„Dieses Statement ist keine Anklage und kein Vorwurf. Dieser Text ist kein Plädoyer gegen die BUW, dieser Text ist kein Plädoyer gegen das erzwungene Nachdenken der Universitätsspitze über Strategien und Formen der Umsetzung von Kürzungsvorgaben. Dieses Statement ist ein Plädoyer für das Studienangebot Architektur in Wuppertal, ein Plädoyer für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer gewachsenen Struktur und vor allem auch für die Menschen, die dort lernen, lehren und arbeiten. Dieser Appell ist vor allem ein Appell für Wuppertal, denn die Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen braucht die Stadt Wuppertal, vor allem und noch mehr braucht aber Wuppertal Architektur.
Unzweifelhaft ist es, dass Streichungen und Kürzungen in Landeshaushalten ausgerechnet in Bereichen wie Bildung, Forschung und Wissenschaft angesichts unser aller Beschwörung der Wichtigkeit von Wissenschaft und Bildung für die dramatischen Herausforderungen der Zeit keinen Sinn machen. Unredlich wäre es daher, der BUW vorzuhalten, dass sie sich mit Sachzwängen und Einsparvolumina konfrontiert sieht; das liegt nicht in ihrer Verantwortung.
Umgekehrt ist auch den Befürwortern eines Studien- und Lehrangebots Architektur in Wuppertal nicht vorzuhalten, sie wollten dann Kürzungen an anderer Stelle und zu Lasten anderer. Es ist ihr gutes Recht, mit sehr guten Gründen für den Erhalt der Fakultät inklusive Architektur zu streiten. Als Bundestagsabgeordneter, Wuppertaler Bürger und Zeuge des Wirkens dieses Fachbereichs über viele Jahre zähle ich zu den entschiedenen Befürwortern.
Die letzten Monate und Jahre zeigen, dass Wuppertals Bevölkerung eine Sehnsucht nach Sicherheit und Ordnung hat und zugleich Lust auf Zukunft. Ein Fachbereich Architektur, der zweifelsohne zu Reformen und Anpassungen bereit ist, passt zu dieser Wuppertaler Zukunftslust wie die Faust aufs Auge. Statt auf Bedenken und Hindernisse sollten wir uns in der Stadt mehr auf Möglichkeiten und Stärken konzentrieren.
Die ,Bauwende‘ und der ,Bauturbo‘ beweisen, dass die Themen Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung eine der absoluten Mega-Aufgaben Deutschlands sind. Aufgrund jüngster Beschlüsse werden viele Milliarden Euro genau in diesen Bereich fließen und müssen viel schneller und bedachter als bisher in Baumaßnahmen umgesetzt werden. Ein riesiger Bedarf an bezahlbarem, qualitativem, altersgerechtem Wohnraum trifft auf die Dringlichkeit der städtebaulichen Neuerfindung der Innenstädte und auf gewaltige Herausforderungen klimaschutzkonformer Räume.
Alle spüren, auch in unserer Stadt, dass wir angesichts von Vereinzelung, der Kollateralschäden von Social Media und privater wie politischer Echokammern auch öffentliche Räume der Begegnung benötigen. Anwendungsnahe Architektur in Forschung und Lehre ist entscheidend, um passende Konzepte für sozialräumlich gedachtes Wohnen, Leben, Arbeiten und Miteinander zu entwickeln. Das Bauingenieurwesen kann diese Aufgabe nicht zusätzlich übernehmen geschweige denn ersetzen. Bauwissenschaft und ,Sustainable Civil Engineering‘ sind eben nicht Architektur, auch nicht .Architektur light‘.
Der Aufschwung der BUW in den letzten Jahrzehnten hängt ganz eng mit der Öffnung hin zur Stadt und der Teilnahme am Wuppertaler Leben zusammen. Die Fachrichtung Architektur hat erheblich zur Sichtbarkeit und Erlebbarkeit der Universität in der Stadt beigetragen. Die Forschung und Lehre zur Architektur leisten seit Jahren einen sehr hohen Beitrag zur Strahlkraft der Uni in die Region und darüber hinaus. Massen von Leuten waren und sind von dem Solar Decathlon und dem Living Lab NRW begeistert. Das ist die Handschrift der Studiengangs ,Architektur‘.
Intensive Beteiligung an wesentlichen Stadtentwicklungsprojekten, Konzepte für interreligiöse Friedhöfe, die Arbeit an der konkreten Verbindung von Architektur, Öffentlichkeit und Kunst im städtischen Raum oder auch der Einsatz für Leuchtturmprojekte wie das Pina-Bausch-Zentrum zeugen von der Hingabe der Studierenden und Lehrenden an Wuppertal. Wir wünschen uns immer Wissenschaft, die sich nicht vor Gesellschaft scheut. Hier haben wir sie. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar. Sehen wir diese Lust auf Wuppertal und seine Gestaltung doch als eine Chance, aus der sich noch viel mehr machen lässt. Das tut unserer Stadt gut.
