Dass Frankfurt vorerst kein Cannabis bei einem Modellprojekt verkaufen darf, stößt weitestgehend auf Kritik. Die einen sehen es als verpasste Chance, andere betrachten den Versuch als „Irrweg“, und manche vermuten politisches Kalkül hinter der Ablehnung des Projekts. Mit dem Modellversuch wollte die Stadt unter anderem testen, ob man mit dem Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften den Schwarzmarkt eindämmen kann.
Der auf fünf Jahre angelegte Versuch sollte medizinisch überwacht und wissenschaftlich begleitet werden. Ein Forschungsantrag war im Dezember 2024 gestellt und vor rund einer Woche von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) abgelehnt worden. Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) hat Widerspruch eingelegt.
Ursula Busch, sozialpolitische Sprecherin der SPD, findet es „bedauerlich“, dass der Versuch abgelehnt wurde. „Es ist ja nicht so, dass wir Cannabis für jeden verfügbar machen wollen“, sagt sie. Nur in Frankfurt gemeldete, volljährige und gesunde, nicht schwangere oder stillende Probanden hätten teilnehmen können. Cannabis werde man nicht los, indem man es leugne, sagt Busch weiter. Da helfe auch kein „Law and Order“. Im Zusammenhang mit dem Modellprojekt hätte die Stadt noch mehr auf Jugendschutz, Aufklärung und Prävention gesetzt.
Verbote haben in der Vergangenheit keine Wirkung gezeigt
Sie sieht in der Ablehnung des Modellprojektes eine verpasste Chance. Besonders in einer Stadt wie Frankfurt, in der es besonders einfach sei, an Drogen zu kommen, wären die Ergebnisse des Versuchs besonders „interessant“ gewesen. Fortschritte in der Drogenpolitik zu machen, ist laut Busch wichtig. Sie erinnert an die Neunzigerjahre und den damals neuen Ansatz des Frankfurter Wegs und der akzeptierenden Drogenpolitik.
Ursula Busch und Suchtexperte Heino Stöver, der den Modellversuch wissenschaftlich begleiten sollte, vermuten hinter der Ablehnung des Modellversuchs eine politische und keine fachliche Entscheidung. Das denkt auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Dominike Pauli. Es gehe bloß um Vorurteile und Realitätsverweigerung, sagt sie. Prohibitive Maßnahmen gegen Cannabis hätten in der Vergangenheit keine Wirkung gezeigt. Es sei deshalb an der Zeit, neue Wege zu gehen. Denn solange es keine leicht zugänglichen Konsummöglichkeiten gebe, werde der Drogenhandel „blühen“, sagt Pauli weiter.
Mehrzahl der Erwachsenen bezieht Cannabis legal
Volt ist „enttäuscht“ über die Entscheidung der BLE. Damit werde ein wichtiger Schritt in Richtung eines modernen, regulierten Umgangs mit Cannabis blockiert, sagt Britta Wollkopf, gesundheitspolitische Sprecherin von Volt. Derzeit seien die wenigen genehmigten Cannabis-Klubs neben der medizinischen Abgabe oder dem Eigenanbau die einzigen legalen Bezugsquellen. Die reichten nicht aus, um den Bedarf zu decken und den illegalen Drogenhandel wirksam zurückzudrängen, sagt Wollkopf. Eine nicht repräsentative Befragung des Instituts für Suchtforschung Frankfurt am Main hat ergeben, dass die meisten erwachsenen Konsumenten ihr Cannabis aus legalen Quellen beziehen.
Zwar seien die Klubs eine gute Idee, doch das Genehmigungsverfahren sei zu bürokratisch und für Gelegenheitskonsumenten sei eine Mitgliedschaft wenig attraktiv, so Wollkopf weiter. Fachgeschäfte seien da ein praktikables Angebot. Stöver betont, dass zudem nicht jeder die Möglichkeit habe, sich in einer Anbauvereinigung zu engagieren oder selbst etwas anzubauen.
Frankfurt brauche keine Cannabis-Shops, sondern Ordnung, Sicherheit und nachhaltige Präventionsarbeit, sagt Sabine Fischer, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU. Das Projekt sei von Anfang an ein „Irrweg“ gewesen und zu Recht gestoppt worden. Cannabis berge erhebliche Risiken für Abhängigkeit und gesundheitliche Schäden, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene, so Fischer.
Cannabis vom Schwarzmarkt kann gefährlich sein
Auch BFF-BIG sei grundsätzlich gegen das Modellprojekt und befürworte die Ablehnung, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Ingeborg Leineweber. Suchtexperte Stöver hingegen sieht in der Ablehnung des Forschungsantrages einen Rückschritt in der Drogenpolitik. Der Versuch könnte eine wissenschaftliche Basis für weitere politische Entscheidungen schaffen, Konsumenten sicheres Cannabis zur Verfügung stellen und so den Schwarzmarkt eindämmen. Denn das auf dem Schwarzmarkt erhältliche Cannabis könne gefährlich sein, sagt Stöver. Es sei oft gestreckt und verunreinigt, manchmal mit synthetischen Cannabinoiden, die unter anderem Psychosen auslösen können.
Außerdem sei für sicheren Konsum wichtig, die Konzentration von THC und CBD im Cannabis zu kennen, so Stöver weiter. Das Verhältnis zwischen den beiden Stoffen sei entscheidend für die Bekömmlichkeit des Rausches. THC ist für die Rauschwirkung verantwortlich, CBD wirkt entspannend. Je mehr THC also im Cannabis enthalten ist, desto heftiger, aber auch unbekömmlicher ist der Rausch. Ein Dealer werde nicht sagen, wie hoch die Konzentration der Stoffe sei, so Stöver weiter. „Und er wird nicht nach dem Alter seiner Kunden fragen.“
Zwar wiesen Studien wie etwa das Monitoring-System Drogentrends darauf hin, dass Jugendliche weniger Cannabis konsumieren, sie zeigten aber auch, dass die Prävalenz bei Erwachsenen höher sei. Ihnen müsse man einen entsprechenden Zugang schaffen, so Stöver. Dass das mit Modellversuchen durchaus gelingen kann, zeige die Schweiz. Das Pilotprojekt „Weed Care“ des Kantons Basel-Stadt, bei dem Cannabisprodukte verkauft werden, zeigt vielversprechende Entwicklungen im Bereich der Schadensminderung und bestätigt das Interesse der Konsumenten an einer legalen Regulierung. Trotz legaler Verfügbarkeit haben demnach etwa weder die Konsumtage noch die Konsummenge zugenommen.
Yanki Pürsün, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, will die Absage an das Frankfurter Modellprojekt nicht bewerten. Er findet es wichtiger, dass das Cannabisgesetz überarbeitet wird. „Das könnte dazu führen, dass vielleicht gar keine Modellversuche mehr gebraucht werden“, sagt er.