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Fast alles ist möglich, auch ein Tänzchen mit dem Eisbärfell. © Fabian Raabe
Mit „Chinchilla Spin-off, waswas“ am Frankfurter Mousonturm macht das Kollektiv Rimini Protokoll erneut Tourette zum Thema
Als das Stück „Chinchilla Arschloch, waswas“ im Frühjahr 2019 im Bockenheimer Depot uraufgeführt wurde, durfte die Frankfurter Rundschau vorab die Proben besuchen und mit dem Hauptdarsteller Christian Hempel sprechen. Die gelegentlichen Salven von Kraftausdrücken und ähnliche Äußerungen schmälerten die Freude der Unterhaltung nicht, irgendwann fielen sie gar nicht mehr auf. Man war ja vorbereitet.
„Keine Absicht, nur Tourette“, schickt Christian Hempel stets eilig voraus, wenn er Menschen begegnet. Seine Schimpftiraden und motorischen Ausbrüche sind nicht steuerbar, sondern Reaktionen auf die Welt, in der er sich bewegt. Diese sogenannten Ticks, die sehr unterschiedlich ausfallen können, sind Teil des Tourette-Syndroms, sie werden „getriggert“, angestoßen durch bestimmte Reize. „Mein Tourette, zum Beispiel, legt es darauf an, gesellschaftlich nicht konforme Worte auszusprechen“, erklärte Hempel damals. Und mit Tabubrüchen und unvermittelten Einwürfen wie „Arschloch“, „Du geile Maus!“ oder „Heil Hitler“ könnten eben nicht alle umgehen.
Überhaupt scheint es auf den ersten Blick unmöglich, mit Tourette Theater zu machen: Kein Text ist sicher, keine Bewegung wiederholbar. Die Bühnentechnik muss in Sicherheit gebracht, spezielle Hotelzimmer gebucht, was nicht Tourette-kompatibel ist, geändert werden. Das Theaterkollektiv Rimini Protokoll hat vor gut sechs Jahren in Kooperation mit dem Mousonturm und dem Schauspiel Frankfurt gezeigt, dass es doch möglich ist. „Chinchilla Arschloch, waswas“ wurde 2020 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und das gleichnamige Hörspiel 2019 mit dem Deutschen Hörspielpreis der ARD ausgezeichnet. Idee, Konzeption und Umsetzung stammten von Helgard Haug, die nun mit „Chinchilla Spin-off, waswas“ anknüpft an das Vorgängerstück. Am Freitag und Samstag wird es am Mousonturm aufgeführt.
Auch in der zweiten Folge geht es um die Angst vor dem Kontrollverlust, Verbalattacken und die Frage, was eigentlich Normalität ist. Neben Christian Hempel ist der Darmstädter SPD-Politiker und Landtagsabgeordnete Bijan Kaffenberger wieder mit dabei, beide standen 2019 erstmals in „Chinchilla Arschloch, waswas“ zusammen auf der Bühne und machen nun erneut ihre Erfahrungen und ihr Leben mit Tourette „zum Ausgangspunkt für eine intensive Begegnung mit dem Publikum“.
„Chinchilla Spin-off, waswas“ läuft am Freitag und Samstag, 10. und 11. Oktober, jeweils 20 Uhr, im Frankfurter Mousonturm, Waldschmidtstraße 4. Tickets und weitere Informationen sind unter www.mousonturm.de erhältlich.