Das Fachgebiet Architektur der BUW gehört zu den führenden Institutionen bundesweit in Sachen nachhaltiges Bauen, Klimafolgenanpassung und Stadttransformation. Die Fakultät genießt ein hohes Renommee aufgrund der ausgeprägten Kompetenzen. Die Besetzung der Professuren erfolgte gerade zum Zweck, dieses besonders zukunftsträchtige Profil auszubilden.
Mit Circular Valley als Hot-Spot der Kreislaufwirtschaft, dem Know-how der Wuppertaler Fakultät, dem Wuppertal Institut und dem CSCP bietet Wuppertal außerordentliche Chancen, dauerhaft ein internationaler und nationaler Anziehungspunkt für dieses Themenfeld zu sein und auch die Wirkkraft der BUW noch weiter zu steigern. Nutzen wir dieses Potenzial. Eine Erweiterung der Angebotspalette um die Landschaftsarchitektur kam in der Vergangenheit leider nicht zustande.
Das Studiengebiet Architektur verweist auf eine eindrucksvolle Geschichte hier vor Ort. Wie auch im Falle der KiHo plädiere ich dafür, dass wir diese Tradition nicht sterben lassen, sondern würdigen und als Geschenk begreifen. Der Weg von über 140 Jahren architektonischer Ausbildung reicht von der Bauschule über die Kunstgewerbeschule, Ingenieurschule, die FH Architektur bis zum heutigen Uni-Studiengang.
Die Qualität der Lehre findet Niederschlag in hohen Bewertungen in Rankings, Absolventen aus Wuppertal sind gefragt und für ihre Flexibilität und Stärke in der praktischen Arbeit mit umfassendem theoretischen Fundament geschätzt. Der Arbeitsmarkt schreit nach Architektinnen und Architekten. Sehr viele der Studierenden arbeiten während des Studiums in Büros und innerhalb der Verwaltungen des bergischen Städtedreiecks. Sie bilden ein wertvolles Fachkräftereservoir für unsere Region.
Die Überschreitung der Regelstudienzeit ist im Fall Wuppertal besonders durch den finanziellen und familiären Hintergrund der Studierenden und die Angewiesenheit auf Einkommen durch Arbeit bedingt. Die Bundespolitik und damit ich als Abgeordneter haben sich da an die eigene Nase zu fassen, weil das BAföG-System trotz aller Reformen aktuell zu schlecht ist. Es ist ein unterstützungswürdiges Alleinstellungsmerkmal der Wuppertaler Fakultät, dass hier viele die ersten in der Familie sind, die ein Universitätsstudium absolvieren. Studiengänge insbesondere im Masterbereich wurden extra in Anbetracht geringer finanzieller Ressourcen flexibilisiert. Diese soziale Durchlässigkeit und die Vielfalt der Studierenden sind eine Stärke der bisherigen Fakultät.
Drittmittelhöhe, Studierendenzahl und Altersdurchschnitt des Kollegiums als im Raum stehenden Argumenten für ein Auslaufen des Studienfachs stehen die Strahlkraft, die Verankerung in Stadt und Region sowie enge Verbindungen zur lokalen Architektenszene gegenüber. Zudem beschränken die Bindung des Lehrkollegiums an die Praxis durch eigene Architekturbüros, der Fokus auf gute Lehre und die sehr schlanke Personalausstattung die Drittmittelakquise massiv. Die Studierendenzahl ist bei hohen Bewerberzahlen stabil, die Mehrzahl der Professuren endet pensionsbedingt erst 2030/32, so dass ein sukzessives, lineares Auslaufen des Studienbereich durch Nichtbesetzung von Professuren so gar nicht realisierbar ist.
Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat einstimmig einen Antrag gegen Beendigung und für Erhalt des Architekturstudiums in Wuppertal verabschiedet, die Berufsverbände BDA und BDB auf Bundes- und Landesebene haben mir gegenüber ihr glasklares Votum für die Fortschreibung des Studienfachs signalisiert. Die Fachszene steht geschlossen und solidarisch an der Seite der Wuppertaler Fakultät.
Insgesamt vernehme ich eine hohe Bereitschaft, konstruktiv, kreativ und mit Reformbereitschaft den Fachbereich weiterzuentwickeln und auch nicht bei einer reinen Bewahrung des Ist-Zustandes zu verharren. Der Ernst der Lage aufgrund des Einsparkorridors für die gesamte BUW ist allen bewusst, der Wille, sich sogar noch mehr als ohnehin schon bisher der Stadtgesellschaft gegenüber zu öffnen und Architektur als Zukunftsmotor für Wuppertal erlebbar zu machen, ist groß.
Das Studien- und Lehrangebot ist ein Angebot an Wuppertal und ein Angebot Wuppertals an das Land, praxisnah und anwendungsorientiert nachhaltiges Wohnen und nachhaltige Stadtentwicklung voranzubringen. Mit all meinen Kräften und Möglichkeiten stehe ich bereit, einen Prozess zum Erhalt und weiteren Aufbau des universitären Architekturstudiums mit Unterstützung, Vermittlung und Netzwerken zu begleiten.
Wuppertal braucht Architektur, denn Architektur macht Wuppertal schöner.“