Einst war er gefeierter Meisterstürmer von Bayer Leverkusen, nun versucht Victor Boniface sein Glück bei Werder Bremen. Bekommt der verletzungsgeplagte 24-Jährige noch mal die Kurve?

Letzte Ausfahrt Bremen? Victor Boniface, der Bayer Leverkusen 2024 noch zum nationalen Double geschossen hatte, versucht in dieser Spielzeit nach zahlreichen Verletzungsproblemen sein Glück bei Werder Bremen, aber bislang ist der Knoten noch nicht geplatzt. Wie lange haben die Hanseaten noch Geduld mit dem nigerianischen Topstürmer?

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24 Jahre ist Boniface erst alt, doch seine Verletzungshistorie liest sich schon jetzt wie ein Horror-Buch, umfasst zwei Kreuzbandrisse, einen längeren Ausfall aufgrund einer Adduktoren-Operation sowie eine langwierige Oberschenkelverletzung. Der mit immensem Potenzial gesegnete Angreifer ist auch deshalb momentan nur ein Schatten seiner selbst.

Werder war sich des Risikos bewusst

Daher fordert Bremens Geschäftsführer Profifußball Clemens Fritz Geduld ein: „Für uns war klar, dass wir vielleicht ein Stück weit ein Risiko eingehen, weil er nicht bei seinem hundertprozentigen Level ist“, sagte Fritz im SPORT1 Doppelpass zum Transfer des verletzungsanfälligen Stürmers. „Trotzdem haben wir den Anspruch und auch die Überzeugung, dass wir ihn da hinbringen können.“

Natürlich habe der einst gefeierte Boniface „das eine oder andere Wehwehchen im Körper, wir müssen da eben auch über Belastungssteuerung kommen. Trotz alledem trauen wir uns das zu. Wir freuen uns, dass er einen wichtigen Platz in unserer Kabine einnimmt, und wir wollen ihn auch dahin bringen, dass er einen wichtigen Platz auf dem Platz einnimmt.“

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Denn Fakt ist: Ein fitter und gesunder Boniface macht so gut wie jeden Klub besser, weiß auch der 44 Jahre alte frühere deutsche Nationalspieler, der von 2006 bis 2017 selbst für Bremen gespielt hatte. „Man muss ehrlicherweise sagen: Wenn Victor Boniface in den letzten Wochen und Monaten an sein Leistungsoptimum rangekommen wäre, dann hätten wir ihn jetzt nicht in Bremen. Für uns war das schon klar, dass wir mit ihm arbeiten müssen.“

Medizincheck-Posse in Mailand

Beinahe wäre der Nigerianer gar nicht mehr auf dem Markt gewesen, sein fester Wechsel von Leverkusen zur AC Mailand war bereits beschlossene Sache, ehe eine unfassbare Medizincheck-Posse einen Strich durch die Rechnung machte und Boniface somit auf den letzten Drücker auf Leihbasis und zum Schnäppchen-Preis in Bremen landete – eine der größten Überraschungen des Transfersommers war perfekt.

Bis dato war Boniface aber noch überhaupt kein Faktor bei Werder. In seinen vier bisherigen Bundesliga-Partien wurde er viermal eingewechselt, konnte aber noch keine Bäume ausreißen. Am Samstag beim hart umkämpften 1:0-Erfolg gegen den FC St. Pauli ließ der nigerianische Nationalstürmer in der Nachspielzeit den zweiten Treffer liegen, als er zunächst einen Gegenspieler ins Leere rutschen ließ, dann aber in aussichtsreicher Position knapp am Tor vorbeischoss.

