Die EU will die letzte verbliebene Lücke in ihren Energiesanktionen gegen Russland schließen. Im derzeit in Brüssel verhandelten 19. Sanktionspaket ist vorgesehen, den Import von hochreinem Butan und Isobutan zu untersagen. Diese speziellen Flüssiggas-Fraktionen (Liquefied Petroleum Gas, LPG) waren bislang von den bisherigen Restriktionen ausgenommen. Mit der Verabschiedung des Pakets und seiner Veröffentlichung im Amtsblatt würde Russland nach Erdgas und Öl auch diese Einnahmequelle verlieren.
Nach Erdgas und Co. jetzt auch LPG
Bereits mit dem 12. Sanktionspaket im Dezember 2023 untersagte die EU den Import von russischem LPG. Dieses Geschäft hatte einen Wert von mehr als einer Milliarde Euro jährlich. Allerdings gab es Ausnahmen: Sehr reine Formen von Butan und Isobutan, die als petrochemische Rohstoffe eingestuft wurden. Sie finden Anwendung in der Kunststoffproduktion oder als Treibgase in Sprays – konnten aber auch wieder zu herkömmlichem Flüssiggas gemischt werden. So gelangten trotz Sanktionen weiterhin russische Mengen nach Europa, vor allem nach Polen. „Heute sagen wir diesem Vorgehen ein Ende“, betont Polens Energieminister Miłosz Motyka in einem aktuellen Statement.
„Durch die Aufnahme von n-Butan in die Liste der sanktionierten Produkte wird die Möglichkeit ausgeschlossen, es aus Russland und Weißrussland als Komponente für die Herstellung von Flüssiggasgemischen (LPG) zu importieren, wodurch eine Sanktionslücke im geltenden LPG-Importverbot geschlossen wird.“
Ministerstwo Energii (Ministerium für Energie)
Noch handelt es sich um einen Vorschlag der Europäischen Kommission. Damit er verbindlich wird, müssen alle Mitgliedsstaaten zustimmen. Anschließend erfolgt die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Erfahrungsgemäß wird es eine Übergangsfrist geben, um laufende Verträge abwickeln zu können. Die Maßnahme passt zum übergeordneten Ziel: Im Juni 2025 kündigte die Kommission an, bis Ende 2027 sämtliche russischen Importe von fossilen Energieträgern – also Erdgas und Erdöl – zu beenden.
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Erdgas, LNG und LPG – kurz erklärt
Um Missverständnisse zu vermeiden, lohnt sich ein genauer Blick auf die Unterschiede:
- Erdgas ist ein fossiler Energieträger, der überwiegend aus Methan (CH4) besteht. In Deutschland wird es traditionell über Pipelines aus Norwegen oder den Niederlanden importiert, früher auch aus Russland.
- Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) ist technisch gesehen Erdgas, das stark heruntergekühlt und dadurch verflüssigt wurde. Diese Methode erleichtert den Transport über weite Strecken, zum Beispiel von den USA oder Katar nach Europa. In Deutschland wird LNG seit 2023 über schwimmende Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin angelandet.
- Flüssiggas (Liquefied Petroleum Gas, LPG) ist etwas anderes: Es entsteht als Nebenprodukt bei der Erdölraffination oder bei der Förderung von Erdgas. Es besteht vor allem aus Propan (C3H8) und Butan (C4H10). LPG wird in Deutschland unter anderem als Autogas an Tankstellen verkauft, in ländlichen Regionen für Heizungen genutzt und spielt in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle – etwa bei der Herstellung von Kunststoffen oder als Treibgas in Spraydosen.
Die neuen Sanktionen beziehen sich also nicht auf Erdgas oder LNG, sondern ausschließlich auf LPG. Für private Haushalte, die mit Erdgas heizen, bedeutet das: Die geplanten Änderungen betreffen die eigene Gasrechnung nicht direkt. Auswirkungen könnten eher bei Nutzer*innen von Autogas oder in Branchen wie der Chemie- und Verpackungsindustrie spürbar werden.
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Auswirkungen auf Deutschland
Die Bundesnetzagentur sieht die Gasversorgung in Deutschland derzeit auf einer soliden Grundlage. Die täglichen Lageberichte zeigen, dass die Einspeisungen ins Netz stabil verlaufen und die Speicherfüllstände im europäischen Vergleich auf einem hohen Niveau liegen. Damit verfügt Deutschland über eine wirksame Sicherheitsreserve, die auch in Zeiten hoher Nachfrage entlastet.
