Auf die Frage, was sein „Odalisk“ eigentlich darstelle, antwortete US-Objektkünstler Robert Rauschenberg: „It’s a cock.“ Doppeldeutig steht das für „Gockel“, aber auch für „Schwanz“. Hintersinnig ist die Mitte der 1950er Jahre entstandene Arbeit, ein freches Teil aus Brettern, Kissen, ausgestopftem Federvieh, aus Zeitschriften gerissenen Bildern vom Abendmahl und sich räkelnden Konkubinen.

Mondlandung und Queerness

Rauschenbergs Arbeit entstand in einer Zeit, als er sich in Jasper Johns verliebte und dafür Cy Twombly verließ – Paarbeziehungen unter Künstlern, die nicht einfach so zustande kamen, sondern die Pop Art befeuerten, welche die drei Ende der 50er zu internationalem Durchbruch verhalfen. Ebenfalls ein Paar waren Komponist John Cage und Choreograf Merce Cunningham. Für ihn wiederum fertigte Rauschenberg Kostüme und Bühnenbilder.

Auf einer Wand am Eingang im Museum Ludwig wird auf die Ausstellung „Fünf Freunde“ hingewiesen.

Auf einer Wand am Eingang im Museum Ludwig wird auf die Ausstellung „Fünf Freunde“ hingewiesen.

Neben dem Schwarz-Weiß-Film zu Cunninghams märchenhaften Tanz „Changeling“ (Wechselbalg) ist das Originalkostüm samt Mütze zu sehen. Hauteng gestrickt aus kratziger roter Wolle. „5 Freunde“ heißt die Ausstellung mit der das Museum Ludwig die Themen „Geheimnis, Sex, Kalter Krieg, Mondlandung und Queerness“ aufgreift. Zusammen mit dem Münchener Museum Brandhorst, das die Schau zuerst zeigte, führten die Kuratoren Yilmaz Dziewior und Achim Hochdörfer mit Arthur Fink, Kerstin Renerig und Leonore Spemann 300 Bilder, Objekte, Filme, Kostüme und Fotos zusammen, die chronologisch von den 50er bis hin in die 90er Jahre unmittelbar die Prozesshaftigkeit und den Ateliercharakter vermittelt.

Ein Kostüm gestaltet von Robert Rauschenberg für Merce Cunninghams „Changeling“

Ein Kostüm gestaltet von Robert Rauschenberg für Merce Cunninghams „Changeling“

Dass es Rauschenbergs „Bed“  aus dem New Yorker MoMa nach Köln geschafft hat, wertet Dziewior, Direktor des Ludwig, als großen Vertrauensbeweis. Bislang sei die hochfragile Arbeit als Leihgabe nie in Frage gekommen, jetzt bildet sie quasi das Zentrum: Sein privates Bett übertrug Rauschenberg in Kunst. Die Arbeit von 1955 wird als sein erstes „Combine“ gewertet, eine Symbiose aus Malerei und Skulptur aus Alltagsgegenständen.

Blick ins Atelier in New York

Fotos geben Einblick in das New Yorker Atelier – das zerwühlte Bett inmitten von Büchern, Bildern und Katalogen. Dort arbeitet Rauschenberg Seite an Seite mit Twombly und Johns – mitunter ist nicht zu unterscheiden, von wem die Bilder stammen. Der gestische Duktus zeugt von Aufbruch der jungen amerikanischen Avantgarde, die auch vom Bauhaus geprägt war.

Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig, zeigt bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung „Fünf Freunde“ verschiedene Werke der Künstler.

Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig, zeigt bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung „Fünf Freunde“ verschiedene Werke der Künstler.

Als Rauschenberg und Twombly 1953 nach Europa und Nordafrika reisen, saugen sie alles auf, in vielen in Italien und Marokko entstandenen Fotografien sind bereits Ideen für Werkgruppen angelegt, die die beiden nach ihrer Rückkehr in die USA schaffen sollten, Graffiti an römischen Hauswänden zum Beispiel weisen auf Twomblys gekritzelte Strichführung hin, die er später entwickelte.

Beide experimentierten Anfang der 50er Jahre im Black Mountain College in North Carolina, wo auch Cage und Cunningham lehrten. Rasch entwickelte sich eine Zusammenarbeit. „Der politische Kontext des Kalten Kriegs durchdrang die Arbeiten der Künstler “, sagt Achim Hochdörfer, Direktor des Museum Brandhorst.

Ein Besucher geht bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung „Fünf Freunde“ im Museum Ludwig an dem Gemälde von Cy Twombly mit dem Titel „Treatise on the Veil“ von 1968 vorbei.

Ein Besucher geht bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung „Fünf Freunde“ im Museum Ludwig an dem Gemälde von Cy Twombly mit dem Titel „Treatise on the Veil“ von 1968 vorbei.

Eine Ära, in der US-Senator Joseph McCarthy Antikommunismus und politische Verfolgung befeuerte. Homosexuelle standen unter Beschuss. Unverkennbar sind Johns’ „Targets“: Amerikanische Flagge und Zielscheiben verweisen darin auf Staatsräson und Militär. Natur und Technik beschäftigten die Künstler, Raumfahrt und Atomstrategie. In „Die Rache des Achilles“ schuf Cy Twombly 1962 ein bedrohliches Szenario – die Kuba-Krise schürte die Angst vor der Atombombe.

Leise Töne, Musik der Stille

Und gleichzeitig gibt es die leisen Töne die über Dekaden hinweg herrschen – ob in Cages „Musik der Stille“ oder in Twomblys „White Paintings“, in hauchfeinen, abstrakten Zeichnungen mit Wachsmalstiften, Kreide und Grafit. 1971 thematisiert er damit den Tod einer Freundin, Nini, ordnet die Striche an wie Flugbahnen. Direkt daneben hängt Rauschenbergs „Booster“ (Verstärker) von 1967 ein transzendentales Bild mit Röntgenbildern des eigenen Skeletts.

Köln: Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig, zeigt bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung „Fünf Freunde“ auf das Kunstwerk von Robert Rauschenberg mit dem Titel „Bed“ von 1955.

Köln: Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig, zeigt bei einer Vorbesichtigung der Ausstellung „Fünf Freunde“ auf das Kunstwerk von Robert Rauschenberg mit dem Titel „Bed“ von 1955.

Jasper Johns indes entwirft in „Corpse and Mirror “ (Leichnam und Spiegel) Mitte der 70er Jahre eine grafische Methode, um dem Bild Tiefe und Volumen zu verleihen. Vieles aus den Schaffensphasen der „fünf Freunde“ dürfte deutsches Informel und Fluxusbewegung beeinflusst haben. Hier ist quasi die Geburtsstunde zu sehen.

Das Museum Ludwig bietet zur Ausstellung ein Rahmenprogramm mit „Tanz in Köln“, der Universität und dem WDR an. Das Bühnenprogramm mit Konzerten und Performances unter www.museum-ludwig.de. (jan) Bis 11. Januar, Di bis So 10 – 18 Uhr, Bischofsgartenstr. 1