Herr Peters, warum diese Häufung verstörender Drohnenflüge gerade jetzt?

Bei Drohnen wie zuletzt in Dänemark geht es nicht um Spionage, sondern in erster Linie darum, ein Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung zu schüren und Probleme in der Reaktion aufzuzeigen. Das wiederum soll dann die Legitimität politisch Handelnder in Europa unterminieren. So dass die Leute den Eindruck haben: Ihr setzt uns mit eurem politischen Handeln – Stichwort Ukraine-Unterstützung – einer Gefahr aus, mit der ihr nicht umgehen könnt. Der Gerätetyp ist eher nicht dazu geeignet, Dinge konkret auszukundschaften. Das sind Multikopter-Drohnen mit vier oder sechs Rotoren wie man sie im Prinzip aus dem Elektrohandel kennt.

„Gerade jetzt steht Europa an einem kritischen Punkt.“

Johannes Peters

Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel

Aber weshalb haben die Angreifer das dann nicht schon vor ein paar Monaten in dieser Intensität gemacht?

Gerade jetzt steht Europa an einem kritischen Punkt. Die Staatengemeinschaft muss sich überlegen, wie viel sie wirklich einzusetzen bereit ist, um für die Ukraine langfristig als Sicherheitspartner zur Verfügung zu stehen. Eine europäische Sicherungstruppe in der Ukraine nach einem Waffenstillstand, eine EU- oder gar Nato-Mitgliedschaft der Ukraine?

Dazu stehen Entscheidungen an, Vorbereitungen dazu sollen auch auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen Mitte dieser Woche getroffen werden. Das und die dänische EU-Ratspräsidentschaft Dänemarks bringt das Land aktuell ins Visier für Drohnenflüge. Ebenso wie Dänemark Ankündigung vor etwa zwei Wochen, weitreichende Präzisionsflugkörper zu beschaffen.

Johannes Peters ist Leiter der Abteilung Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel
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Aber wird der Rückhalt europäischer Regierungen für derartige Entscheidungen nicht eher größer je verunsicherter sich die Bevölkerung durch Russland fühlt, auch in Form von Drohnen?

Das kommt auf die Bevölkerung an. Aber in Deutschland habe ich den Eindruck, dass das eher nicht so ist. Obwohl wir ein primäres Ziel russischer Informationskriegsführung sind, neigen die Leute eher dazu zu sagen: Wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist, sind wir wieder sicher. Und wenn wir Russland Paroli bieten, sei es doch nur zu unserem Nachteil.

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„Es gibt belastbare Indizien in den sozialen Medien, dass das von Schiffen auf der Ostsee aus passiert sein könnte.“

Johannes Peters

Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel

Wen vermuten Sie denn als diejenigen, die diese Kurzstrecken-Drohnen wie in Dänemark in die Luft haben steigen lassen, da sie aus Russland nie und nimmer herbeifliegen könnten?

Es gibt durchaus belastbare Indizien in den sozialen Medien, dass das von Schiffen auf der Ostsee aus passiert sein könnte. Von Schiffen, die entweder direkt der russischen Schattenflotte zuzuordnen sind oder solchen mit einer zumindest russischsprachigen Besatzung. Da gibt es beispielsweise Hinweise auf ein Schiff mit einer Crew, die deutlich größer war als zum Betrieb des Schiffs nötig. Aber ganz genau weiß man es nicht.

Deshalb hat Dänemark ja auch Grenzkontrollen zu Deutschland verschärft, um zu verhindern, dass auf diesem Weg verdächtige Drohnen ins Land hinein- oder aus ihm herausgebracht werden. Es ist nur die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, aber es zeigt, dass da eine gewisse Nervosität herrscht.

Abschüsse können Hysterie fördern

Kann man den Absendern keinen größeren Gefallen tun als sie abzuschießen wie der dänische Justizminister meint?

Es ist tatsächlich die Frage, wie viel Hysterie man da ins Spiel bringen will. Das ist ja genau das, was Russland sich davon erhofft. Andererseits muss man gegenüber der Bevölkerung Handlungsfähigkeit demonstrieren. Es gibt nicht die eine Lösung für alles.

