Sorgfältig aufgereihte Schuhpaare auf dem Bremer Marktplatz sollen an diesem Dienstagvormittag, 7. Oktober, als temporäres Mahnmal an die palästinensischen Toten des Krieges im Gazastreifen erinnern. Zwischen den Schuhen liegen laminierte Steckbriefe mit Namen und kurzen Biografien, die stellvertretend für etwa 65.000 bestätigte Todesopfer durch das militärische Vorgehen Israels stehen. Anlass für die Aktion ist der zweite Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Er war Auslöser des aktuellen Kriegs.

Organisiert und zu begleitenden Aktionen aufgerufen hatte Ranya Dakkour als Privatperson. Die 37-jährige Palästinenserin ist zwar in Bremen geboren, hat aber nahe Verwandte und Familie im Gazastreifen. Sie gibt ihre persönliche Betroffenheit und die Sorge um Cousinen und Nichten als den Beweggrund dafür an, mit der Aktion an die Situation im Gazastreifen zu erinnern. Unterstützt wird die Kundgebung von den Organisationen Seeds of Palestine (Samen/Saatgut Palästinas) sowie der an der Bremer Universität angesiedelten Gruppe Uni(te) for Pali. Mit Barbara Heller spricht zudem eine Vertreterin des Bremer Friedensforums.

Politisch ist das Interesse zu erkennen, den Überfall der Hamas vor zwei Jahren in die Gesamtgeschichte des Nahostkonflikts einzubetten. Aus Sicht der Aktivisten steht am Anfang die Vertreibung der Palästinenser durch die Staatsgründung Israels, was sie als Nakba bezeichnen. Das relativiert zugleich die Entführung von über 200 zumeist israelischen Staatsbürgern sowie mehr als 1100 Getötete als Ursache des aktuellen Krieges. Ein Infostand mit zahlreichen Plakaten blättert dazu die über 70-jährige Geschichte des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern auf, sodass die Ereignisse vor zwei Jahren lediglich als weiteres Kapitel in einer Kette von Ereignissen darin erscheinen.

Dementsprechend wird bei der Veranstaltung mit laut Polizei etwa 60 Teilnehmern nirgendwo der jüdischen Opfer des 7. Oktober 2023 gedacht. Eine Rednerin bezeichnet den Überfall der Hamas als Teil eines legitimen Befreiungskampfes der Palästinenser. Konsequent ist nicht vom Krieg im Gazastreifen die Rede, sondern von einem Genozid, also einem gezielten Völkermord der Israelis an den Palästinensern. Tatsächlich gibt es zwar ein Ermittlungsverfahren des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israel, das aber vor allem auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzielt. Ob dabei die Schwelle zum Völkermord bereits überschritten wurde, ist rechtlich ungeklärt.

Sofia Leonidakis von den Bremer Linken bezeichnet in einer anlässlich des Jahrestages herausgegebenen Erklärung den „brutalen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023“ als Zäsur. Er sei der „tödlichste Angriff auf jüdisches Leben seit der Shoa“ gewesen. „Für 1200 Ermordete und 250 Entführte gibt es keine Rechtfertigung, weder im Vorhinein noch im Nachhinein“, wird Leonidakis zitiert. Der eliminatorische und antisemitische Terror der Hamas sei aber zugleich auch keine Rechtfertigung für die „genozidale Kriegsführung der rechten israelischen Regierung in Gaza.“ Daher sei Protest gegen die israelischen Kriegsverbrechen möglich und notwendig, ohne aber dabei antisemitische Narrative zu bedienen. „Am 7. Oktober wollen wir dem Leid der Geiseln und aller Opfer des 7. Oktober gedenken“, heißt es abschließend in der Erklärung der Linkspartei.

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