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Der zurückgetretene französische Premier Sébastien Lecornu ist mit der Suche nach einer Regierung in der Verlängerung. © IMAGO/Alexis Sciard
Nur wenn Lecornu wider erwarten noch eine Regierung bildet, endet die politische Krise in Frankreich.
Man muss wohl hoffen, dass der zurückgetretene Premier Sébastien Lecornu und die anderen politisch Verantwortlichen die letzte Chance nutzen, um doch noch ein Regierungsbündnis zu schmieden. Es könnte die Regierungskrise in Frankreich beenden, die Probleme des Landes angehen und die Grand Nation bis zur Präsidentschaftswahl 2027 stabilisieren. Unmöglich ist das nicht. Schließlich scheiterte die Suche nach einer Regierung vordergründig an einer einzigen Personalie.
Die politische Elite des Nachbarn würde zeigen, dass sie lernfähig ist und nach Jahrzehnten von Mehrheitsregierungen eine Minderheitsregierung hinbekommt. Sie würde auch eine lange Reihe von politischen Fehlern beenden. Sie begann mit den vorgezogenen Neuwahlen von Präsident Emmanuel Macron. Fortgesetzt haben sie die kompromissunfähigen Parteien und Premier Lecornu mit seiner desaströsen Personalauswahl. Und vor allem könnten sie den Haushalt konsolidieren und so damit beginnen, die Staatsverschuldung zu stoppen oder gar abzubauen. Das würde auch die Sorgen in anderen EU-Staaten vor politischer Instabilität und einer Schwächung des Euros beseitigen.
Wahrscheinlich ist es allerdings nicht, dass Lecornu in zwei Tagen gelingt, was er in den 27 Tagen zuvor nicht geschafft hat. Macron ist auch keine wirkliche Hilfe. Er hat sich mit dem erneuten Auftrag an Lecornu lediglich Zeit verschafft. Außerdem hat nicht nur die Mehrheitsfindung in der Nationalversammlung im vergangenen Jahr erschwert, sondern damit den Weg verbaut, jetzt der Linken die Regierungsbildung zu erteilen. Und so droht das politische Chaos in Paris weiterzugehen, droht Frankreich weiter regierungsunfähig zu sein.
Mögliche Neuwahlen würden die Regierungskrise verlängern, aber nicht beenden. Sie würden wohl kaum eindeutige Verhältnisse in der Nationalversammlung bringen. Doch sie würden den Rechtspopulisten von Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National ziemlich sicher einen Wahlsieg bescheren. Ähnliches gilt für einen denkbaren, aber unwahrscheinlichen Rücktritt Macrons.
So oder so ist es Macron nicht gelungen, eine pragmatische, europäisch denkende Mitte zu formen. Während seiner beiden Amtszeiten sind die politischen Ränder links wie rechts stärker geworden, während es in der Mitte kein stabiles Bündnis gibt. Ein schwacher Trost ist, dass dies in anderen westlichen Ländern den Parteien links der Rechtspopulisten ebenfalls nicht gelungen ist, mit einer überzeugenden Politik den Aufstieg von rechten Kräften zu verhindern. Es gibt also keinen Grund, mit dem Finger auf unsere Nachbarn zu zeigen.
Noch fehlt vor allem den Europäern eine gemeinsame Vision davon, wie sie die geopolitischen Herausforderungen bewältigen können. Genauso wichtig ist es, eine Antwort zu finden, wie der Wohlstand bewahrt werden kann und damit die Ängste vieler beseitigt werden können.
Allerdings wird nicht nur die politische Elite Frankreichs, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger noch lernen müssen, mit Minderheitsregierungen umzugehen. Maximalforderungen lassen sich mit stabilen Mehrheiten durchsetzen. Ohne sie sind Kompromisse unausweichlich. Sie sind nicht unbedingt beliebt. Doch politisch alternativlos, wenn man mit einer Partei oder gleich mehreren gemeinsam regieren muss.
Der einzige Lichtblick ist, dass Macron außenpolitisch handlungsfähig bleibt. Frankreich wird also weiter mit den anderen EU-Staaten die Ukraine unterstützen, sich für eine Lösung des Nahost-Konflikts einsetzen und US-Präsident Donald Trump wo nötig kontra geben. Und Paris wird mit anderen versuchen, die EU voranzubringen. Politik
Andreas Schwarzkopf. © peter-juelich.com