Älterer Herr Pfleger

Aufgrund der demografischen Entwicklung müssen sich rheumatologische Praxen und Kliniken zunehmend um ältere Patienten kümmern. Dadurch rücken geriatrische Syndrome, Multimorbidität und Polypharmazie stärker in den Fokus. Auf dem Deutschen Rheumatologie Kongress 2025 stellte PD Dr. med. Björn Bühring praxisnahe Strategien für das Management geriatrischer Patienten vor und betonte die Bedeutung des 5M-Konzepts als strukturierendes Instrument.

Demografischer Wandel und Multimorbidität

Bis 2050 wird die Zahl der über 65-Jährigen deutlich ansteigen, während die Gruppe der 15- bis 64-Jährigen schrumpfen wird. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind ein wichtiger Einflussfaktor von Multimorbidität. Typische Erkrankungen sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, Diabetes, Tumorerkrankungen und Depressionen. Daten zeigen, dass mehr als 40 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis oder systemischem Lupus erythematodes an arterieller Hypertonie leiden, bis zu 30 % Osteoporose entwickeln und die Prävalenz von Depressionen je nach Erkrankung bei bis zu 46 % liegt.

Einfluss geriatrischer Probleme auf die Funktionalität

Neben den klassischen Begleiterkrankungen sind geriatrische Probleme wie Einschränkungen bei den Alltagsaktivitäten, Hör- und Sehstörungen, kognitive Defizite, chronische Schmerzen und Stürze von erheblicher Relevanz. In Studien berichteten bis zu 90 % der Patienten über chronische Schmerzen, 57 % über Depressionen und mehr als 40 % über Mobilitätseinschränkungen. Die Zahl geriatrischer Probleme korreliert nahezu linear mit einer Verschlechterung der Funktionsscores, wie dem Health Assessment Questionnaire (HAQ).

Das 5M-Konzept als Leitfaden für die Praxis

Zur Strukturierung komplexer geriatrischer Versorgungssituationen hat sich das international etablierte 5M-Konzept bewährt. Es umfasst die Bereiche Mind, Mobility, Medication, Multicomplexity und Matters Most. Unter „Mind” werden Demenz, Delir, Depression und kognitive Beeinträchtigungen zusammengefasst. „Mobility” bezieht sich auf Gang, Sturzrisiko, Mobilitätshilfen und körperliche Aktivität. „Medication” bezieht sich auf Polypharmazie und das Risiko einer potenziell inadäquaten Medikation. „Multicomplexity” bezieht sich auf das Management multipler Erkrankungen und sozialer Faktoren. „Matters Most“ betont die individuellen Ziele und Prioritäten der Patienten.

Erhöhtes Demenzrisiko bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für Demenz. Am stärksten ausgeprägt ist dieses Risiko bei systemischem Lupus erythematodes mit einer Risikoerhöhung um 46 %. Auch bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder Sklerodermie ist das Risiko signifikant erhöht. In der Praxis sind Screening-Tools wie der Mini-Cog hilfreich, um kognitive Defizite frühzeitig zu erfassen. Die Kognition spielt zudem eine zentrale Rolle für das Selbstmanagement der Erkrankung, beispielsweise bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten oder bei Therapiepausen.

Sarkopenie als unterschätzte Komorbidität

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Sarkopenie als häufige Begleiterkrankung im Alter. Aktuellen Daten zufolge sind rund 30 % der Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis davon betroffen, was deutlich höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Besonders gefährdet sind Patienten mit hoher Krankheitsaktivität. Sarkopenie geht mit erhöhter Sturzgefahr, Gebrechlichkeit und reduzierter Alltagsfunktion einher.

Zur Diagnostik stehen einfache Screening-Instrumente wie der SARC-F-Fragebogen sowie Muskelfunktionstests zur Verfügung. Ergänzend können Muskelparameter mit Methoden wie Bioelektrische Impedanzanalyse, Ultraschall oder bildgebenden Verfahren bestimmt werden. Unter konventionellen DMARDs wiesen die Patienten ein um rund 30 % niedrigeres Risiko auf, was die Bedeutung einer effektiven Krankheitskontrolle unterstreicht.

Polypharmazie und Leitlinienkonflikte

Bis zu 81 % der geriatrischen Patienten in der Rheumatologie sind außerdem von Polypharmazie betroffen. Dieses Risiko steigt mit der Zahl der Begleiterkrankungen sowie der parallelen Anwendung mehrerer sich teilweise widersprechender Leitlinien. Dies bedeutet für die Versorgung eine hohe Komplexität mit dem Risiko von Interaktionen, inadäquaten Dosierungen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Entscheidend sind hier systematische Medikamentenreviews, ein strukturiertes Deprescribing und die enge Zusammenarbeit mit klinischen Pharmakologen.

Strukturierte Ansätze für komplexe Versorgungssituationen

Die wachsende Zahl älterer Patienten mit rheumatischen Erkrankungen macht deutlich, dass klassische krankheitsspezifische Strategien allein nicht ausreichen. Gefordert sind individuelle Konzepte, die über die reine Krankheitskontrolle hinausgehen und sowohl kognitive als auch funktionelle Ressourcen im Blick behalten. Eine zentrale Rolle spielen dabei interdisziplinäre Teams aus Rheumatologie, Geriatrie, Pharmakologie, Physiotherapie und psychosozialer Betreuung. Das 5M-Modell bietet hierfür eine strukturierte Orientierung, indem es medizinische, funktionelle und psychosoziale Aspekte systematisch berücksichtigt. Entscheidend ist, frühzeitig Risiken zu erkennen und präventiv entgegenzuwirken, um die Selbstständigkeit zu erhalten und Therapieziele an den persönlichen Prioritäten der Patienten auszurichten.