Wie sind Sie auf den Titel „Das gelbe Haus“ gekommen – und was bedeutet er?
Den Titel hatte ich bereits, bevor ich mit dem Schreiben begonnen habe. Im Japanischen heißt der Roman „Kieroi Ie“, was nicht nur „Haus“ bedeutet, sondern auch „Familie“, „Clan“, „Herkunft“ und manchmal auch „Bürde“. Es ist ein sehr vielschichtiger Begriff, der weit über das bloße Gebäude hinausgeht.
In der deutschen Übersetzung ist daraus „Das gelbe Haus“ geworden, was konkreter und weniger symbolisch klingt. Dennoch bleibt ein Kern erhalten: Es ist ein Ort des Zusammenkommens, aber auch einer, der Einschränkungen und familiäre Strukturen mit sich bringt. Die Farbe Gelb ist außerdem eine Schlüsselkomponente des Romans. Sie steht für vieles: für Glück, für finanziellen Wohlstand, aber auch für Gefahr.
Mieko Kawakami über feministische Themen in ihren Büchern
Sie thematisieren in ihren Büchern immer wieder weibliche Unterdrückung, aber auch weibliche Selbstbestimmung. Wie zeigt sich das in ihrem neuen Roman?
Diese Themen sind tatsächlich zentral für mein Schreiben. Auch in diesem Roman spielen sie eine wichtige Rolle. Es geht um Figuren, die in einem unterdrückenden System aufwachsen und versuchen, sich daraus zu befreien. Aber: Es geht nicht nur um Frauen. Ich interessiere mich grundsätzlich für Menschen, die unter schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen leben und dennoch versuchen, ihren Weg darin zu beschreiten. Selbstbestimmung, wie man sie findet und warum sie manchen verwehrt bleibt, ist dabei ein Schlüsselthema.
Sie werden häufig als feministische Stimme bezeichnet. Inwiefern identifizieren Sie sich mit diesem Label?
Ich schreibe über Frauen, ja – aber in erster Linie schreibe ich über Menschen. Frauen sind Menschen. Es geht mir also nicht darum, feministische Literatur zu schreiben, sondern um das Leben und Erleben von Menschen, oft aus der Perspektive von Frauen. Wenn jemand das als feministisch liest, ist das völlig legitim. Ich selbst sehe mich eher generell als Feministin, nicht unbedingt als feministische Schriftstellerin. Interessanterweise werde ich in Japan selbst gar nicht unbedingt als feministische Autorin wahrgenommen. Das ist eher im Ausland der Fall.
“Es geht mir also nicht darum, feministische Literatur zu schreiben, sondern um das Leben und Erleben von Menschen, oft aus der Perspektive von Frauen.”
Mieko Kawakami
Was glauben Sie, woran das liegt?
Das liegt wahrscheinlich an „Brüste und Eier“, das international als erstes von meinen Büchern übersetzt wurde. In diesem Roman geht es um Frauenkörper, um Reproduktion, um weibliche Perspektiven – das hat natürlich feministische Lesarten angeregt. In Japan hingegen war der Diskurs ein anderer. Ich habe mich zwar immer wieder zu feministischen Themen geäußert, aber ich schreibe auch viel über soziale Ungleichheit, Armut, Klassenunterschiede. Ich denke, meine Romane öffnen sich für verschiedene Perspektiven, und der Feminismus ist nur eine davon.