Studierende mit Helmen und Warnwesten stehen um das taiwanesische Haus und beobachten die Handgriffe der Bauarbeiter auf der Nordbahntrasse. Neben den futuristischen Bauwerken aus Glas und Holz sieht das taiwanesische Haus ein wenig nackt aus.
Nur noch die Holzbalken und das aufgewölbte Blechdach zeugen vom einst innovativen Charakter des zerlegten Hauses. Es ist der Anfang vom Ende einer über dreijährigen Forschungsarbeit.
Studierende bauten die Häuser auf der Nordbahntrasse für den Solar Decathlon 2022
Die Zukunftshäuser in der Nähe des Mirker Bahnhofs kennen die meisten Wuppertaler vom Sehen. Seit dem Solar Decathlon 2022 stehen die glas-hölzernen Konstruktionen prominent nebenan der Trasse. Studierende aus 16 Ländern hatten sie binnen zwei Wochen aufgebaut – als Lösungen für nachhaltiges Wohnen in europäischen Städten.
Das taiwanesische Haus auf der Nordbahntrasse befindet sich bereits im Rückbau. Es hat den örtlichen Bedingungen nicht standgehalten.
© Benedikt Dahlmann
Nach dem Wettbewerb startete das Living Lab-Projekt. „Wir haben das Ziel, die Forschung von acht Demonstrationsbauten voranzutreiben und den Diskurs um klimafreundliches Bauen zu fördern“, sagt Katharina Simon, Projektleiterin am Lehrstuhl für Bauphysik der Uni Wuppertal.
Im Haus der RWTH Aachen übernachtet man in kleinen Schlafkapseln
Dafür lebten diesen Sommer Studierende der Uni Wuppertal je einen Monat in den Häusern. Sie testeten, wie es sich auf vier Quadratmetern wohnen lässt – etwa in den verschiebbaren Schlafkapseln des Hauses von der RWTH Aachen. „Die Studierenden haben sich gewundert, mit wie wenig Fläche man auskommt, wenn man gute Gemeinschaftsbereiche hat“, sagt Simon.
Häuser auf der Nordbahntrasse
Das Aachener Haus fällt durch ein weiteres Innovationsdetail auf: Rund um die Schlafkapseln sind etwa zehn Zentimeter große Vertiefungen in der Wand angebracht, sodass man je nach Bedarf Regale, Schreibtische oder Halterungen für Monitore einhängen kann. Insgesamt fällt auf, wie funktional und modern die Häuser eingerichtet sind, während gleichzeitig auf das Budget geachtet werden musste.
Das erste Haus auf der Nordbahntrasse ist bereits verschwunden
Nun werden erste Häuser abgebaut. Während ein niederländisches Team sein Gebäude bereits selbst demontiert und in die Niederlande zurücktransportiert hat, werden zwei weitere Häuser von einer Spezialfirma rückgebaut. Der Unterschied ist deutlich spürbar: „Man merkt, dass diejenigen, die das Haus gebaut haben, jeden Handgriff kannten. Eine Fachfirma geht anders vor“, sagt Simon.
Die Schlafkapsel im Haus der RWTH Aachen. In den Wänden sind die Schlitze, um Regale oder Tische einzuhängen.
© Benedikt Dahlmann
Zum Beispiel achtet die Firma hauptsächlich auf die Wirtschaftlichkeit des Rückbaus. Die beauftragten Fachkräfte müssen abwägen: Lohnt sich der Ausbau einer Schraube, oder geht es mit der Kettensäge schneller? Manche Materialien – wie die Alufassade – lassen sich gar nicht ohne Zerstörung lösen.
Das Projekt Living Lab NRW wurde bis 2026 verlängert
Für die verbleibenden Häuser wird nach Nachnutzungen gesucht. „Das Ziel ist, Lösungen zu finden, die dem Wettbewerbsgedanken entsprechen“, so Simon. Details will sie noch nicht verraten – entsprechende Ankündigungen sind erst für das kommende Jahr geplant.
Das Living Lab läuft noch bis Ende 2026. Bis dahin werden weitere Wohnphasen stattfinden und im November eine Veranstaltung zum Thema Rückbau. Simon zieht eine positive Bilanz. Besonders die Bürgerdialoge zu Fassadenbegrünung und Wärmepumpen sowie die Bildungsarbeit mit der Junior Uni seien erfolgreich gewesen: „Wir haben mit diesem Projekt einen Meilenstein gesetzt.“