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Während russische Raketen Lwiw treffen, erscheinen chinesische Spionagesatelliten über der Stadt. Kiew spricht von direkter Datenhilfe für Moskau.

Lwiw – Während der schwersten russischen Luftangriffe seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind über der westukrainischen Region Lwiw mehrfach chinesische Satelliten beobachtet worden. Sie kreisten während der Einschläge über dem Gebiet, als Raketen und Drohnen Industrieanlagen, Energieversorgung und Wohnhäuser trafen. Der Vorfall wirft brisante Fragen zur möglichen Rolle Chinas im russischen Angriffskrieg auf.

Schon seit Monaten wächst in Kiew die Sorge, Peking könne Moskau nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch indirekt unterstützen. Die gleichzeitige Präsenz mehrerer chinesischer Spionagesatelliten über Lwiw während des Großangriffs gilt nun als weiteres Indiz für eine enge Kooperation im Bereich der Aufklärung. Für Beobachter deutet vieles darauf hin, dass China längst mehr als ein neutraler Akteur im Konflikt ist.

Brennendes Gebäude und startende SatelitenraketeEin brennendes Gebäude in Lwiw nach einem russischen Raketen- und Drohnenangriff in der Nacht zum 5. Oktober – zeitgleich registrierten Beobachter chinesische „Yaogan“-Satelliten über der Region. Rechts im Bild: Start einer chinesischen Trägerrakete des Typs „Langer Marsch“ mit einem Aufklärungssatelliten. © Foto links: IMAGO / Anadolu Agency | Foto rechts: IMAGO / XinhuaChina spioniert für Putin-Armee die Ziele für Ukraine-Angriffe aus

Nach ukrainischen Militäranalysten, berichtet das Portal Militarnyi, überflogen in der Nacht zum 5. Oktober mindestens drei Satelliten der chinesischen „Yaogan-33“-Serie – namentlich Yaogan 33, 33-03 und 33-04 – die Region Lwiw. Insgesamt wurden zwischen Mitternacht und etwa 11:30 Uhr neun Passagen über dem Gebiet gezählt. Die Systeme gelten als hochentwickelte Radar- und Aufklärungssatelliten, die Bewegungen am Boden, Funksignale und Wärmespuren erfassen können.

Gegen 6:00 Uhr sei zudem, schreibt die Ukrainska Pravda, der optische Aufklärungssatellit Yaogan 34 über der Westukraine festgestellt worden. Solche Satelliten umkreisen die Erde in rund 700 Kilometern Höhe und benötigen etwa 90 Minuten für eine vollständige Umrundung. Insgesamt sind mehr als 60 Satelliten der Yaogan-Serie in Betrieb, deren Umlaufbahnen die Beobachtung der gesamten Ukraine ermöglichen.

Militärparade in Peking: China präsentiert unter den Augen von Putin und Kim neue SuperwaffenMilitärparade ChinaFotostrecke ansehenChinas Yaogan-Satelliten: Offiziell Forschung – tatsächlich militärische Nutzung?

China betont seit Jahren, seine Yaogan-Satelliten dienten ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken, etwa der Erderkundung, dem Katastrophenschutz oder der Ressourcenerfassung, so Militarnyi. Doch internationale Experten gehen von einem anderen Einsatz aus: Die Systeme seien Teil eines militärischen Spionagenetzes, das optische, elektronische und Radaraufklärung vereint – vergleichbar mit westlichen SAR-Satelliten (Synthetisches Apertur Radar).

Die aktuelle Generation der Yaogan-33-Satelliten, die seit 2022 gestartet wurde, ersetzt ältere Modelle aus den frühen 2000er-Jahren. Technisch sollen sie in der Lage sein, Objekte am Boden mit einer Auflösung von wenigen Metern zu identifizieren. Damit könnte Russland bei der Zielauswahl seiner Raketenangriffe präzise Informationen über kritische Infrastruktur und militärische Stellungen erhalten.

