Die Flieger der A320-Familie von Airbus kamen 20 Jahre später auf den Markt als das Konkurrenz-Modell von Boeing, die 737. Dennoch hat der A320 sein Pendant nun als meistverkauftes Flugzeug überholt.
Der Airbus A320 ist seit heute das meistverkaufte Flugzeug der Welt. Mit der Auslieferung einer Maschine an die saudische Fluggesellschaft Flynas verkaufte Airbus das 12.260. Flugzeug der Baureihe und übertrumpfte damit die Boeing 737 des US-Erzrivalen, wie aus Daten der britischen Beratungsgesellschaft Cirium hervorgeht. Zusammen haben beide Flugzeugbauer mehr als 25.000 der Jets ausgeliefert, die ursprünglich für die Versorgung großer Drehkreuze konzipiert und später von Billigfliegern übernommen wurden.
Airbus erweitert Produktion, Boeing in der Krise
Das Kurz- und Mittelstreckenflugzeug Airbus A320 war 1988 auf den Markt gebracht worden. Damals hatten viele bezweifelt, dass das Unternehmen nach der schwierigen Markteinführung von zwei Großraumjets noch ein weiteres Jahrzehnt überleben würde. Seitdem hat die A320-Familie jedoch zahlreiche Varianten hinzubekommen – zuletzt die A321XLR, die eine größere Reichweite aufweist. Derzeit erweitert Airbus seine Produktion in den USA und China.
Boeing setzte mit seiner beliebten 737, die erstmals in den 1960er-Jahren eingeführt wurde, den Standard für die Produktion von Schmalrumpfflugzeugen, geriet jedoch nach tödlichen Unfällen in den Jahren 2018 und 2019 in eine Krise. Aufgrund von Produktionsmängeln darf der einstige Weltmarktfrührer, der schon lange mit Qualitätsproblemen kämpft, aktuell nur eine begrenzte Zahl von Flugzeugen des Typs 737 MAX ausliefern.
Noch keine Nachfolge-Modelle
Nachfolger für ihre meistverkauften Kurzstreckenflieger wollen Boeing und Airbus so schnell nicht auf den Markt bringen. Die beiden Flugzeugriesen werden voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahrzehnts neue Modelle vorstellen. Beide Hersteller erklärten gestern auf einer Konferenz der Branchenorganisation ISTAT in Prag, dass sie nicht so bald mit der Entwicklung beginnen wollen, da sie auf Fortschritte in der Triebwerkstechnologie warten.
Ein Nachfolger für die Boeing 737 sei „noch weit entfernt“, so der Marketing-Chef von Boeing, Darren Hulst. Man stehe nicht kurz davor, ein neues Kurzstreckenflugzeug zu bauen. Und auch Airbus sieht keinen baldigen Ersatz für die A320-Familie. Eine neue Flugzeuggeneration müsse 25 bis 30 Prozent effizienter sein als die derzeitigen Modelle, um am Markt Anklang zu finden, sagte Airbus-Vertreter Francois Collet. Das werde „ein bisschen Zeit brauchen“.
Boeings Langstreckenflieger 777X verzögert sich wohl weiter
Gemessen an den jährlichen Auslieferungen war Airbus bereits vor dem heute gebrochenen Rekord der weltweit größte Flugzeughersteller. Der Konzern hat im vergangenen Jahr 766 Verkehrsflugzeuge an die Kunden übergeben. Bei Boeing waren es nach zahlreichen Skandalen und Lieferproblemen lediglich 317. Gerade erst musste das Unternehmen einräumen, dass sich auch die Zulassung des Langstreckenflugzeugs 777-9 weiter verzögert. Dies wäre ein neuerlicher Rückschlag für den US-Konzern und könnte zu Belastungen in Milliardenhöhe führen.
Für Boeing läuft es also weiterhin nicht rund – trotz Unterstützung durch US-Präsident Donald Trump. Dieser hatte in den vergangenen Monaten mehrere milliardenschwere Geschäfte für den Konzern eingefädelt. Zudem gab die Regierung unter Trump im Fall der 737-Max-Abstürze einen Vergleich mit Boeing über mehr als 1,1 Milliarden Euro bekannt und wischte damit eine Vereinbarung vom Tisch, die unter seinem Vorgänger Joe Biden erzielt wurde. Im Juli 2024 hatte der Flugzeugbauer angekündigt, sich der „Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten“ bei der Zertifizierung von 737-MAX-Maschinen schuldig zu bekennen.
Schafft Airbus das Jahresziel?
Airbus hat dagegen Insidern zufolge mit der Übergabe von 73 Flugzeugen an Kunden den bisher auslieferungsstärksten September verzeichnet. Die Verzögerungen der Zulieferungen von Triebwerksherstellern hätten nachgelassen. Branchenexperten hatten lediglich 69 bis 70 Auslieferungen im September erwartet. Mit der Zahl von 73 hat Airbus seit Jahresbeginn 507 Flugzeuge ausgeliefert, zwei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Um allerdings das Jahresziel von 820 Maschinen zu erreichen, müsste der Konzern im vierten Quartal eine Rekordzahl von 313 Flugzeugen ausliefern.
Die Unterschiede zwischen den führenden Flugzeugbauern wirken sich indes auch auf den Aktienkurs aus. 2024 verlor die Boeing-Aktie rund 30 Prozent an Wert. Der im deutschen Leitindex DAX gelistete Airbus-Titel legte dagegen rund zehn Prozent zu. Und auch in diesem Jahr kletterte das Papier dank voller Auftragsbücher um mehr als 26 Prozent. 2025 konnte sich allerdings auch die Boeing-Aktie erholen und seit Jahresbeginn um knapp 28 Prozent gewinnen.
Mit Informationen von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion.