Die 1983 in Hamburg geborene Schriftstellerin Anja Kampmann gehört zu den Shootingstars der neueren deutschen Literatur. 2018 veröffentlichte sie den Debütroman „Wie hoch die Wasser steigen“, ein Liebesdrama, das unter anderem von widrigen Arbeitsbedingungen auf einer Ölplattform handelt und auch zu einem internationalen Erfolg wurde. Ihr neuer Roman spielt in den 1930er-Jahren auf dem Kiez in St. Pauli.
Hedda ist Seiltänzerin im Alkazar auf der Reeperbahn und genießt erstaunliche Freiräume in einer ruppigen Welt, in der die Übergänge von Bühne und Bett oft fließend sind. Als die Nazis die Macht im Staate übernehmen, verändert sich der Kiez gravierend. Heddas Freunde, die in kommunistischen Sportgruppen aktiv sind, werden verhaftet und ermordet.
Heddas Schwarm, der Boxer Karl Johann August Hacker genannt Kuddel, wird von der Gestapo abgeholt. Die Angst begleitet die Figuren in „Die Wut ist ein heller Stern“ überallhin. Parallel zu den Geschehnissen im Varieté wird Heddas Familiengeschichte erzählt: Der Vater reiht sich in die SA ein, die Mutter verdingt sich in Reemtsmas Zigarettenfabrik. Heddas älterer Bruder, der als schlecht bezahlter Geselle in einer Schmiede arbeitet und davon träumt, Harpunen für einen neuen Walfänger herzustellen.
Die Wut ist ein heller Stern
Die persönliche Not der Menschen ist bei Kampmann stets mit den politischen Verhältnissen, in diesem Fall mit dem Großmachtstreben des neuen Reichs verbunden. Ein vierseitiges Personenregister im Anhang zeigt, dass die meisten Lebensgeschichten dieses Buchs nicht erfunden sind.
Die Gegebenheiten mögen recherchiert sein, der Roman aber ist auf nahezu artistische Weise fiktiv: Die Perspektiven wechseln ständig, der Text ist in einer eigenwillig flirrenden Kunstsprache gehalten, die Prosa wirkt wie ein literarischer Seiltanz.