Bezeichnend jedoch in dieser Aktion: Der einst so explosive Akteur war eigentlich auf und davon, ehe ihm das Tempo ausging – vor zwei Jahren noch undenkbar. „Normalerweise: Wenn er seinen absoluten Top-Speed hat und 100 Prozent fit ist, dann muss er da gar nicht in die Zweikämpfe, sondern dann läuft er blank auf den Torwart zu“, sagte SPORT1-Experte Stefan Effenberg. „Er tut sich nach wie vor ein bisschen schwer, aber jetzt hast du die Länderspielpause, wo du da dran arbeiten kannst.“

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Steffen nimmt Boniface unter die Fittiche

Das tut Bremens neuer Trainer Horst Steffen bereits seit geraumer Zeit. „Da kann ich auch nur Horst Steffen und seinem Team ein großes Kompliment aussprechen“, erklärte Fritz. „Sie arbeiten sehr, sehr intensiv mit ihm, sie sind viel im Austausch, viel im Dialog mit ihm. Es ist ja auch eine Chance für ihn, sich in Bremen wieder zu zeigen, sich in Bremen hundertprozentig fit zu machen.“

Es würde aber nichts bringen, „wenn wir Victor jetzt einfach reinschmeißen, halbfit oder 80 Prozent fit, wie auch immer. Wir arbeiten mit ihm weiter, wir sind überzeugt von ihm und ich bin total überzeugt, dass wir noch eine Menge Spaß mit ihm haben werden.“ In der Mannschaft kommt Boniface jedenfalls gut an: „Er ist schon auch ein introvertierterer Typ. Trotz alledem: Wenn man ihn in der Kabine sieht, er hat immer ein Lächeln im Gesicht. Er hat so eine gewisse lockere Art, eine lockere Leichtigkeit.“

Mit dieser konnte er in Leverkusens Meistersaison 14 Bundesliga-Tore erzielen, obwohl er elf Partien aufgrund der bereits erwähnten Adduktorenverletzung verpasst hatte. Dazu kamen zwei Tore im DFB-Pokal und fünf weitere in der Europa League. Und auch in der vergangenen Saison gelangen ihm immerhin zehn Pflichtspieltore, obwohl er seinen Status als Nummer eins im Angriff der Werkself verloren hatte.

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Skurrile Instagram-Posts

Während Boniface auf dem Rasen noch nicht für Aufsehen sorgen konnte, tut er dies regelmäßig auf Instagram mit teils skurrilen Posts. „Selbst wenn eine Tomate nicht rot ist, kann eine Kuh keine Schlange sein, weil Kartoffeln und Marmelade keine Geschwister sind“, schrieb der Stürmer nach der Partie gegen St. Pauli. Vor einigen Wochen philosophierte er: „Das Leben ist wie ein Schuh, man kann keine Kuh trinken, weil die Erde eine Karotte ist. Denkt mal drüber nach.“

Während Effenberg die Posts als „schräg“ empfindet, fühlt sich Fritz in die Kunstwelt versetzt: „Ich würde mal behaupten, dass wir alle schon mal in einer Galerie gewesen sind, vor einem Kunstwerk der abstrakten Kunst standen und uns gefragt haben: Was will uns der Künstler eigentlich damit sagen? Das ist doch bei Boni genauso. Wir bei Werder fragen uns dann auch: Was will er uns damit sagen?“

Es sei aber „wichtig, auch mal Dinge wegzulächeln, nicht alles zu hoch zu hängen. Solange das in den Werder-Kompass, zu den Werder-Werten passt, ist das auch total ok. Das ist auch eine andere Generation, die Jungs sind in Social Media unheimlich aktiv. Ich verstehe das auch nicht alles, ehrlicherweise. Ich will es auch gar nicht alles verstehen. Aber wenn was passiert, wo wir reingehen müssen, dann werden wir das auch tun.“

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Wie auch immer: Mit seinen 24 Jahren scheint Boniface schon am Scheideweg zu stehen. Kann er seiner Karriere in Bremen neuen Schwung verleihen oder versinkt er in der Bedeutungslosigkeit? „Ihm muss ganz einfach auch bewusst sein, dass es für ihn eine Chance ist“, betonte Fritz. „Denn es gibt auch eine Zeit nach Bremen, eine Zeit nach Leverkusen, und deswegen ist es unser Anspruch, gemeinsam mit ihm, ihn in die bestmögliche Verfassung zu bekommen, weil er dann für uns unheimlich wertvoll ist.“