Chinas „Yaogan“-Satellitenprogramm

Name: „Yaogan“ („Fernerkundung“)

Start: Erstes Modell 2006, aktuelle Generation Yaogan-33 seit 2022 im Orbit

Zahl der Satelliten: Über 60 aktive Einheiten unterschiedlicher Serien

Typen: Optische, Radar- und elektronische Aufklärungssatelliten (SAR-Systeme)

Umlaufbahn: Etwa 700 km über der Erde, Umlaufzeit rund 90 Minuten

Offizieller Zweck: Land- und Ressourcenforschung, Katastrophenschutz

Vermutete militärische Nutzung: Erfassung von Bodenbewegungen, Funk- und Wärmequellen; mögliche Weitergabe von Aufklärungsdaten an Russland

Betreiber: Chinesisches Verteidigungsministerium / Staatliche Raumfahrtbehörde CNSA

Bekannte Einsätze: Beobachtung internationaler Krisengebiete, zuletzt mehrfach über der Ukraine registriert

(Quellen: Militarnyi, Ukrainska Pravda, ntv.de, Kyiv Independent)

Kiews Geheimdienst sieht „hohe Interaktion“ mit Moskau im Ukraine-Krieg

Der ukrainische Auslandsgeheimdienst SZR erklärte am Samstag (4. Oktober), es gebe belastbare Hinweise, dass China Russland Satellitendaten für Angriffe zur Verfügung stelle. „Es gibt Fakten, die auf ein hohes Maß an Interaktion zwischen Russland und China bei der Satellitenaufklärung des ukrainischen Territoriums hinweisen, um strategische Standorte für die Zerstörung zu identifizieren und gezielt anzugreifen“, sagte SZR-Vertreter Oleh Alexandrow gegenüber der Agentur Ukrinform.

Nach Angaben der Behörde sollen unter den identifizierten Zielen auch Anlagen ausländischer Investoren gewesen sein. Weitere Details nannte der Geheimdienst nicht. Bereits 2024 hatten Berichte über eine mögliche Zusammenarbeit im Aufklärungsbereich für Aufsehen gesorgt, damals blieben Beweise aber aus.

Schwerster Angriff auf Lwiw seit Beginn des Ukraine-Kriegs

Parallel zu den Satellitenmeldungen erlebte die Region Lwiw in der Nacht von Samstag auf Sonntag den massivsten Luftangriff seit Beginn des russischen Krieges, schreibt ntv.de. Russland setzte über 140 Drohnen und 23 Raketen ein, teilten lokale Behörden gemäß Reuters mit. Vier Menschen einer Familie kamen ums Leben, als ihr Wohnhaus in einem Dorf westlich von Lwiw getroffen wurde.

In der Stadt selbst brannten Teile eines Industrieparks, es kam zu Stromausfällen und massiven Schäden an der Energieversorgung. Gouverneur Maksym Kosyzkyi sprach von einem „koordinierten Angriff auf zivile Infrastruktur“. Auch in anderen Regionen, darunter Saporischschja, Sumy und Odessa, wurden Energieanlagen getroffen.

Chinas Doppelrolle zwischen Neutralität und Waffenhilfe für Putin

Offiziell gibt sich China weiterhin neutral und betont, zu keiner Kriegspartei zu gehören. Doch die Realität sieht wohl anders aus: Nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste, berichtet der Kyiv Independent, liefert Peking nicht nur elektronische Komponenten und Spezialchemikalien an das Regime von Wladimir Putin, sondern auch Maschinen für dessen Rüstungsindustrie.

Bereits 2022 hatte eine Firma aus dem Umfeld der Wagner-Gruppe zwei chinesische Erdbeobachtungssatelliten gekauft, die nachweislich für militärische Aufklärung genutzt wurden. Der Vertrag mit dem chinesischen Hersteller Chang Guang Satellite Technology soll laut United24Media einen Wert von über 30 Millionen Dollar gehabt haben.

Chinas Verhalten im Ukraine-Krieg: Misstrauen wächst, Beweise fehlen

Noch liegen keine endgültigen Beweise vor, dass China aktiv Aufklärungsdaten an Russland übermittelt hat. Doch die zeitliche und räumliche Übereinstimmung von Satellitenüberflügen und massiven Angriffen ist auffällig. Für die Ukraine bleibt es daher entscheidend, die Bahnverläufe der Yaogan-Satelliten künftig systematisch in ihre Luftverteidigungsstrategie einzubeziehen.

Sollten sich die Verdachtsmomente erhärten, könnte das weitreichende politische Folgen haben – von Sanktionen gegen chinesische Raumfahrtunternehmen bis hin zu verschärften Exportkontrollen auf westlicher Seite. Schon jetzt ist klar: Der Himmel über der Ukraine ist längst nicht mehr nur ein Kriegsschauplatz zwischen Moskau und Kiew, sondern ein globales Aufklärungsfeld der Mächte. (Quellen: ntv.de, Militarnyi, Ukrinform, Ukrainska Pravda, Kyiv Independent, United24Media, Reuters) (chnnn)