Am 24. September ging es zu später Stunde auch noch um den Bebauungsplan Nr. 410 „Lützner Straße / Karl-Heine-Kanal“, also das Gelände der ehemaligen Jutespinnerei, auf dem die Lewo 240 neue Wohnungen bauen will. Geplant ist, das Gebiet unter Berücksichtigung der Denkmalsubstanz als Wohnquartier mit gemischten Nutzungen in den Randbereichen und öffentlichen Wegen zu gestalten. Eigentlich etwas Gutes. Wäre da nicht die Geschichte dieser Fabrik, die am 24. September dann von SPD-Stadträtin Pia Heine thematisiert wurde.
Denn die SPD-Fraktion hatte einen Änderungsantrag zum Bebauungsplan eingereicht. Das hätte sie gar nicht erst getan, wenn die LEWO, die an der Lützner Straße bauen will, überhaupt auf die Kontaktversuche der SPD-Fraktion reagiert hätte.
Hat sie aber nicht. Manche Bauträger in Leipzig tun sich unheimlich schwer, auf solche Gesprächsangebote einzugehen, verschanzen sich hinter ihren Planungen und tun so, als wäre ihnen die öffentliche Wahrnehmung völlig egal.
Aber Nicht-Kommunikation ist eben auch eine Kommunikation. Und zwar keine gute.
Und so sah sich die SPD-Fraktion eben gezwungen, wie Pia Heine erklärte, einen Änderungsantrag zum B-Plan zu stellen, damit das Anliegen trotzdem Berücksichtigung findet. Im Antrag selbst ist es so formuliert: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich mit den Erschließungsträgern ins Benehmen zu setzen, wie an das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der ehemaligen Vereinigten Jute-Spinnereien und Webereien AG zur NS-Zeit im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur in geeigneter Weise auf dem Areal erinnert werden kann.“
An Zwangsarbeit erinnern
Eigentlich kein großes Ding. Aber eins der Erinnerung. Denn Leipzig war nun einmal im Zweiten Weltkrieg nicht nur ein Standort für die deutsche Rüstungsproduktion, sondern eben auch einer, wo Tausende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zum Einsatz kamen. Auch in der Jutespinnerei am Karl-Heine-Kanal.
„So wie in vielen Firmen wurden auch in der Vereinigten Jute-Spinnereien und Webereien AG in der Lützner Straße während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt – mindestens 125 Betroffene sind namentlich nachweisbar. Wir würden es daher im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur sehr begrüßen, wenn sich dieser Aspekt bei der Entwicklung des Areals in angemessener Form widerspiegeln würde“, heißt es im Änderungsantrag der SPD-Fraktion.
„Aus unserer Sicht könnte z. B. eine sogenannte ‘Stolperschwelle’ oder eine Auseinandersetzung mit der Thematik durch Kunst im öffentlichen Raum ein geeigneter Schritt sein, um dem Thema Raum zu geben. Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig, die über ausgewiesene Expertise auf diesem Feld verfügt, könnte hier aus unserer Sicht beratend einbezogen werden. Uns geht es darum, die Geschichte weder zu negieren noch zuzulassen, dass sie eine zukünftige Entwicklung des Areals überprägt.“
Zwangsarbeit sichtbar machen
Ja, selbst Jute und Textilien waren damals Teil der Kriegsproduktion. In der Jutespinnerei wurden unter anderem Garne für Zündschnüre und Kabel hergestellt. Alles archiviert im Nachlass eines der damals für die Fabrik zuständigen Geschäftsführer, der in Hamburg aufbewahrt wird. Von dorther bekam die SPD-Fraktion 2024 auch die Informationen.
Und während die LEWO sich jeder Kontaktaufnahme verweigerte, war es für Oberbürgermeister Burkhard Jung selbstverständlich, das Anliegen mit in die Vorlage zum Bebauungsplan aufzunehmen und es in einem städtebaulichen Vertrag festzuschreiben.
Was dann letztlich eine ganz offizielle Aufforderung an den Bauherren ist, das Thema in irgendeiner Form aufzugreifen und damit auch an diese Stelle sichtbar zu machen, dass es auch hier Zwangsarbeit gab.
Die Gesamtvorlage mitsamt dem Änderungsantrag bekam dann auch die einhellige Zustimmung der Ratsversammlung. Jetzt kann man gespannt sein, wie der Bauherr auf das Ansinnen eingeht und ob er tatsächlich eine würdige Form findet, an die Geschichte dieser alten Fabrikanlage zu erinnern.