Dass im Fürstenberg-Festzelt gut gespült wird, sieht Christian Goldemann auf den ersten Blick: „Der Schaum bleibt am Glas haften“, erklärt der Stuttgarter Biersommelier. Überhaupt ist der Experte von Kraftbier0711 mit dem Festbier auf dem Cannstatter Volksfest „sehr zufrieden“. Bei der Verkostungsrunde durch die Festzelte konnte er weder Nebenarmomen noch ungewöhnliche Geschmäcker entdecken. „Insgesamt wird hier sehr sauber gearbeitet“, lautet sein Fazit. Fünf verschiedene Biere von zwei Stuttgarter und einer badischen Brauerei werden auf dem Wasen ausgeschenkt, alle im untergärigen Stil gebraut, der Profidisziplin. Das beste stammt nach Ansicht von Christian Goldemann von einem Familienbetrieb. Bei der Bewertung der Biere schaut er auf die Farbe, analysiert den Duft und schließlich den Geschmack.

Das leichteste Bier auf dem Cannstatter Wasen: Fürstenberg Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

„Helles Bernstein, goldfarben, leicht orange“ lautet die Beschreibung für das Fürstenberg Export. „Feinporig und gut“ findet er den Schaum, der allerdings schnell verschwindet im großen, offenen Glas. Stroh, Gras und Toast-Aroma riecht Christian Goldemann, als „leicht, mild und hopfig“ empfindet er das Bier auf der Zunge, „als angenehm und erfrischend“. Die geringere Bitternote mache das Bier gefügig, erklärt der Experte, die stärkere Kohlensäure befördere den Trinkfluss. Ihm fehlt es aber etwas an Körper, das Bier wirkt für ihn „eher flach“. Seine Einstufung für das Export von Fürstenberg: „ganz gut gemacht“.

Wulle angenehm süffig

Ein „extra eingebrautes Volksfestbier“ von Wulle gibt es bei Göckelesmaier.. „Dunkles Bernstein mit rötlichen Einflüssen“ sagt Christian Goldemann zur äußeren Erscheinung. Das Bier gehe Richtung malzigeres Märzen, passe als Festbier deshalb gut auf den Cannstatter Wasen. „Der Schaum ist gut, cremig, dicht“, sagt der Sommelier. Im Bukett entdeckt er Noten von Toast und Nuss sowie Honig und etwas Karamell. Beim Trinken spürt die Zunge zunächst eine leichte Hopfenbittere, dann wird das Bier, das bei Dinkelacker gebraut wird, etwas süßer. Der stärkere Malzcharakter mache das Wulle „angenehm süffig“, erklärt der Sommelier.

Dinkelacker mit Zitrusnote

„Blütenhoniggelb“ ist dann das CD PiIs von Dinkelacker in der Pils Klau(s)se von Klauss & Klauss. Das Festzelt öffnet erst um 17 Uhr, die Maß mit dem Volksfestbier ist fürs Tasting noch nicht zu haben. Aber Christian Goldemann ist darüber nicht wirklich unglücklich, das kleinere Pilsglas eignet sich viel besser zum Verkosten. Außerdem bleibt das Bier länger frisch und die Kohlensäure verabschiedet sich nicht so schnell. Als blumig und hopfig beschreibt er das Bukett. Beim Trinken freut er sich über die typische Hopfenbittere, dazu gesellt sich eine Zitrusnote, zum Ausgleich ist genug Süße vorhanden. „Die Aromen kommen gut rüber“, sagt er. Seine Note für das vollmundige Pils lautet „echt gut“.

Schwabenbräu für Pilsfreunde

In der Schwabenwelt sorgt zunächst der mit einem Bild verzierte Krug für Aufmerksamkeit. „Das Auge trinkt mit“, freut sich Christian Goldemann. Mit seiner leicht rötlichen Farbe erklärt er dieses Volksfestbier zu einem eindeutigen Pils. Der Hopfencharakter macht sich mit einer Bitternote auf der Zunge zuerst bemerkbar und verweilt dann am Gaumen. In der Mitte ist das Bier seiner Meinung nach angenehm feinperlig. „Wer Pils mag, für den ist Schwabenbräu die richtige Wahl“, urteilt er, das würzige Volksfestbier sei „deutlich bitterer als die anderen“ im Test. Das Volksfestbier von Schwabenbräu ist eine weitere Marke von Dinkelacker.

Stuttgarter Hofbräu ist reichhaltig

Das Volksfestbier von Stuttgarter Hofbräu im Festzelt von Marcel Benz ordnet der Experte der Kategorie Lagerbier zu. „Es ist reichhaltiger und breiter als ein Pils“, sagt er. Die rötliche, dunklere Farbe bekommt es durch die Verwendung von mehr Stammwürze, was bei Festbieren üblich ist. Zwar spricht Stuttgarter Hofbräu von „einem vollen Malzkörper“, doch für Christian Goldemann ist das Bier kein Märzen. Die Zitrusaromen im Bukett breiten sich auch auf der Zunge aus – gefolgt von „etwas Hopfigkeit“, die bis in den Gaumen klettert. Der cremige, feinporige Schaum macht auch hier eine gute Figur. Obwohl die Brauerei zum Großkonzern Radeberger gehört, „schmeckt das Volksfestbier trotzdem gut“, räumt der Sommelier ein. Er nennt es sogar „wirklich lecker“.

Würde Christian Goldemann sich einen Abend lang durch alle Festzelt trinken, dann würde er seine Tour im Fürstenberg-Zelt mit dem mildesten Bier auf dem Volksfest beginnen. Er vermutet, dass es von allen die kürzeste Lagerzeit im Tank hatte. Anschließend genehmigt er sich das Pils von Dinkelacker, sein Siegerbier des Abends, dann folgen die Volksfestbiere von Stuttgarter Hofbräu, Schwabenbräu und Wulle, das er „am gehaltvollsten“ findet er. Acht Jahre ist es her, dass Bier zum „völlig übertriebenen Hobby“ von Christian Goldemann wurde. Mit anderen Vätern aus der Kita seiner Tochter kam er auf den Geschmack, gemeinsam gründeten sie den Blog Kraftbier0711 im Internet, sie besuchten unzählige Brauereien, büffelten monatelang für die Prüfung zum Biersommelier. „Uns geht es nur um den Geschmack“, sagt der 43-Jährige, der von Beruf Designer ist, verkostet werden die Biere aus aller Welt in kleinen Mengen.

Vom Volksfest etwas enttäuscht

Vom Volksfest, das eigentlich auch ein Bierfest ist, ist Christian Goldemann allerdings ein wenig enttäuscht. „Ich habe mehr Vielfalt erwartet“, sagt er. Etwas mehr Liebe fürs Handwerk, die Geschichte der Brauereien oder einfach „mehr Wertschätzung für das Getränk“ würde er sich wünschen. Auf dem Wasen sei „alles auf das schnelle Trinkvergnügen und den hohen Absatz ausgerichtet“. Und das ist seiner Meinung nach ein Fehler: Bier sollte besser gewürdigt werden, dann bekomme es auch einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft.