Beim Festakt zur Deutschen Einheit in Saarbrücken hat auch der französische Präsident Emmanuel Macron eine Rede gehalten. Altkanzlerin Angela Merkel hätte sich stattdessen einen Gastredner aus dem Osten gewünscht.
Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem zentralen Festakt zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit die Rednerliste kritisiert. Bei der Feier in Saarbrücken kam neben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) auch der französische Präsident Emmanuel Macron zu Wort. Sie selbst schätze Macron, sagte Merkel dem ZDF im Vorfeld: „Aber vielleicht hätte man auch jemanden aus Osteuropa oder aus Ostdeutschland als Gastredner nehmen können, anlässlich von 35 Jahren Deutscher Einheit.“
Der Festakt findet dieses Jahr im Saarland statt, weil das Land den Vorsitz der Bundesländer führt. Macron war als Ehrengast eingeladen. In seiner Rede warnte er vor einem „Verfall“ der Demokratie. „Es ist befremdlich, dass ein französischer Präsident nach Deutschland kommt, um zu erklären, dass die Demokratie zu unseren Herausforderungen zählt. Aber so weit sind wir inzwischen gekommen,“ sagte Macron. „Es geschieht etwas in unseren Ländern, ein Verfall unserer Demokratien.“
Macron bekräftigte seine Kritik an den Onlinenetzwerken, die von „Propaganda-Beauftragten autoritärer Regime“ ausgenutzt würden. „Wir waren unendlich naiv, unseren demokratischen Raum sozialen Netzwerken anzuvertrauen, die in der Hand US-amerikanischer oder chinesischer Unternehmen sind“, sagte er weiter.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg rief Macron zum Ausbau der europäischen Verteidigung auf: Der Moment der Wiederaufrüstung sei gekommen. Ziel sei „ein Europa, dass sich entscheidet, nicht mehr abhängig zu sein, das nicht nur gemeinsam anschaffen, sondern auch produzieren wird, gemeinsame Programme entwickelt und zu Ende führt“. Damit spielte er auf das Vorhaben des deutsch-französischen Kampfjets FCAS an, das derzeit durch Machtkämpfe der beteiligten Unternehmen bedroht ist.
Europa müsse entscheiden, weiter „in glücklicher oder unglücklicher Vasallenschaft“ zu bleiben oder „endlich eine Militärmacht zu werden“, betonte Macron mit Blick auf das transatlantische Verhältnis. Dies bedeute nicht, aufzurüsten, um Krieg zu führen, sondern um andere von Angriffen abzuhalten.
Bei vielen Menschen herrscht heute Ernüchterung
Das Saarland richtet als derzeitiges Vorsitzland im Bundesrat die bereits am Donnerstag gestarteten dreitägigen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit aus. Am 3. Oktober 1990 hatten sich die beiden deutschen Staaten nach mehr als 40 Jahren Teilung nach Regeln des westdeutschen Grundgesetzes vereinigt, rund ein Jahr nach der friedlichen Revolution in der DDR und der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze. Obwohl sich die Lebensverhältnisse nach und nach angeglichen haben, herrscht Umfragen zufolge bei vielen Menschen heute Ernüchterung.
So sagten bundesweit 30 Prozent in einer YouGov-Umfrage, dass Ost- und Westdeutsche mehr trennt als eint. Nur 16 Prozent glauben, dass Gemeinsamkeiten überwiegen. Von den befragten Ostdeutschen sagten YouGov zufolge sogar 43 Prozent, dass Ost- und Westdeutsche mehr trennt als eint. Nur 11 Prozent meinen, dass die Gemeinsamkeiten überwiegen.
Im neuen ZDF-Politbarometer gaben zwar neun von zehn Befragten an, sie fänden die deutsche Vereinigung grundsätzlich richtig. Zugleich sagten aber 47 Prozent im Westen und 57 Prozent im Osten, die Probleme der Wiedervereinigung seien zu einem großen Teil noch ungelöst. Im aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ zeigten sich 61 Prozent mit dem Stand der deutschen Einheit sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden, 34 Prozent weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden.
Begleitet wurde der Festakt in Saarbrücken von einem Bürgerfest, Kunst, Musik und Diskussionen. Die Feiern tragen das Motto „Zukunft durch Wandel“ und „Feiern, was uns verbindet“.
dpa/gub