Vor knapp zwei Wochen konnte die Polizei in Stuttgart einen dreisten Betrugsversuch aufdecken: Eine 32-jährige Frau versuchte, mit einem gefälschten Reisepass die Sprachprüfung zu bestehen – ein wichtiger Schritt für Aufenthaltstitel oder Familiennachzug. Seit 2008 muss zudem jeder Zuwanderer einen Sprachtest ablegen, wenn er den deutschen Pass haben möchte.
Die Frau erschien laut Polizeimitteilung an einem Sprachzentrum in der Burgenlandstraße in Stuttgart-Feuerbach und wollte sich mit dem Fake-Reisepass, der die Personalien einer 45-jährigen Irakerin zeigte, anmelden. Eine Mitarbeiterin bemerkte das gefälschte Dokument allerdings sofort und informierte die Polizei. Die Betrügerin wurde festgenommen und einem Richter vorgeführt – seitdem sitzt die deutsche Staatsangehörige in Untersuchungshaft. Die Polizei geht davon aus, dass die 32-Jährige nicht aus reiner Nächstenliebe gehandelt haben soll. Heißt: Wahrscheinlich ist für ihren Auftritt im Sprachzentrum Geld geflossen.
Empfohlene Artikel
Online-Werbung: „Einbürgerung – ohne Schule und Prüfung“
Dieser Fall ist Teil eines größeren Musters von Betrugsmaschen rund um Sprachtests in Baden-Württemberg und bundesweit. Nicht nur setzen manche Prüflinge Bekannte und Verwandte ein, um die Prüfungen zu meistern, sondern setzen auf kriminelle Hilfe.

In den sozialen Netzwerken – hier auf TikTok – versuchen Betrüger, gefälschte Sprachnachweise zu verkaufen. Diese sind unter anderem für eine Einbürgerung erforderlich. (Foto: Screenshot TikTok/Bearbeitung SZ)
In den sozialen Medien machen die Betrüger auf ihr Angebot aufmerksam. Auf der Videoplattform TikTok etwa wird mit Versprechen wie „Einbürgerungstest – ohne Schule, ohne Prüfung“ und „Wir helfen in allen Bundesländern“ geködert. Die Videos sind meist – aber nicht ausschließlich – mit arabischer Musik unterlegt. Die RTL-Investigativjournalistin Liv von Boetticher berichtete im Zuge ihrer Recherche: „Die TikTok-Händler sind routiniert, bieten ihre Waren fast schon bedarfsgerecht und sehr serviceorientiert an. Auch für eine sich im Ausland befindende fiktive Afghanin hätten wir ein Zertifikat bekommen können.“
Empfohlene Artikel
Bundesweites Netzwerk an Doppelgängern
Die Polizei Heilbronn deckte erst kürzlich einen umfangreichen Fall auf, bei dem ein bundesweites Netz von Doppelgängern im Einsatz war. Dabei ging es konkret um Führerscheine. Die Ermittler vermuten jedoch, dass solche Methoden von organisierten Banden systematisch genutzt werden. Profis, die den Prüflingen ähneln, schreiben sich mit deren Ausweisen für die Prüfungen – in diesem Fall die theoretische Führerscheinprüfung – ein.
Im Mittelpunkt der Ermittlungen stand ein 52-jähriger Fahrschulinhaber aus Heilbronn, der mutmaßlich seit 2022 ein System von Stellvertreterprüfungen betrieben und damit erhebliche Einnahmen erzielt haben soll. Dabei arbeitete er mit einem 38-jährigen Bulgaren zusammen, der Interessenten vermittelte, sowie mit einem 37-jährigen Syrer, der laut Anklage für die Organisation der optisch passenden Stellvertreter verantwortlich war. Dieser soll vom Fahrschulbetreiber die Ausweise der eigentlichen Prüflinge erhalten haben, um geeignete Doppelgänger zu finden und zu koordinieren. Auch eine Fahrschule in Göppingen profitierte nach Ermittlerangaben von diesem Geschäftsmodell.
Die Stellvertreter sollen dafür häufig weite Strecken zurückgelegt und sich optisch den Prüflingen angepasst haben. Für die Nutzung ihrer Dienste zahlten die Fahrerlaubnisbewerber Ermittlern zufolge bis zu 5.000 Euro. Am 25. Juni 2025 wurden in einer großangelegten Aktion zwölf Haftbefehle vollstreckt und 29 Objekte in fünf Bundesländern sowie in Bulgarien durchsucht. Die Hauptakteure sollen sich seither in Haft befinden, die Ermittlungen dauern an.
Betrüger fälschten selbst Webseite und QR-Codes
Zwei Brüder aus dem Rems-Murr-Kreis setzten auf eine ebenso ausgeklügelte Masche. 2024 standen die beiden vor Gericht, weil sie nachweislich über 350 gefälschte Zertifikate verkauft hatten. Über eine Sprachschule in Ellwangen und einen Treffpunkt in Backnang wickelten sie ihr lukratives Geschäft ab, sogar mit eigenem Server und einer Webseite, auf die ein QR-Code auf den gefälschten Zertifikaten verwies. Die Fake-Dokumente wurden den Kunden nach Zahlung von bis zu 2.700 Euro pro Stück ausgehändigt. Teilweise wurden die Zertifikate auch per Post versandt.
Empfohlene Artikel
Die Staatsanwaltschaft stellte fest, dass viele der gefälschten Papiere nachfolgend für Einbürgerungsverfahren verwendet wurden. Das Landgericht Stuttgart verurteilte die zwei aus dem Kosovo stammende Serben zu mehrjährigen Haftstrafen. Die Brüder hatten durch das Ausstellen gefälschter Zertifikate über 300.000 Euro eingenommen. Die Anklage warf ihnen bei Prozessbeginn gar Einkünfte von rund 880.000 Euro vor.
Prüfungsfragen auf Telegram verkauft
Im vergangenen Jahr erregte in Norddeutschland ein Vorfall Aufmerksamkeit, bei dem Prüfungsfragen illegal weiterverkauft wurden. In Nordrhein-Westfalen wurde entdeckt, dass in Telegram-Gruppen die Fragen für den „Deutschtest für Zuwanderer“ (DTZ) etwa zwei Tage vor der Prüfung zum Kauf angeboten wurden. Recherchen des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zufolge konnten Kursteilnehmer durch dieses Angebot einen unfairen Vorteil erlangen. Die Telegram-Gruppe bestand aus 52 Mitglieder – Kosten für die Mitgliedschaft: 50 Euro. Nochmals 200 Euro wurden fällig, wenn jemand die Prüfungsfragen wollte, berichtete die Redaktion.
Die Prüfungen gelten also trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen, bei denen Prüfungsunterlagen in versiegelten Umschlägen an die Prüfstellen geliefert werden, als gefährdet. Experten sprechen allgemein von einem Trend, der nicht nur den deutschen Behörden Sorgen bereitet, sondern auch den fairen Prüfungswilligen schadet.
