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Mit Schutzzöllen und „Buy European“-Regeln will die EU die heimische Industrie vor China und den USA schützen. Was das für Wirtschaft, Jobs und Verbraucher bedeutet.

Brüssel/München – Die Europäische Union steht vor einem historischen Kurswechsel. Jahrzehntelang galt das Staatenbündnis als Vorkämpfer für offene Märkte und internationalen Handel. Doch angesichts der zunehmenden Abschottung der USA und der wachsenden Konkurrenz durch günstige Importe aus China setzt die EU-Kommission nun auf weitreichende Schutzmaßnahmen.

Geplant sind laut einem Bericht unter anderem Schutzzölle auf chinesischen Stahl und eine „Buy European“-Strategie, die heimische Unternehmen stärken soll.

EU-Schutzzölle gegen China: Die Antwort auf Stahlimporte

Nach Angaben des Handelsblatts plant die EU, schon bald drastische Schutzzölle von 25 bis 50 Prozent auf chinesischen Stahl und daraus hergestellte Produkte zu verhängen. Das Ziel: Die europäische Industrie vor Dumpingpreisen aus Fernost zu schützen und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Der Bericht beruft sich dabei auf hochrangige Beamte aus Brüssel.

Die Regierungen von elf EU-Ländern – darunter Österreich, Belgien, Frankreich und Italien – fordern in einem Positionspapier einen Schutzzoll in Höhe von 50 Prozent. Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer betont: „Ich bin ein Freund des Freihandels, aber wir dürfen nicht in Schönheit sterben. Wir müssen alles tun, um die Jobs zu retten.“

Die EU will den wirtschaftlichen Einfluss von Großmächten auf Europa eindämmen und plant neue HandelsbeschränkungenDie EU will den wirtschaftlichen Einfluss von Großmächten auf Europa eindämmen und plant neue Handelsbeschränkungen. © BildFunkMV/ImagoEU, die USA und China: Protektionismus und Handelskonflikte

Die neue EU-Strategie ist auch eine Reaktion auf die Abschottung der USA. Unter der Administration von Präsident Donald Trump wurden die Zölle auf europäischen Stahl und Aluminium auf 50 Prozent angehoben. EVP-Chef Manfred Weber warnt diesbezüglich vor einem „veritablen Handelskrieg“.

Zwar hat Washington die Zölle auf Autoimporte aus der EU auf 15 Prozent gesenkt, doch der US-Markt bleibt für viele europäische Produkte schwer zugänglich. Gleichzeitig lenkt die US-Abschottung chinesischer Waren immer mehr Billigimporte nach Europa um, was den Preisdruck auf heimische Unternehmen weiter erhöht.

Mehr Protektionismus in der EU – „Partner, die sich an keine Regel halten“

EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné bringt das Dilemma auf den Punkt: „Europa hat keine andere Wahl, als ein neues Gleichgewicht zu finden. Dafür braucht es weniger Handelsschranken im Inneren, mit einem Binnenmarkt, der wirklich funktioniert – aber eben auch Schutzmaßnahmen, um das Gleichgewicht mit Partnern wiederherzustellen, die sich an gar keine Regeln mehr halten“.

Auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) zeigt sich den Angaben zufolge offen für die „Buy European“-Regelung, um die europäische Industrie zu schützen. Auf EU-Ebene gibt es zudem Bestrebungen, die Handelsbeziehungen in die Transpazifik-Region auszubauen.

Ursula von der LeyenDie EU-Kommission um Präsidentin Ursula von der Leyen plant neue Schutzzölle und weitere Maßnahmen, um sich gegen den Protektionismus der USA und China zu schützen. © IMAGO/Dursun Aydemir„Buy European“ und grüne Quoten: Neue Wege im EU-Binnenmarkt

Neben Schutzzöllen setzt die Europäische Union auf gezielte Eingriffe im Binnenmarkt. Öffentliche Aufträge – etwa für U-Bahnen, Züge und Trassen – sollen künftig an „Buy European“-Regeln gekoppelt werden. Das heißt: Nur wer europäischen, möglichst klimaneutralen Stahl verwendet, bekommt den Zuschlag. Frankreich geht hier bereits voran und forciert für die heimische Industrie gezielt grünen Stahl. Der ist in der Regel teurer als konventioneller Stahl, aufgrund von höheren Kosten für grünen Wasserstoff, Investitionen in neue Anlagen sowie der Abhängigkeit von erneuerbarem Strom.

Auch für Unternehmen und Autovermieter plant die EU laut Handelsblatt neue Vorgaben: Großunternehmen sollen ab 2030 ihre Flotten schrittweise auf klimaneutrale, europäische Elektroautos umstellen. So will die Kommission die Nachfrage nach grünen Produkten ankurbeln und Investitionen in klimafreundliche Produktionskapazitäten fördern.

Kritik und Risiken: Protektionismus mit Nebenwirkungen?

Die neue Strategie der EU ist nicht unumstritten. Liberale Ökonomen wie Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft warnen, dass es nichts bringt, „sich zu verschanzen und die gesamten Wertschöpfungsketten hinter die Grenzen zu holen“. Für den ehemaligen EZB-Präsident Mario Draghi war das bisherige „blinde Vertrauen“ der EU in den Freihandel „eine Falle“.

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Antje Otto, Geschäftsführerin des Stahl-Verbands Saar, bringt die Sorgen vieler Industrievertreter angesichts der aktuell angespannten, wirtschaftlichen Lage auf den Punkt: „Europa darf sich nicht abhängen lassen. Es steht zu viel auf dem Spiel.“

Die Europäische Union als Gleichgewicht zu China und den USA

Jüngst appellierten auch deutsche Wirtschaftsverbände an EU-Chefin von der Leyen für radikale Reformen. Die Europäische Union steht nun vor einer schwierigen Aufgabe: Sie muss ihre Industrie schützen, ohne den Binnenmarkt zu schwächen oder die Preise für Verbraucher explodieren zu lassen.

Protektionismus mit Schutzzöllen und „Buy European“-Klauseln sind dabei nur ein Teil des Puzzles. Entscheidend wird sein, wie die EU den Spagat zwischen internationalem Wettbewerb, Klimaschutz und sozialer Verantwortung meistert. (PF)