Stand: 04.10.2025 00:01 Uhr

Kein Stück hat so viele widersprüchliche Deutungen provoziert wie Shakespeares „Hamlet“. Es geht um die Unentscheidbarkeit in den entscheidenden Fragen. Frank Castorfs Version ist ein gallig intensives Rollenspiel auf einer Kohlehalde an den Rändern Europas.

von Jan Peter Gehrckens

Auf der einsamen Suche in verkohlter Vergangenheit – packend ist diese Hamletmaschinerie am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. „Der Text entsteht erst während der Proben. Deswegen gehst du mit dem um, was dir in dem Moment gegeben wird. Und versuchst es umzusetzen. Ich hoffe, dass dann dieser Hamlet entsteht“, erläutert Hauptdarsteller Paul Behren den Prozess.

Meine Gedanken sind Wunden in meinem Gehirn, mein Gehirn ist eine Narbe. Ich will eine Maschine sein. Arme zu greifen, Beine zu gehen, kein Schmerz, kein Gedanke.

Zitat aus „Hamlet“

„Wir haben nicht einen Text, wo wir wissen: ‚Das wird meine Rolle sein.‘ Ich etwa wusste erst nach vier Tagen, dass ich den Hamlet spiele. Ich wurde darauf nicht vorbereitet. Dann gehst du in die Proben und guckst, was auf dich zukommt, und versuchst, es so gut wie möglich zu machen“, erzählt Behren.

Shakespeare versetzt mit Heiner Müllers „Hamletmaschine“

Shakespeare versetzt mit Heiner Müllers „Hamletmaschine“ und einer Fülle weiterer höchst anspruchsvoller Textfragmente – so spürt Regisseur Frank Castorf Hamlet nach: „Wir sind ja alle sehr durcheinander. Das ist der Zustand von Hamlet. Insofern ist es etwas, dass man sich durch die Qual der Sprache durchbeißen muss. Solche Sachen scheinen mir wichtig zu sein.“

Müller verfolgt in seinem grandiosen Kurzdrama die Figur Hamlet durch die verheerende Geschichte des 20. Jahrhunderts. Shakespeares Stück selbst, schreibt er, „ist der Versuch, eine Erfahrung zu beschreiben, die keine Wirklichkeit hat in der Zeit der Beschreibung. Ein Endspiel in der Morgenröte eines unbekannten Tags.“ Als Shakespeare sein Stück 1601 schrieb, war sein Gönner, ein Liebhaber der Königin hingerichtet worden, zudem starben sein Vater und sein Sohn, der Hamnet hieß.

Wie wird Unterdrückung angenommen und verinnerlicht?

Am Schauspielhaus spielt die Historie von Aufständen wie dem in Ungarn 1956 permanent eine Rolle auf der Leinwand und den Bühnenbrettern – sie reibt sich an unserer Gegenwart – wie wird Unterdrückung angenommen und verinnerlicht?

„Man muss Leute in der eigenen Wut mitnehmen. Man muss sie verstehen. Wenn sie ungerechtfertigt ist, dann ist es der Beginn von Terrorismus, den jemand mit Macht ausübt. Macht ausüben ist langweilig. Ich bin mehr wie Eichendorffs ‚Aus dem Leben eines Taugenichts‘ und bin damit sehr froh“, meint Castorf. Vom Rand der Zeit – der Spielzeitbeginn am Schauspielhaus.

Eine Frau beugt sich über einen Mann und hält sein Kinn fest.

„Hamlet“ als einsame Suche in verkohlter Vergangenheit

Frank Castorf inszeniert das Shakespeare-Stück am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg als gallig intensives Rollenspiel.

Datum:
03.10.2025, 18:00 Uhr
Ende:
30.04.2026
Ort:

Deutsches Schauspielhaus

Kirchenallee 39

20099

Hamburg

Telefon:
040-248713
E-Mail:
kartenservice@schauspielhaus.de
Preis:
ab 21 Euro

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