Das beginnt schon bei der Frage, was man unter Abschuss versteht. Ja, man kann kinetisch auf Drohnen einwirken, aber sie auch mit elektromagnetischen Verfahren unbrauchbar machen. Was opportun ist, hängt von der Drohne ab, von der Umgebung, von den Fähigkeiten vor Ort.

„Wünschenswert ist daher ein bundesweit einheitlicher Rechtsrahmen, der die Drohnenabwehr auch im inneren in die Hände der Bundeswehr legt. “

Johannes Peters

Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel

Wenn die Verantwortlichen die Vorfälle der letzten Tage jetzt als allerletzten Weckruf für die Verwundbarkeit des Luftraums begreifen – was müssen sie als erstes tun, um das Ruder herumzureißen?

Das, was man jetzt ankündigt, ist genau richtig. Wir wissen schon länger, dass die primär zuständigen Landespolizeien der Aufgabe weder personell noch materiell gewachsen sind. Wünschenswert ist daher ein bundesweit einheitlicher Rechtsrahmen, der die Drohnenabwehr auch im Inneren in die Hände der Bundeswehr legt.

Diese Handlungssicherheit hätte man da schon seit Längerem herstellen können. Dazu gehört dann auch, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dass diejenigen, die verantwortlich sind, mit den Mitteln ausgestattet sind, Drohnen unschädlich zu machen.

Nachteile elektromagnetischer Sperrglocken

Und wer hat da den größten Nachholbedarf?

Das kommt darauf an, wo man die Verantwortung hingibt. Grundsätzlich gilt: Solche Drohnenrisiken sind ja punktuell und treten kurzfristig auf. Wenn man erst mit 50 Kilometer Anfahrt Geräte herbeiholen müsste, wäre das nutzlos. Also muss entschieden werden, inwiefern man Bundeswehrliegenschaften und kritische Infrastruktur selbst mit entsprechenden Mitteln ausrüstet?

Eine elektromagnetische Sperrglocke über einem Militärstandort aufzubauen, ist technisch recht einfach möglich. Aber es hat Konsequenzen. Dann kann auch in dieser Liegenschaft selber niemand mehr mit dem Handy telefonieren. Die Anwohner werden große Probleme mit ihrem Handynetz bekommen. Vorkehrungen kommen immer mit einem Preisschild, sowohl pekuniär als auch gesellschaftlich.

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Ostseeraum bleibt im Fokus

Wo vermuten Sie wird es nach Dänemark mit einer Häufung von Störungen durch Drohnen weitergehen?

Der gesamte Ostseeraum wird weiter stark im Fokus russischer Aktivitäten stehen, nicht nur der östliche. Ähnlich Großbritannien als ein Schlüsselakteur der Verteidigungsfähigkeit Europas. Genaueres wird dann davon abhängen, welche politischen Konstellationen sich ergeben: Welche Länder sozusagen als lohnenswert erachtet werden, dort die öffentliche Meinung durch hybride Attacken zu beeinflussen.

Deutschland ist dafür ein Paradekandidat?

Das ist etwas, was wir zu lange nicht sehen wollten. Aber wir sind tatsächlich aus russischer Sicht das zentrale Land in Europa, das es zu destabilisieren gilt.

„Wir haben mit der ehemaligen innereutschen Grenze eine Sollbruchstelle. Russland bearbeitet sie seit Jahren gezielt.“

Joahnnes Peters

Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel

Weil wir die größte Nation Europas sind?

Wir haben die meisten Einwohner, wir sind die größte Volkswirtschaft, wir haben eine hochpotente Verteidigungsindustrie, wir haben eine der größten Armeen Europas, wir sind ein Sleeping Giant, der dabei ist, aufzuwachen. Und wir haben mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze eine Sollbruchstelle. Russland bearbeitet sie seit Jahren gezielt. In den neuen Bundesländern sind verhältnismäßig viele Menschen mit einem ganz anderen Russlandbild aufgewachsen als im Westen. Das macht Deutschland zu einem absoluten Einfallstor auf dem Radar der Russen.