Marie-Astrid Langer, San Francisco
Während die USA ihr Zuwanderungprogramm für Fachkräfte herunterfahren, baut China seines aus und führt eine neue Visakategorie für Spitzentalente ein. Im Wettrennen um die globale Technologieführerschaft drohen die USA ihr wichtigstes Gut zu verlieren.
Robotik ist eine der Schlüsseltechnologien, in denen sich China und die USA ein Wettrennen liefern.
Florence Lo / Reuters
Es ist ein Irrglaube, das Silicon Valley sei das Technologiemekka Amerikas. Es ist der Technologie-Hub der Welt. Wer Städte wie Cupertino, Sunnyvale oder Santa Clara besucht, ist verblüfft, wie viele Zuwanderer aus Indien, China, und Europa dort leben. Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung ist mit 41 Prozent noch höher als in Kalifornien (27 Prozent) und deutlich höher als im Landesdurchschnitt (14 Prozent).
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Die Region zieht die klügsten Köpfe aus aller Welt an. Ob Machine-Learning-Experten oder hochspezialisierte Biochemiker, sie alle träumen davon, für einen Tech-Konzern oder ein aufstrebendes Startup zu arbeiten, denn viele amerikanische Unternehmen sind in ihrem Segment Weltklasse. Auch der American Way of Life lockt: etwa die Aussicht, am Wochenende die Pazifikküste Kaliforniens entlang zu spazieren, statt sich drinnen vor dem Smog in Hyderabad zu verstecken. Ein Tech-Job in den USA ist für viele Inder auch eine Lifestyle-Entscheidung.
Ausländische Fachkräfte heben das Einkommen für alle
Umgekehrt sind ausländische Fachkräfte auch ein wichtiger Grund dafür, dass die USA in vielen Sektoren die globale Technologieführerschaft innehaben. Talent zieht Talent an. Ausländer wie Elon Musk oder Eric Yuan kamen mit einem H-1B-Visum ins Land und gründeten SpaceX und Zoom. Auch wenn nicht jeder Zuwanderer ein Milliardenunternehmen aus dem Boden stampft, steigern sie erwiesenermassen die gesamte Wirtschaftsleistung und heben auch das Lohnniveau für Amerikaner.
Doch damit könnte bald Schluss sein. Die USA schmälern ein weiteres Einfallstor für Ausländer, das H-1B-Programm wird deutlich restriktiver. 100 000 Dollar mehr soll künftig ein solches Visum kosten. Das ist viel Geld für Big Tech und zu viel für Startups. Die Ankündigung sandte Schockwellen durch die Reihen der mehr als 700 000 Zuwanderer, die schon heute mit einem H-1B Visum in den USA arbeiten. Visahalter, die sich gerade im Ausland aufhielten, spurteten zu den Flughäfen, Konzerne baten ihre ausländischen Angestellten, vorerst nicht mehr das Land zu verlassen. Alle, die sich gerade um ein H-1B bewerben, blicken sich ratlos bis verzweifelt nach Alternativen um. Ihr American Dream droht gerade zu enden.
Denn die Botschaft ist klar: Die Spielregeln, nach denen man im Land leben und arbeiten darf, können sich unter dieser Regierung jederzeit, ab sofort und grundlegend ändern. Zusammen mit den strengen neuen Auflagen für Hochschulen, Visastornierungen sowie Kürzungen von Forschungsbudgets wird es für junge Spitzenkräfte immer schwieriger, eine Karriere in den USA zu planen. Das Land knallt der nächsten Generation an Top-Talenten die Tür ins Gesicht.
Ein neues Visum gezielt für Stem-Kräfte
Eine Alternative bietet ihnen nun ausgerechnet China: Die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt führt ab 1. Oktober eine neue Arbeitserlaubnis für Ausländer ein. Mit dem sogenannten K-Visum dürfen Talente in Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwissenschaften und Mathematik (kurz Stem) in China leben und arbeiten. In den Monaten zuvor hatte China bereits einige Forschungsbudgets ausgebaut. Natürlich bleiben viele Hindernisse für eine Karriere dort bestehen: die Sprachbarriere, praktisch keine Perspektive zur Einbürgerung, der Kommunismus, das autoritäre Regime.
Doch die Trends überraschen: Die USA verschliessen sich, China öffnet sich. Das dürfte sich auch auf das geopolitische Wettrennen der beiden Supermächte auswirken. Denn wer als Erster die neuen Schlüsseltechnologien unserer Zeit – Robotik, künstliche Intelligenz, Genforschung – dominiert, wird bald auch die Geopolitik beherrschen.
Es ist ein Rennen, das keines der Länder für sich allein entscheiden kann, es wird immer Schützenhilfe von Ausländern brauchen. Doch wo die Top-Talente leben und arbeiten, hängt entscheidend davon ab, wer sie willkommen heisst.