Entscheidend für diese stabile Lage ist der schnelle Ausbau zusätzlicher Importmöglichkeiten in den vergangenen zwei Jahren. Mit der Inbetriebnahme mehrerer schwimmender Terminals und zuletzt eines zweiten Standorts in Wilhelmshaven im August 2025 ist es gelungen, die Importkapazitäten erheblich zu erweitern. Diese Infrastruktur stärkt die Resilienz des Energiesystems und reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern deutlich.
Die deutschen Gasspeicher bleiben auf hohem Niveau gefüllt. Das sorgt auch in der Heizsaison für eine stabile Versorgung – gestützt durch zusätzliche LNG-Importe und breitere Lieferquellen. Credit: AGSI+, Bundesnetzagentur
Für LPG spielt Deutschland nur eine Nebenrolle im Energiemix, dennoch ist es unverzichtbar für Autogas-Fahrer*innen, Haushalte mit Flüssiggas-Heizung und Teile der Chemie- und Aerosol-Industrie. Mit dem Wegfall russischer Lieferungen könnte es hier zu Preissteigerungen kommen, doch alternative Quellen aus der Nordsee, den USA oder dem Nahen Osten stehen bereit.
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Butan und Isobutan – ein wissenschaftlicher Blick
Die politische Diskussion um Flüssiggas dreht sich aber nicht nur um Versorgungssicherheit und Preisentwicklungen, sondern auch um die besonderen Eigenschaften der enthaltenen Komponenten. Denn während LPG für bestimmte Nutzer*innengruppen eine wichtige Energiequelle darstellt, ist es zugleich ein Produkt, das sich chemisch deutlich von Erdgas unterscheidet.
Diese Unterschiede sind entscheidend, wenn es um Fragen der Sicherheit, Lagerung und des Transports geht. Vor allem aber rücken sie in den Fokus, sobald über die Klimawirkung und die ökologische Einordnung von LPG diskutiert wird. Um einschätzen zu können, welche Rolle Butan und Isobutan künftig im Energiesystem spielen können, ist ein genauer Blick auf ihre stofflichen Eigenschaften und ihre Emissionsbilanz notwendig:
Chemische Eigenschaften:
Chemisch betrachtet sind Butan (C4H10) und Isobutan einfache Kohlenwasserstoffe. Sie gelten als hochentzündliche Gase und sind von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) entsprechend klassifiziert.
Klimawirkung und Emissionsbilanz:
Flüssiggas (LPG) erzeugt bei der Verbrennung etwas mehr Kohlendioxid (CO2) pro Energieeinheit als Methan, stößt aber deutlich weniger Stickoxide (NOx) und Feinstaub aus als Heizöl. Damit liegt es ökologisch zwischen Erdgas und Ölprodukten.
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Europas Energiemarkt im Wandel
Europa hat seine Energieversorgung in den vergangenen Jahren stark umgestellt. Laut einer aktuellen Analyse der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) importierte die EU im Jahr 2024 rund 112 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas – mehr als jeder andere Wirtschaftsraum. Rund die Hälfte kam aus den USA, während Russland noch etwa 17 bis 20 Prozent beitrug.
Daten des Statistischen Amts der EU (Eurostat) belegen den Trend: Die Abhängigkeit von russischen Importen nimmt stetig ab, während der Anteil der USA steigt. Parallel dazu sinkt die CO2-Intensität der europäischen Stromproduktion, wie die Europäische Umweltagentur berichtet.
Das 19. Sanktionspaket ist noch nicht beschlossen. Änderungen im Detail – etwa bei Ausnahmen oder Übergangsfristen – sind möglich. Klar ist jedoch, dass Europa eine der letzten Lücken in den Energiesanktionen schließt. Für deutsche Haushalte bedeutet das: Keine Gefahr für die Gasversorgung. Betroffen sind dagegen Nischenmärkte wie Autogas, Aerosole und die Petrochemie, wo Preise steigen könnten.
Das politische Signal ist eindeutig: Mit jedem neuen Paket kommt Europa seinem Ziel näher, bis 2027 unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden – ein weiterer Schritt hin zu mehr Energiesouveränität.
Quellen: Europäische Kommission; Ministerstwo Energii; Bundesnetzagentur; „Analysis of the European LNG market developments – 2025 Monitoring Report“ (ACER, 2025); Eurostat; European Environment Agency
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