Es ist nicht nur die Verteidigung ihrer Doktorarbeit über die Dichterin Yōko Tawada, auf die sich Ela vorzubereiten sucht, eigentlich verteidigt die junge Frau ihr ganzes Leben. Gegenüber Kommilitonen, Doktorvätern, dem Bruder, vor allem aber der Mutter gegenüber, die ja schon in Daniela Dröschers wunderbarem Roman „Lügen über meine Mutter“ die Hauptrolle gespielt hat. In „Junge Frau mit Katze“ wird die übergewichtige Mutter ein wenig an den Rand gedrängt. Statt des umfangreichen, mütterlichen Körpers ist es ihr eigener, der dünne und fragile Körper der Ich-Erzählerin, der sich wehrt. Es beginnt mit unerträglichen Halsschmerzen, die auch über Wochen nicht weniger werden, wechselt zu unendlicher Müdigkeit, hämmerndem Kopfschmerz. Der Darm rebelliert und schließlich auch die Haut. Der ganze Körper scheint in Flammen zu stehen.

Daniela Dröscher, „Junge Frau mit Katze“, 314 Seiten, 24 Euro, Kiepenheuer & Witsch Foto: Kiwi

An die Vorbereitung ihrer Promotion über die japanische Schriftstellerin Tawada ist nicht mehr zu denken. Einziger Halt ist Sir Wilson, ihr Kater, der stoisch und unverbrüchlich seine Runden in Elas Berliner Wohnung dreht. Doch dann der niederschmetternde Verdacht: Katzenhaarallergie! Ein Mensch, der Kollege O., warum er sich so nennt, erfahren wir gegen Ende, hätte ebenfalls Potenzial zum zweiten Lieblingswesen. Leider geht er selbstverständlich davon aus, dass Ela wegen ihres Promotionsthemas Japanisch sprechen könne. Sie klärt das Missverständnis nicht auf – und fühlt sich wie eine Hochstaplerin.

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Das Thema des Hochstapelns ist ein roter Faden in Dröschers Werk. Bereits in ihrem ersten Roman „Die Lichter des George Psalmanazar“ von 2008 behandelt sie das Thema, das mit dem Namen Psalmanazar in „Junge Frau mit Katze“ wieder auftaucht. Auch hier zitiert sie die Biografie des französischen Hochstaplers, der sich im 17. Jahrhundert in Großbritannien ein paar Jahre lang damit brüstete, der erste Ureinwohner Formosas (heutiges Taiwan) zu sein, der Europa erreicht habe.

Redakteurin Andrea Zuleger und Chefredakteur Thomas Thelen sprechen im AZ-Podcast „Auslese“ über den Roman „Diebstahl“ von Abdulrazak Gurnah. © Zuleger, Thelen, Engels; Grafik: Claßen

Ela leidet irgendwie selbst unter einem Hochstaplersyndrom, kämpft mit dem schlechten Gewissen, fühlt sich immer zur falschen Zeit am falschen Platz. Das Gefühl, immer zu viel von allem zu haben (zu viel Emotion, zu viel Krankheit, zu viele Gedanken) und gleichzeitig zu wenig zu haben (zu wenig Gewicht, zu wenig Körper, zu wenig Wissen, zu wenig Leistung, zu wenig Erfolg und Geld), ist ein Grundkonflikt ihres Lebens, den sie aus ihrer Kindheit und von ihrer Mutter mitgenommen hat.

„Junge Frau mit Katze“ ist ein lesenswerter Roman, der aber literarisch nicht ganz an „Lügen über meine Mutter“ heranreicht. Vielleicht auch, weil dem Schildern der ausschweifenden Krankheitsgeschichte per se eine gewisse Larmoyanz zu eigen ist. Aber er ist klug erzählt und durchaus spannend zu lesen.