An drei Haken hinten an der Holzwand hängt allerhand Zaumzeug, daneben ein orangefarbener Erste-Hilfe-Kasten, und hinter etwas vergilbten Plastikscheiben sind Dutzende Turnierschleifen zu sehen, also Auszeichnungen beim Reiten. Gelegentlich kommt auch ein Pony vorbeigelaufen. Man darf davon ausgehen, dass der Schauplatz für dieses Pressegespräch am Dienstag mit Bedacht gewählt ist. Der Rechtsanwalt Benno Ziegler will gemeinsam mit ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff und weiteren Mitstreitern eine Botschaft senden: Dieses Ponyhof-Idyll ist in Gefahr.
Auf einem direkt angrenzenden Grundstück an der Lochhausener Straße, also am westlichen Stadtrand kurz vor Gröbenzell, will die Stadt nämlich eine Unterkunft für etwa 250 Geflüchtete errichten. Das hat der Stadtrat im Sommer beschlossen.
Sie sei „verpflichtet, die Regierung von Oberbayern (…) zu unterstützen und Bettplätze für Geflüchtete bereitzustellen“, schrieb Sozialreferentin Dorothee Schiwy in der Beschlussvorlage. Besonders hoch sei der Bedarf an Unterkünften für Menschen aus der Ukraine. Auf dem Acker sollen zwei zweistöckige Gebäude entstehen mit einer Nutzungszeit von 15 Jahren. Die Fläche würde von einem privaten Grundstückseigentümer angemietet.
Der Stadtrat verabschiedete den Beschluss mit den Stimmen von Grünen/Rosa Liste/Volt, SPD und Die Linke/Die Partei. Auch diese Stadtratsmehrheit sah Nachteile des Standorts, etwa die abgeschiedene Lage und die fehlende soziale und schulische Infrastruktur in Lochhausen. Sie beauftragte die Verwaltung deshalb unter anderem, mehr Kinder- und Jugendangebote in Lochhausen zu schaffen.
Schon Anfang des Jahres hatte es politischen Widerstand, etwa von CSU und ÖDP gegeben. Nun kommt eine juristische Ebene hinzu. Der Eigentümer des Grundstücks, das an die Betreiberin des Ponyhofs verpachtet ist, hat die Kanzlei des Verwaltungsrechtlers Benno Ziegler engagiert.
Und der hat beim Augsburger Jura-Professor Martin Kment ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das kommt zum Ergebnis, dass eine Bebauung des Grundstücks, das zwischen dem Ortsrand Lochhausens und dem Ponyhof liegt, baurechtlich nicht zulässig sei. Das Grundstück liegt im sogenannten Außenbereich, in dem nur in Ausnahmefällen gebaut werden darf. Diese Ausnahmen griffen hier aber nicht, argumentiert Kment.
Zudem weisen Ziegler und der ÖDP-Politiker Ruff darauf hin, dass das Grundstück an einer Engstelle im Grüngürtel rund um München herum liege, eine Bebauung also auch schädlich fürs Stadtklima sei. Überdies würde eine Unterkunft für 250 Menschen aus Sicht der Gegner den Bestand des Ponyhofs gefährden. „Pferde sind von Natur aus Fluchttiere und deshalb sehr ruhebedürftig“, sagt dessen Betreiberin Kerstin Kremser. Die Bauarbeiten und der danach entstehende Betrieb durch die vielen Menschen nebenan würden der Gesundheit der Pferde schaden.
In einem symbolischen Akt übergibt Ziegler einen Ordner an Ruff, darin eine von 4500 Menschen unterschriebene Petition gegen den Standort. Ruff verspricht, die Sache erneut in den Stadtrat einzubringen. Auch im Landtag will Ziegler eine Petition einreichen und so das bayerische Bauministerium einschalten. Für den Fall, dass das alles nichts an der Beschlusslage des Stadtrats ändere, droht er mit einer Klage. Das Sozialreferat teilt am Dienstag mit, man kenne die Einwände, gehe aber davon aus, „dass das Bauvorhaben trotzdem zulässig ist“.
„Niemand hier ist generell gegen Einrichtungen für Geflüchtete“, betont der Anwalt Ziegler. Man wisse um die schwierige Aufgabe des Amts für Wohnen und Migration, Unterkünfte zu schaffen. Aber ein Standort wie der in Lochhausen, der wegen seiner Lage auch die Integration von Geflüchteten erschwere, könne „für politische Ränder Wasser auf die Mühlen sein“.
Es gibt aus Sicht Zieglers und Ruffs in diesem Fall sogar eine bessere Alternative im selben Stadtbezirk, und zwar einen Acker, der an Gut Freiham angrenzt. Dieses Grundstück gehöre schon der Stadt, sei also viel günstiger als die private Fläche in Lochhausen. „Und es ist durch die Nähe zu Freiham auch aus sozialen Gesichtspunkten sehr viel besser“, sagt Ruff.
Die Stadt hat diese Fläche allerdings schon geprüft und verworfen. Als einen Grund führte die Verwaltung an, die Bebauung könne die „Sichtbeziehung“ zum denkmalgeschützten Ensemble Gut Freiham beeinträchtigen. Anwalt Ziegler hat dazu die Stellungnahme einer Denkmalpflegerin eingeholt, der zufolge keine Beeinträchtigung zu befürchten sei, sofern sich die Neubauten einer Geflüchteten-Unterkunft in ihrem Ausmaß dem Denkmal unterordnen.
Die Lokalbaukommission, die für Denkmalschutz und Baugenehmigungen zuständig ist, bestätigt, dass ihr ein Bauantrag für die Unterkunft in Lochhausen und eine Petition vorlägen. Man prüfe das und äußere sich deshalb „aktuell nicht zu dem Themenkomplex“.