„Hallo, hier spricht Herr Meier von Ihrer Bank. Auf Ihrem Konto wurden auffällige Kontobewegungen festgestellt. Um das kontrollieren zu können, benötigen wir Ihre PIN und Ihre EC-Karte. Ein Mitarbeiter der Bank kommt gleich zu Ihnen und holt die Karte zur Prüfung ab.“ – So oder so ähnlich werden viele, vor allem ältere Menschen Opfer von Telefonbetrug. Seit mehreren Jahren nutzen international organisierte Banden diese Masche und ergaunern sich dadurch hohe Vermögenswerte.
Am frühen Dienstagmorgen ging die Polizei vor allem in Dormagen in einer Großaktion gegen eine dieser Tätergruppierungen vor. Einsatzkräfte der Polizei und der Staatsanwaltschaft durchsuchten insgesamt 25 Wohn- und Gewerbeobjekte in Dormagen, Düsseldorf, Köln und dem Rhein-Erft-Kreis. 15 der durchsuchten Objekte lagen auf Dormagener Stadtgebiet (außerdem jeweils eines in Bedburg, Düsseldorf und Kerpen, drei in Bergheim und Köln sowie zwei in Erftstadt). Fünf männliche deutsche und italienische Tatverdächtige im Alter von 18 bis 24 Jahren wurden bereits festgenommen; Grundlage dafür waren durch die Staatsanwaltschaft erwirkte Haftbefehle. Ein weiterer Haftbefehl wurde gegen einen 20-jährigen Deutschen vollstreckt, er sitzt allerdings bereits wegen anderer Taten in Haft. Auch bezüglich der Festnahmen lag der Hotspot offenbar in der Region: Fünf der Männer kommen aus Dormagen, so die Staatsanwältin. Nur einer von ihnen ist Kölner. Restrepo Rodriguez von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sagte unserer Redaktion, dass die Festnahmen allesamt um sechs Uhr morgens stattfanden.
Wie lief das ab? Besonders aufsehenerregend ging es am frühen Morgen auf dem Dormagener Rathausplatz zu. Einer der Beschuldigten Dormagener war offenbar beruflich auf dem Wochenmarkt zugange, der dort stattfand. Die Staatsanwältin sagt auf Nachfrage: „Ich kann bestätigen, dass eine Person auf ihrer Arbeitsstelle verhaftet wurde.“ Weiter erklärte sie, dass die Staatsanwaltschaft es üblicherweise vermeide, Menschen an ihrer Arbeitsstelle zu verhaften.
Bei dem Dormagener kam dann offenbar aber wirklich alles zusammen, der Plan der Staatsanwaltschaft ging nämlich nicht auf: „Dies war vorliegend jedoch nicht möglich, weil es heute der erste Arbeitstag des Beschuldigten war, wovon aufseiten der Ermittlungsbehörden keine Kenntnis bestand. Es war vielmehr geplant, ihn zu Hause zu verhaften. Im Hinblick auf den frühen Arbeitsbeginn (6 Uhr) war dies jedoch nicht möglich“, sagte Rodriguez.
Im Anschluss an die Verhaftungen starteten die Einsatzkräfte dann umfangreiche Hausdurchsuchungen in allen Städten, bei denen auch Beweismittel sichergestellt werden konnten. Insbesondere wurden Handys bei den Beschuldigten sichergestellt. In Summe waren ganze 250 Ermittler an dem Einsatz in der Region beteiligt. Darunter waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch sogenannte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE).
Eine Person hat bei dem Einsatz offenbar außerdem kleinere Blessuren davongetragen. Die Staatsanwältin teilt auf Nachfrage mit, dass es sich dabei aber weder um eine Einsatzkraft noch um einen der Beschuldigten handelt. Vielmehr sei es eine „an sich unbeteiligte Person, die leicht verletzt wurde“, während sie Widerstand leistete. Konkret handle es sich um Nasenbluten, das keine ärztliche Behandlung erforderte.
Dem Einsatz am Dienstag waren umfangreiche Ermittlungsarbeiten der Polizei vorausgegangen. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilen, war dafür bei der Kreispolizeibehörde Neuss extra eine Ermittlungskommission gebildet worden. Rund zehn Polizeibeamte hatten rund ein halbes Jahr ermittelt, um den Beschuldigten auf die Schliche zu kommen, sagt Staatsanwältin Rodriguez.
Dabei identifizierten die Beamten eine Gruppe von bislang 27 Tatverdächtigen mit bulgarischer, deutscher, italienischer, irakischer, kongolesischer, mazedonischer, rumänischer, somalischer und syrischer Staatsangehörigkeit im Alter von 18 bis 26 Jahren. Ihr werden insgesamt 140 Betrugstaten nach dem oben beschriebenen Muster in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zur Last gelegt. Der Gesamtschaden beläuft sich auf mehr als 300.000 Euro. Der höchste Einzelschaden, der eine Person getroffen hatte, beläuft sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf 61.000 Euro.
Die fünf festgenommenen Beschuldigten wurden dem Ermittlungsrichter vorgeführt und sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der gefundenen Beweismittel, dauern an.
Der Bandenbetrug wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Bis zu einer möglichen, rechtskräftigen Verurteilung gelten die Verdächtigen als unschuldig.