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Die USA und Deutschland fahren die Entwicklungshilfe herunter. Das gibt China neue Chancen. Ein Experte mahnt zu westlicher Stärke.
Berlin – Der Westen zieht sich von der Weltbühne ein Stück weit zurück. Als Antreiber für diese Entwicklung gilt US-Präsident Donald Trump – dieser hatte mit seinem Amtsantritt der wichtigen Entwicklungsbehörde USAID Gelder in Milliardenhöhe gestrichen. Die Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ging zwar nicht so rabiat vor, senkte aber den Haushaltsanteil für das Entwicklungsministerium. Das birgt Gefahren für den Westen.
Rückzug bei USAID und BMZ – Sicherheitsexperte sieht Gefahr aus China
Statt 10,28 Milliarden Euro soll das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Jahr 2026 laut Haushaltsentwurf noch 9,94 Milliarden Euro erhalten. Das bedeutet eine weitere Zusammenstreichung im Bereich Entwicklung. Angesichts dessen, dass auch die USA sich massiv zurückgezogen haben, was die Entwicklungshilfe angeht, sieht Dr. Michael Werz deutliche Risiken für den Westen. Werz ist Senior Advisor für Nordamerika und multilaterale Angelegenheiten der Münchner Sicherheitskonferenz. Gegenüber IPPEN.MEDIA verrät er, wo diese Risiken liegen.
Herr Dr. Werz, in der Zeitschrift „Internationale Politik“ haben Sie im November 2024 noch eine Konfrontation mit Europa, Kooperation mit Autokraten und einen Diktatfrieden für die Ukraine vorausgesehen. Wie ist Ihre Einschätzung nach acht Monaten Donald Trump?
Dass es manchmal schmerzt, recht zu haben. Wichtig ist im Blick zu behalten, dass etwa die Schließung der Entwicklungsbehörde USAID die Veränderungen der globalen Einflusssphären weiter beschleunigt und etwa China mehr Spielräume im entwicklungspolitischen Bereich überlässt, als die Führung in Peking sich hätte erträumen lassen.
Das ohnehin geschwächte multilaterale System ist ohne die USA einsturzgefährdet.
Was hat sich seit den Regierungswechseln in Deutschland und USA bezüglich der Entwicklungspolitik in den beiden Ländern getan?
Die Koalitionsregierung in Deutschland hat sich entschlossen, das BMZ trotz vieler Angriffe als eigenständiges Ministerium zu erhalten. Das ist richtig; die Kürzungen der Haushaltsmittel sind nur schwer nachvollziehbar. Gerade dann, wenn man auf die stabilisierende Wirkung und Effizienz von Investitionen im Entwicklungsbereich blickt.
Xi Jinping in Peking (Symbolfoto). Die USA und Deutschland fahren die Entwicklungshilfe herunter. Das gibt China neue Chancen. Ein Experte mahnt zu westlicher Stärke. © IMAGO / Xinhua
In den USA ist das Bild ein anderes, das hat die Rede des Präsidenten vor den Vereinten Nationen noch einmal bekräftigt. Das ohnehin geschwächte multilaterale System ist ohne die USA einsturzgefährdet. Andererseits finden an vielen Orten interessante Diskussionen über Koalitionen der Willigen statt, die in multilaterale Kooperation investieren unter dem Motto: „Jetzt erst recht“.
Politische Chancen für China – „positioniert sich als rationaler Akteur“
Sie haben vorher die Regierung in Peking erwähnt. Wie reagiert China aktuell auf Veränderungen in der internationalen Entwicklungspolitik?
Der Rückzug der Vereinigten Staaten bietet für Chinas Führung eine einmalige politische Chance, sich noch stärker in einer Vorreiterrolle für eine neue Weltordnung zu positionieren – ungeachtet der oft brachialen chinesischen Realpolitik. Und das, obwohl in der Vergangenheit Chinas Auslandshilfe deutlich geringer als die der USA war. Mehr noch: Sie bestand vor allem aus Darlehen und Investitionen, und nicht (wie die in den USA) aus Zuschüssen.
China treibt diese Positionierung auf allen verfügbaren internationalen Plattformen voran. Im September sprach Präsident Xi Jinping auf dem Treffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) – eigentlich ein eher sicherheitspolitisch ausgerichtetes Forum – davon, dass China sich für den Erfolg des „SCO Green and Sustainable Development Forum“ einsetzen würde und in Kooperation mit anderen multilateralen Organisationen die „internationale Wirtschafts- und Handelsordnung“ verteidigen wolle.
China positioniert sich als rationaler Akteur und weltoffen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass China bereits im Jahr 2021 die Global Development Initiative (GDI) ins Leben gerufen hat. Diese multilaterale Initiative soll, basierend auf den Zielsetzungen der UN, eine umweltfreundlichere globale Entwicklung fördern. Die GDI ähnelt in ihrer Struktur eher der westlichen Entwicklungshilfe als den bisherigen Kreditvergabepraktiken. Sie hat ein Volumen von zwei Milliarden US-Dollar.
Welche Vorteile erhofft sich das Land davon?
China positioniert sich als rationaler Akteur und weltoffen: Premierminister Li Qiang sprach auf dem wichtigen China Development Forum in diesem Jahr von dem Einsatz seines Landes für soziale Inklusion, gerechtes Wachstum, Multilateralismus, Freihandel und internationale Zusammenarbeit. Diese Passage hätte noch vor wenigen Monaten in einer Rede des damaligen U.S. Außenministers Antony Blinken stehen können. Li Qiangs Formulierungen machen deutlich, dass China in diesen Bereichen offene Räume erkennt, die es okkupieren kann.
Mahnung gen Westen – Merz muss „auf allen Ebenen kämpfen“
Was bedeutet das für den Westen?
Das kommt darauf an, ob sich Europa auf eine gemeinsame Außen- und Entwicklungspolitik einigen kann, Ressourcen bündelt und mit demokratischen Ländern wie Brasilien, Mexiko, Südafrika und Indien neue Koalitionen schmiedet.
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Welchen Rat würden Sie der Merz-Regierung hinsichtlich Entwicklungs-Budget geben?
Deutschland muss für multilaterale Kooperation auf allen Ebenen kämpfen. Das kostet Geld: Entwicklungsinvestitionen sind Sicherheitsinvestitionen.