Washington taz | Es Die Razzia der US-Einwanderungsbehörde ICE in einem Wohnblock im Süden Chicagos liegt schon eine Woche zurück, aber erst nach und nach werden Details bekannt, die seither die US-Öffentlichkeit schockieren. Mitten in der Nacht von zu Dienstag letzter Woche hatten dutzende ICE-Agenten sowie Einsatzkräfte anderer Bundesbehörden den Wohnblock gestürmt. Laut Augenzeugenberichten wurden dabei Kinder von ihren Eltern getrennt, Wohnungen verwüstet und unzählige US-Bürger stundenlang festgehalten.
„Sie haben uns behandelt, als wären wir nichts“, sagte Bewohnerin Pertissue Fisher dem lokalen Fernsehsender ABC7. Fisher erklärte, dass sie und andere Bewohner des Wohnblocks von bewaffneten Sicherheitskräften für mehrere Stunden festgehalten wurden. „Sie fragten mich nach meinem Namen und Geburtsdatum und ob ein Haftbefehl gegen mich vorläge. Ich sagte: ‚Nein‘“, erinnert sich Fisher.
Erst um 3 Uhr morgens wurde sie wieder freigelassen. „Es war beängstigend. Noch nie zuvor wurde mir eine Waffe ins Gesicht gehalten“, sagte Fisher, die eine amerikanische Staatsbürgerin ist.
Andere Augenzeugen berichteten davon, dass Kinder von ihren Eltern getrennt wurden. Fotos zeigen mit Kabelbindern gefesselte Kleinkinder, barfuß und lediglich in ihren Schlafanzüge oder in Unterwäsche. Videos von der Razzia, die auf den sozialen Medien geteilt wurden, zeigten, wie Einsatzfahrzeuge und Einsatzkräfte das Gebäude umstellten.
Chicago im Visier der Trump-Regierung
Die Razzia zeigte einmal mehr, mit welcher Brutalität und Härte die US-Regierung um Präsident Donald Trump gegen mutmaßliche papierlose Einwanderer vorgeht. Trotz des anhaltenden Regierungs-Shutdowns gehen die Razzien im ganzen Land weiter.
In den vergangenen Tagen hatte Trump auch erneut angekündigt, die Nationalgarde zur Unterstützung von ICE-Agenten nach Chicago und Portland, Oregon entsenden zu wollen.
Eine Bundesrichterin hatte übers Wochenende die Mobilisierung der Nationalgarde für den Einsatz in Portland untersagt. Die Stadt Chicago und der US-Bundesstaat Illinois reichten am Montag Klage gegen die Mobilisierung von Nationalgarde-Truppen ein, um deren Entsendung zu stoppen.
Chicagos Bürgermeister Brandon Johnson kündigte am selben Tag die Einführung von „ICE-Freien-Zonen“ an, also bestimmte Lokalitäten, in denen die Einwanderungsbehörde keine Razzien durchführen darf. Der demokratische Gouverneur von Illinois, JB Pritzker, erklärte während einer Pressekonferenz am Sonntag, dass eine Entsendung der Nationalgarde einer illegalen „Invasion“ gleichkäme.
Vorwand Organisiertes Verbrechen
In Chicago läuft seit vergangenem Monat eine Einwanderungs-Operation mit dem Namen „Midway Blitz“. Laut der Heimatschutzbehörde DHS wurden zwischen dem 8. September und 1. Oktober mehr als 800 undokumentierte Einwanderer verhaftet. Auch die Razzia auf den Wohnblock vergangene Woche war Teil dieser Operation.
Am Ende wurde 37 Menschen bei der Aktion verhaftet. Laut DHS war der Grund für die Razzia, die Annahme, dass in dem Wohngebäude Mitglieder der venezolanischen Verbrecherbande Tren de Aragua verkehren würden. Mindestens zwei der verhafteten Person sollen Bandenmitglieder sein. Unter Trump wurde Tren de Aragua zusammen mit anderen kriminellen Netzwerken zu einer terroristischen Organisation erklärt.
Der Wohnkomplex, in dem die Razzia stattfand, fiel laut US-Medienberichten in der Vergangenheit bereits öfters negativ auf. Es gab Berichte über Wasserschäden, Müllberge in den Fluren und Treppenhäusern und Vandalismus. Für Illinois Gouverneur JB Pritzker rechtfertigt dies allerdings nicht das übermäßige Vorgehen der Bundesbehörden. Er sagte, dass die Behörden mit solchen Aktionen nur Panik in den Gemeinden verbreiten würden.
„Die Trump-Regierung muss den Krieg gegen Chicago beenden. Die Trump-Regierung muss den Krieg gegen Amerikaner beenden. Die Trump-Regierung muss ihren Versuch beenden, unsere Demokratie zu zerstören“, forderte Chicagos Bürgermeister Johnson.