Das NATO-Mitglied Tschechien galt bisher als wichtiger Unterstützer der Ukraine. Das Land nahm nicht nur Hunderttausende ukrainische Flüchtlinge auf, es galt auch beim Thema Waffenlieferungen als tatkräftiger Staat. Unter Fiala war Tschechien eines der ersten Länder, das Kampfpanzer, Hubschrauber und anderes Material an Kiew lieferte.
Vor eineinhalb Jahren startete dann die für Kiew wichtige „Munitionsinitiative“: Auf der ganzen Welt werden Artilleriegranaten ausfindig gemacht, aufgearbeitet und geliefert, um die Ukraine in einem Munitionsengpass zu entlasten. In diesem Jahr kamen laut Fiala bereits mehr als eine Million Schuss großkalibriger Munition in der Ukraine an. 2024 waren es rund 1,5 Millionen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Initiative wiederholt gelobt.
Babis gewinnt Parlamentswahl in Tschechien
Der 71-jährige Andrej Babis hat mit seiner Partei ANO die Parlamentswahl in Tschechien klar für sich entschieden und liegt nach Auszählung der Stimmen bei über 35 Prozent. ANO (Aktion unzufriedener Bürger) profitierte von populistischen Wahlversprechen und wird voraussichtlich die bisherige konservativ-liberale Regierung ablösen.
Babis will Initiative stoppen
Babis allerdings versicherte im Wahlkampf, dass eine Regierung unter ihm keine Waffen mehr an die Ukraine liefern und auch die „Munitionsinitiative“ stoppen werde. Letzteres bekräftigte er unmittelbar nach seinem Wahlsieg in einer Pressekonferenz erneut. Die „Munitionsinitiative“ sei „intransparent“, so der 71-jährige Multimilliardär.
Babis’ Partei ANO gewinnt Wahl
Im Wahlkampf hatte er vorgeschlagen, dass die NATO die Initiative übernehmen könnte, doch das scheidende Verteidigungsministerium wies diesen Vorschlag zurück: „Die NATO kauft kein Material für die Ukraine und kann dies auch nicht tun“, so das Ministerium in einer Stellungnahme gegenüber dem Onlinemedium Kyiv Independent. Militärische Hilfe in Form von Ausrüstungsspenden werde „immer von einzelnen Mitgliedern geleistet“.
Babis: Trump und EU sollen Krieg beenden
Babis macht keinen Hehl daraus, dass er das Engagement zurückschrauben und abwarten will, bis die internationale Spitzenpolitik den Krieg beendet. Tschechien habe hier keinen Einfluss: „Dieser Krieg ist schrecklich, und ich glaube, dass US-Präsident Donald Trump ihn in Zusammenarbeit mit den europäischen Spitzenpolitikern beenden wird“, so Babis. „Wir sind klar für die EU und für die NATO“, fügte er hinzu und wies die Vorwürfe der „prorussischen Haltung“ seiner Partei zurück. Auf eine Frage, wie sich die Ukraine gegen Russland wehren solle, sagte er, das sei „eine Frage an Herrn Trump und Selenskyj, nicht an mich“.
Reuters/Eva Korinkova
Tschechische Drohnen für die Ukraine
Die Regierungskoalition Spolu hatte in ihrem Wahlkampf stark mit ihrer Ukraine-Hilfe geworben. „Denjenigen, die nichts geben wollen, sage ich, dass sie Selbstmord begehen“, antwortete Fiala. „Die Russen kommen zu uns, wenn wir sie nicht stoppen.“ Die Haltung von Babis bezeichnete die Koalition als Sicherheitsrisiko.
Teuerung sorgte für Unmut
Allerdings wurde der Regierung vielfach vorgeworfen, zu viele Ressourcen auf die Unterstützung der Ukraine zu verwenden und dem eigenen Land zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Gerade angesichts einer zwischenzeitlich hohen Inflation von mehr als zehn Prozent und eines entsprechenden Kaufkraftverlusts, gestiegener Miet-, Energie- und Lebensmittelpreise und eines Budgetdefizits des tschechischen Staates dürfte bei vielen die Bereitschaft für eine Unterstützung der Ukraine abgenommen haben.
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Noch-Premier Fiala galt als wichtiger Unterstützer der Ukraine
In diese Kerbe schlug der unter dem Motto „Starkes Tschechien“ stehende Wahlkampf von Babis, der nun auch nach Mehrheiten suchen muss. Derzeit plant der 71-Jährige, eine „einfärbige“ ANO-Regierung, die von der rechtspopulistischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura und einer neuen Autofahrerpartei namens Motoristen geduldet wird. Beide Parteien gelten als EU-Gegner und könnten entsprechenden Druck auf Babis machen.
Neue alte Allianz mit Slowakei und Ungarn
Zudem will Babis die Beziehungen zu den Visegrad-Staaten Slowakei und Ungarn wieder stärken, den derzeit Russland politisch am nächsten stehenden EU-Staaten. Deren Haltung im Ukraine-Krieg hatte unter der amtierenden Regierung die Beziehungen belastet. Babis selbst gilt zwar nicht als besonders russlandaffin, die neuen Allianzen könnten aber eine Rolle spielen.
Babis erklärte auch, dass die EU- und die NATO-Mitgliedschaft Tschechiens für seine ANO-Partei unantastbar seien. Trotzdem dürfte Prag künftig mehr Druck in Brüssel ausüben. Auf der ersten Sitzung seines künftigen Kabinetts wolle er offiziell den EU-Migrationspakt ablehnen, sagte Babis am Wahlabend. Seit Jahren stellt sich Babis kritisch gegen die Euro-Einführung in Tschechien, zudem will er EU-Klimaschutzmaßnahmen entgegentreten.
ANO mit deutlichem Abstand vorne
Tschechien hatte am Freitag und Samstag in einer zweitägigen Wahl das Parlament bestimmt. ANO kam dabei auf rund 35 Prozent, Spolu auf 23 Prozent. Das Bündnis besteht aus Fialas konservativer Demokratischer Bürgerpartei (ODS), der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) und der bürgerlich-liberalen TOP 09.
Die rechtsliberale Bürgermeisterpartei (STAN) kam auf elf Prozent, die Piraten auf neun und die rechtspopulistische SPD auf acht Prozent. Den Einzug ins 200-köpfige Abgeordnetenhaus schafften noch die Motoristen mit sieben Prozent. Das linke Bündnis Stacilo! (dt.: Genug!) lag mit 4,3 Prozent knapp unter der fünfprozentigen Wahlhürde. Die Beteiligung lag bei fast 70 Prozent.