern vielmehr dazu anregen, Entscheidungen bewusst zu treffen. Die junge Autorin lebt selbst vegetarisch und arbeitet daran, ihre Ernährung auf vegan umzustellen. Mit ihrer Familie adoptiert sie Hühner aus der Massentierhaltung und spendet ihren gesamten Autorenanteil vom Erlös an den Tierschutzverein „Vier Pfoten“.

Ob weitere Bücher folgen werden, lässt Michaelis offen. „Alles, was eine größere Tragweite hat, interessiert mich. Ich kann mir vorstellen, weiterzuschreiben, möchte mich aber zunächst auf mein Psychologiestudium konzentrieren, das in wenigen Tagen beginnt.“ Warum man „450 Tage“ lesen sollte? „Um einmal in die Welt eines Huhns zu schlüpfen und den Blick über die Verpackung im Supermarkt hinaus zu weiten. Und auch, um eine Geschichte voller Hoffnung zu erleben.“

Das 60-seitige Buch ist im Rahmen des Wettbewerbs „Story-One“ erschienen. Er wird von der Handelskette Thalia ausgeschrieben und bietet jungen Autoren bis 35 Jahren eine Plattform, um eigene Texte zu veröffentlichen. Michaelis empfiehlt die Teilnahme ausdrücklich weiter, auch wenn sie auf die finalen Ergebnisse des Wettbewerbs derzeit noch wartet. Das Buch mit der ISBN-Nummer 978-3-7115-9320-7 ist bei allen gängigen Verkaufsstellen als Print-on-Demand bestellbar. In Osterholz-Scharmbeck sind zudem gedruckte Ausgaben erhältlich, unter anderem in der Buchhandlung „Die Schatulle“ sowie in der Tierarztpraxis Kaplan.

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