DOMRADIO.DE: Der Semesterbeginn ist für die Studierenden die ersten Tage und Wochen ja sehr aufregend, weil man noch nicht weiß, was passiert. Wie ist es bei Ihnen mit der Nervosität im neuen Amt als Hochschulpfarrer?
Thorben Pollmann (Hochschulpfarrer Köln): Ich bin auch sehr aufgeregt. Es ist ein kompletter Neuanfang und ich glaube, mir geht es da genauso wie den Erstsemestern. Ich bin frisch nach Köln gekommen und muss mich in dieser Stadt erst einmal zurechtfinden. Ich bin begeistert von all den Möglichkeiten, die es hier gibt. Nächste Woche muss ich mir erst einmal eine Mensa-Karte besorgen. Ich verlaufe mich ständig, weil ich noch nicht alles verstanden habe, nicht einmal in den Gebäuden, für die ich eigentlich zuständig bin. Es ist eine spannende und großartige Zeit und ich freue mich riesig, dass es jetzt losgeht.
DOMRADIO.DE: Also können Sie sich gut in die Studierenden hineinversetzen, die gerade anfangen und für die alles noch sehr ungewohnt ist?
Pollmann: Genau. Ich habe gegenüber den Studierenden natürlich den Vorteil, dass ich wenigstens schon eine Wohnung habe. Im Gegensatz zu vielen von ihnen. Die Studierenden starten mit viel mehr Unsicherheiten, als ich es tue.
Thorben Pollmann
„Ohne eigenes Zimmer und ohne feste Adresse kann man nicht vernünftig arbeiten.“
DOMRADIO.DE: Da sind wir schon bei einem brisanten Thema. Die Wohnungssituation in Köln ist natürlich schwierig. Wie stellt sie sich im Moment dar?
Pollmann: Also, zum einen lese ich natürlich, was in der Zeitung steht. In Köln stehen im Moment 2.500 Studierende auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz. Von denen kommen auch ganz konkret einige zu uns in die katholische Hochschulgemeinde. Wir haben gerade zwei Studierende, die ernsthaft von Obdachlosigkeit bedroht sind. Sie haben noch kein eigenes Zimmer und schlafen dann bei Freunden im Wohnheim auf dem Fußboden. Ohne eigenes Zimmer und ohne feste Adresse kann man nicht vernünftig arbeiten. Wenn man dann noch einen ausländischen Namen hat, wird es noch schwieriger, eine Wohnung zu finden. Die Situation ist also wirklich sehr dramatisch.
DOMRADIO.DE: Was können Sie den Studierenden allgemein als Hochschulseelsorger beziehungsweise als Hochschulgemeinde anbieten und mitgeben?
Pollmann: Als Hochschulgemeinde versuchen wir, den Studierenden in jeder Lebenslage zu helfen. Das betrifft natürlich auch das Geistliche. Viele Studierende kommen in eine neue Stadt und müssen ihre Heimatgemeinden verlassen. Sie haben dann vielleicht keine Anbindung mehr. Einsamkeit ist ja ein großes Thema unter jungen Menschen. Wir wollen Gemeinschaft anbieten und geistige Angebote machen. Gleichzeitig helfen wir aber auch ganz konkret, wenn Studierende wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Wir haben eine ganz tolle Mitarbeiterin, die das mit viel Geduld macht und so gut es geht versucht, den Leuten zu helfen.
Thorben Pollmann
„Wer heute studiert, weiß oft nicht, wie das Arbeitsleben später aussehen wird.“
DOMRADIO.DE: Sie haben als Hochschulpfarrer noch keine eigenen Erfahrungswerte. Möglicherweise hat Ihnen Ihr Vorgänger Informationen weitergegeben oder Ihr Umfeld. Was bekommen Sie bisher mit, abgesehen von der Wohnungsnot, die ja schlimm genug ist? Welche Sorgen und Ängste sind unter den Studierenden verbreitet?
Pollmann: Generell ist es so, dass junge Menschen momentan eine etwas schwierige Zeit haben. Sie sehen, dass sie noch sehr lange auf dieser Welt sein werden und das Klima entwickelt sich in eine sehr schlechte Richtung. Ein Thema, das für sie äußerst präsent ist. Auch die wirtschaftliche Situation wird immer wichtiger. Wer heute studiert, weiß oft nicht, wie das Arbeitsleben später aussehen wird. Unsicherheit ist schon ein großes Thema.
DOMRADIO.DE: Dass immer weniger junge Leute etwas mit der Kirche anfangen können, ist ja kein Geheimnis. Wie wollen und wie können Sie mit Ihrer Arbeit diesen Abwärtstrend möglicherweise stoppen?
Pollmann: Wenn ich mit meiner Arbeit den Abwärtstrend stoppen könnte, wäre ich wahrscheinlich weltberühmt. Die Kirche sucht ja um die ganze Erde herum nach Lösungen. Im Moment habe ich dafür noch keine. Ich werde einfach mein Bestes geben und gemeinsam mit den jungen Menschen hier sowie mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versuchen, etwas zu entwickeln. Es ist ja nicht so, dass überall alles abwärts geht. Wir sehen auch ganz tolle Aufbrüche, zum Beispiel in Frankreich. Auch innerhalb Deutschlands gibt es an verschiedenen Orten Aufbrüche. Ich halte es daher für möglich, dass man diesen Trend im Kleinen umkehren kann.
DOMRADIO.DE: Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten im neuen Wintersemester 2025/2026?
Pollmann: Ich freue mich auf ganz viele Begegnungen mit den Studierenden. Zum Beispiel feiern wir dienstags um 12:15 Uhr in der Katholischen Hochschulgemeinde unsere Mittagsmesse. Danach laden wir die Studierenden zum Essen ein. Ich freue mich darauf, viel Zeit mit ihnen zu verbringen und sie besser kennenzulernen.
Das Interview führte Carsten Döpp.
30 Prozent der Studierenden laut Paritätischem Gesamtverband arm
Der Paritätische Gesamtverband hat eine stärkere Bafög-Anhebung gefordert, als von der Ampel-Koalition geplant. Der Verband begründet das mit eigenen Berechnungen, wonach 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland von Armut betroffen seien. Bei den alleinlebenden Studenten und Studentinnen seien es sogar 79 Prozent, teilte der Paritätische am Dienstag mit.