Haustiere haben wir alle. Ob wir wollen oder nicht. Tierchen, die es gern warm lieben, kuschelig und voller leckerer Nahrungsangebote. Und damit sind keine Hunde, Katzen oder Meerschweinchen gemeint. Sondern jene Tierchen, die manche Leute entsetzt auf die Stühle springen lassen. Oder kreischend um Hilfe rufen. Und dazu gehören nicht nur die Spinnen, die an schönen Sommerabenden durch Fenster gekrabbelt kommen und anfangen, hübsche Netze zu bauen. Eine ganze Welt zum Entdecken. Auch für die Kleinen.
Ob die sich dann tatsächlich Lupe, Taschenlampe, Aquarium und Sprühflasche zulegen, um sich an die Domestizierung unserer kleinsten Mitbewohner zu machen, ist dann wohl eher die Frage starker Nerven bei Kindern und Eltern. Auch daher, weil etliche dieser kleinen Wohnungsgenossen ganz und gar nicht nett und stubenrein sind.
Manche sind gierig auf unser Blut, andere auf das Brot in der Küche. Manche können ein Bad in einen Ort des Horrors verwandeln. Und wieder andere sind die Verursacher von einige nicht wirklich netten Krankheiten.
Das Buch, das die Grafikerin Lena Zeise hier also gestaltet hat, dürfte für einige familiäre Gespräche sorgen. Denn für gewöhnlich tut man ja alles, um diese Tierchen schleunigst aus der Wohnung zu befördern und sie nicht auch noch im Aquarium zu züchten.
Da kann man was lernen
Andererseits: Wo lernt man eigentlich etwas für unsere manchmal ganz und gar nicht so angenehmen Mitbewohner? In der Schule ganz offensichtlich nicht. Und wenn man sie eiligst ins Freie befördert oder andere martialische Methoden anwendet, um ihnen das Zusammenleben zu vergällen, auch nicht. Das Buch lädt im Grunde dazu ein, die Tierchen tatsächlich einmal genauer zu beobachten und dabei eine Menge zu lernen über die 15 – na ja – beliebtesten Spinnen und Insekten im Haus.
Und zwar im Großformat. Denn was man oft nur unter der Lupe sehen kann, hat Lena Zeise in großen, krabbeligen Bildern gezeichnet. Ein Messkärtchen im Buch hilft dabei, die tatsächliche Größe der kleinen Hausgenossen auszumessen.
Von denen es natürlich mehr als 15 Arten gibt. Aber mit den wichtigsten sollte man ja anfangen und erfahren wollen, was sie so fressen, wie sie sich vermehren, wo sie sich verstecken und welchen Schaden sie anrichten. Dass sie dabei oft sehr spezialisierte Lebewesen sind, die überhaupt nicht zufällig in den Wohnhöhlen der Menschen auftauchen, erfährt man dabei natürlich auch. Jedes Tierchen hat einen doppelseitigen Steckbrief bekommen.
Und dass die wissenschaftlichen Fakten stimmen, dafür hat Vera Kaunath von der Uni Potsdam gesorgt. Womit eigentlich klar ist: Dieses Buch ist vor allem für Kinder gedacht, die es wirklich wissen wollen. Die nicht anfangen zu kreischen, wenn eine Stubenfliege über den Teller krabbelt, sondern losflitzen, um die Lupe zu hohlen und das Glas, um das Tierchen einzufangen und eingehend zu studieren.
Oder überhaupt erst einmal herauszukriegen, ob es wirklich eine Stubenfliege ist oder nicht doch eine Goldfliege oder eine Schmeißfliege. Es ist ja nicht nur bei Fliegen so: Es gibt nicht nur eine Art, die es darauf angelegt hat, in den Wohnungen der Menschen was zum Futtern zu finden (und an die Fensterscheibe zu kacken), sondern viel, viel mehr.
Früher sogar noch viel mehr. Das verrät das Buch in diesem Fall nicht. Denn dass all diese Krabbler die menschliche Nähe suchen, hat auch mit der Domestizierung des Menschen zu tun und damit, dass Menschen Jahrtausende lang mit Schafen, Kühen, Ziegen und Schweinen auf engstem Raum zusammenlebten und Hygiene noch nicht wirklich erfunden war.
Immer dem Menschen hinterher
Kühlschränke auch nicht. Da fanden es nicht nur Mäuse toll, dass sie bei Menschen gut gefüllte Speisekammern fanden. Und aus der Insektenwelt sind eben viele Tierchen geblieben, die mit dem Menschen auch in die etwas hygienischeren Wohnverhältnisse umgezogen sind, wie wir sie heute haben. Wo sie natürlich auffallen und für Aufregung sorgen, weil wir sie dort in der Regel nicht mehr haben wollen.
Weder die Fruchtfliegen, noch die Mehlmotten, weder den Brotkäfer (der es tatsächlich auf unser Brot abgesehen hat), noch den Nagekäfer, dessen Larven es als Holzwurm sogar auf unsere Holzmöbel abgesehen haben. Schon gar nicht die Silberfischchen, die sich im Abfluss wohlfühlen, oder die ganze Rasselbande der Schaben, für die unser Müll ein wahres Paradies ist.
Man darf sogar ein bisschen staunen beim Blättern, wie viele Tierchen es nach wie vor in unserer doch eigentlich ordentlich gesäuberten Welt gibt, meistens unsichtbar und heimlich. Manchmal aber auch Auslöser dramatischer Vorgänge, wenn sie es – wie Menschenfloh, Kopflaus und Mücke – auf unser Blut abgesehen haben.
Die gemeine Bettwanze nicht zu vergessen, die sogar schon mal für Schlagzeilen sorgen kann, wenn sie in ganzen Hotels zur Plage wird. Während man die Kellerassel nur trifft, wenn man sich mal in den Keller traut, und die Blattlaus eher unsere geliebten Balkonpflanzen besiedelt. Wogegen es ja bekanntlich ein gefräßiges Gegenmittel gibt: den Marienkäfer, für den die Blattlaus Leib- und Magenspeise ist.
Wer traut sich?
Kinder, die sich dieses Buch zugelegt haben, wissen hinterher mehr über all das, was in der Wohnung lebt und krabbelt, als die meisten Erwachsenen. Sie wissen, was die Tierchen fressen, wo sie sich verstecken und wie (schnell) sie sich vermehren, ob man Angst vor ihnen haben muss oder sie tatsächlich mal zur Beobachtung in ein Aquarium sperren kann.
Und nicht ganz grundlos weist Lena Zeise darauf hin, dass Insekten auch bei erfahrenen Forschern beliebte Untersuchungsobjekte sind. Das berühmteste ist ja bekanntlich die Fruchtfliege. Und manche dieser kleinen Krabbler sind auch gar keine Insekten, nur Krebse, die sich ans Land verirrt haben – wie die Asseln.
Ob sich Eltern dann freilich breitschlagen lassen, den neugierigen Knirpsen die Ausstattung für ein Insekten-Labor zu spendieren, ist dann wohl eher eine Frage von geteiltem Forschergeist und einer gewissen Abgebrühtheit, die man als Erwachsener ja größtenteils verloren hat, weil man weiß, wie schnell die unerwarteten Haustiere tatsächlich zur Plage werden können. Eben weil sie sich in menschlichen Wohnhöhlen nur zu wohlfühlen. Spannung also in Kinderzimmer: Trauen sich die Großen, das Buch anzuschaffen oder nicht?
Lena Zeise „Hui, Spinne! Haustierchen halten für Anfänger“ Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2025, 16 Euro.