Am Dienstag saß Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union, in der „Eisern-Lounge“ des Stadions An der Alten Försterei, und am Ende entfuhr ihm doch so etwas wie ein Seufzer. Fast eine Stunde lang hatte er versucht, ausgeglichen zu wirken, und wiederholt unterstrichen, dass es keinen Anlass gebe, irgendetwas zu dramatisieren oder gar zu skandalisieren. Aber er sagte eben auch, dass es darum gehe, „die Realitäten der Stadt zu akzeptieren“. Was aktuell zum Beispiel bedeutet, hinzunehmen, dass die Ausbaupläne für das Stadion An der Alten Försterei ein wenig abgeschliffen und verändert werden müssen: Statt einer Arena für 40 500 Zuschauer soll die Alte Försterei der Zukunft 34 500 Zuschauern Platz bieten.
Das Volumen des geplanten Stadions – der Baukörper – werde sich zwar nicht verändern, betonte Zingler. Wohl aber die Art der Nutzung: Ursprünglich hatte Union geplant, rund 32 000 Steh- sowie 8000 Sitzplätze einzurichten – und hätte damit sogar das Dortmunder Westfalenstadion ausgestochen. Samt sagenumwobener „Gelber Wand“ kommt die nun nach einem Versicherer benannte Spielstätte in Westfalen auf rund 28 000 Stehplätze. Nun aber musste Zingler den Union-Mitgliedern in einem Brief erklären, dass das Stadion An der Alten Försterei in spe rund 18 800 Steh-, aber 15 700 Sitzplätze haben werde. Zurzeit bietet die Försterei 22 012 Menschen Platz, davon sind 18 395 „Steher“.
Oliver Burke bei Union Berlin
:Alles kommt auf den Tisch
Unions schottischer Angreifer Oliver Burke, 28, hat mit drei Treffern gegen Frankfurt die Palette seiner Fähigkeiten offenbart. Längst überfällig, sagen Kritiker.
Die überarbeiteten Umbaupläne bringen also einerseits die Gefahr eines Kulturwandels mit sich, der nicht allen schmeckt. Zwar sind auch Unioner den Alterungsprozessen unterworfen, die dem Homo sapiens immanent sind; viele Unioner leben auch im Alter nach dem Fan-Motto: „Sitzen ist für’n Arsch.“ Die neuen Pläne schmälern andererseits ganz grundsätzlich die Hoffnungen vieler Unioner, in den Genuss eines Stadionbesuchs zu kommen. Union zählte zum 30. Juni 70 111 Mitglieder, die nicht mal beim berühmten Weihnachtssingen ins Stadion passen – obwohl der Innenraum genutzt wird.
Der Plan für ein Stadion für rund 40 000 Menschen ist an Verkehrsfragen gescheitert
Das Grundproblem sei – Stichwort: Realität –, dass das Umfeld nicht im gleichen Tempo wachse wie Union, erklärte Zingler am Dienstag. Dazu zählt insbesondere die Infrastruktur, die das Stadion umgibt. Der Plan, rund 40 000 Menschen im Stadion zu beherbergen, ist an verkehrstechnischen Problemen gescheitert. Denn um etwa das Schienennetz rund ums Stadion sinnvollerweise auszubauen, fehlt Berlin schon das Elementarste: Bahnstrom. Der Mangel führt jetzt schon zu Kapazitätsproblemen in der Möchtegern-Olympiastadt.
Das Konzept, das Union Mitte Juni bei der Berliner Verwaltung eingereicht hatte, sah unter anderem den massiven Einsatz von Shuttle-Bussen zu mehr oder weniger nahen Bahnhöfen vor, die Union selbst finanzieren wollte. Doch am 19. September wurde er von den Behörden abgelehnt. Zwar hat Union auch schon in der Vergangenheit – überaus verlässlich – Shuttle-Gelegenheiten für Zuschauer angeboten. Aber der Bedarf bei 40 000 Zuschauern würde allein schon die Stellplatzkapazitäten für die Busse sprengen.
Nach der Ablehnung des ursprünglichen Konzepts präsentierte Union nun der Berliner Politik einen Vorschlag, „der aus unserer Sicht das Problem löst“ und „den gordischen Knoten durchschlägt“, wie Zingler sagte. Union drosselt durch eine Verringerung der Kapazität auch die Zahl der an- und abreisenden Zuschauer auf ein Maß, das rund ums Stadion absorbiert werden kann – mit einer geringeren oder, wie der Bürokrat frohlockend sagen würde, „genehmigungsfähigen“ Zahl an Shuttle-Bussen. Zingler berichtete, der Berliner Senat habe da „sehr viel Zustimmung“ signalisiert. Überhaupt seien die Gespräche mit dem Senat sehr positiv gewesen, auch mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (Hertha BSC, äh, Pardon: CDU). „Jetzt hoffen wir, dass er (der Vorschlag, nicht Wegner, Anm. d. Red.) in die Verwaltung hineinwächst“, sagte Zingler. Denn am Ende stehen immer auch eine Unterschrift und ein Stempel.
„Ich bin so optimistisch wie noch nie“, sagte Zingler, dessen Klub schon 2017 konkrete Pläne öffentlich machte, das eigene Haus auszubauen. Wann das sein wird? Der Plan bleibe, das traditionelle Weihnachtssingen 2026 in der Alten Försterei abzuhalten, das ganze Kalenderjahr im Charlottenburger Exil, sprich: im Berliner Olympiastadion zu verbringen, um dann frei nach dem Schmalzrocker Chris Rea („Driving home for Christmas“) zum Weihnachtssingen 2027 wieder in die Försterei zurückzukehren.