Die USA wollen die Ukraine laut einem Medienbericht mit Geheimdienstinformationen für Angriffe mit Langstreckenraketen auf die russische Energieinfrastruktur unterstützen. Das berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf US-Regierungsvertreter. 

US-Präsident Donald Trump habe eine entsprechende Anordnung unterzeichnet. Er erwäge zudem, Kiew leistungsstarke Waffen zu liefern, die weitere Ziele in Russland in Reichweite bringen könnten. Dem Bericht zufolge bitten US-Regierungsvertreter die Nato-Verbündeten um eine ähnliche Unterstützung. 

Ukraine-Update

Mit unserem Update-Newsletter zum Ukraine-Krieg erhalten Sie aktuelle Nachrichten, wichtige Hintergründe und exklusive Analysen von den Expertinnen und Experten des Tagesspiegels.

Bei einem Treffen mit Trump nach dem UN-Gipfel in New York vergangene Woche hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Trump um weitreichende Raketen gebeten. Der sagte zu, die Sache zu prüfen.

Der Vorgang ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der US-Präsident seinen Kurs gegenüber Russland ändert. Zuletzt hatte er davon gesprochen, dass Kiew mit westlicher Hilfe sein gesamtes von Russland besetztes Gebiet wiedererobern könne. Er nannte aber als Voraussetzung, dass die EU- und Nato-Staaten der Ukraine dabei Unterstützung zukommen lassen.

Laut dem „Wall Street Journal“ wäre es das erste Mal, dass die USA Kiew bei Angriffen auf russischem Staatsgebiet unterstützen. Die US-Regierung unter Joe Biden hatte Kiew vergangenes Jahr erlaubt, US-Waffen gegen Ziele in Russland einzusetzen; allerdings nur, um eine unmittelbare Gefahr abzuwenden. Faktisch kann Kiew die US-Waffen also nur in Grenznähe einsetzen. Raketen aus britischer und französischer Produktion dagegen kann Kiew auch in grenzentfernteren Regionen nutzen, ihre Reichweite ist allerdings auf 250 Kilometer beschränkt.

Kiew fügt der russischen Ölindustrie großen Schaden zu

US-Tomahawk Raketen, um die es bei der Bitte Selenskyjs an Trump ging, haben eine Reichweite von mehr als 2000 Kilometern. Auch die Ukraine selbst baut inzwischen weitreichende Raketen.

Bisher führt die Ukraine weitreichende Angriffe vor allem auf die russische Erdölinfrastruktur mit eigenen Drohnen durch. Und das auch ohne US-Hilfe schon sehr erfolgreich.

Ende August schätzten die Nachrichtenagentur Reuters und das Magazin „Bloomberg“, dass durch die Angriffe mit Langstreckendrohnen bis zu 20 Prozent der gesamten russischen Produktionskapazitäten für die Rohölverarbeitung zumindest zeitweise außer Betrieb gesetzt wurde. Vor allem in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine kam es deshalb im Sommer zu Benzinknappheit.

Die russische „Moscow Times“ berichtete am 10. September, dass sich die Benzinknappheit mittlerweile auf mehr als 20 russische Regionen ausgeweitet habe. „Immer mehr Regionen Russlands sind mit einem Kraftstoffmangel konfrontiert“, bestätigte der Staatsduma-Expertenrat Dmitri Tortev der Zeitung. 

Der Präsident des russischen Verbandes der Mineralölunternehmen (NTS), Pawel Baschenow, räumte jüngst ein, dass die Lieferengpässe zur Schließung einer Reihe unabhängiger Tankstellen in mehreren Regionen geführt habe.

Die US-amerikanische Denkfabrik „The Institute for the Study of War“ berichtete kürzlich, dass die ukrainische Langstreckenangriffskampagne gegen russische Energieinfrastrukturen sich langfristig negativ „auf Russlands Fähigkeit zur Finanzierung seines Krieges gegen die Ukraine auswirken“ dürften.

Trump forderte zuletzt die EU- und Nato-Staaten auf, keine russischen Energierohstoffe mehr zu kaufen. Dann könne es auch harte Sanktionen gegen den russischen Energiesektor geben, die Russlands Wirtschaft schwächen sollen.

Mehr zum Thema Berliner Start-up entwickelt Schutz für Unterseekabel Unbemannte Boote sollen in der Ostsee patrouillieren „Maximal zwei Stunden Schlaf“ Wie russische Luftangriffe die Kiewer zermürben sollen Russlands Schattenflotte nach Drohnenattacken im Visier „Putin möchte, dass wir Angst haben“

Die US-Regierung glaubt, das sei aktuell der einzige Weg, um Russlands Präsident Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu bringen. (Mit Agenturen)