Präsident Donald Trump spricht zu Reportern, bevor er eine Präsidialverordnung im Oval Office im Weißen Haus unterzeichnet, 6. Oktober 2025 [AP Photo/Jacquelyn Martin]

Am Montagnachmittag drohte Präsident Donald Trump im Oval Office damit, Gerichtsurteile zu ignorieren und sich über lokale Gouverneure und Bürgermeister hinwegzusetzen, um US-Militär in amerikanischen Großstädten einzusetzen. Trump bediente sich einmal mehr des Mittels der Großen Lüge und erklärte, Chicago, die drittgrößte Stadt der USA, sei „wie ein Kriegsgebiet“. Er kündigte an, das Aufstandsgesetz anzuwenden, „wenn es nötig ist“.

„Bislang war das nicht nötig. Aber wir haben nicht ohne Grund ein Aufstandsgesetz“, drohte Trump und fügte hinzu: „Wenn ich es in Kraft setzen müsste, würde ich das tun. Wenn Menschen getötet würden und Gerichte uns aufhalten würden oder Gouverneure oder Bürgermeister uns aufhalten würden, dann würde ich das sicher tun.“

Der angehende Diktator stellte in Aussicht, „von Stadt zu Stadt“ zu gehen, bis er „sichere Städte“ habe.

Stephen Miller, Trumps oberster faschistischer Berater, machte in einem Interview mit CNN am Montag deutlich, dass die Regierung versuchen wird, missliebige juristische Entscheidungen zu umgehen. Er unterstrich damit auch Trumps Erklärungen, die Justiz zu ignorieren.

Der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses, Stephen Miller, auf dem Weg zum Pressegespräch im Weißen Haus, 6. Oktober 2025 [AP Photo/Evan Vucci]

Am Sonntagabend blockierte die US-Bezirksrichterin Karin Immergut in Oregon vorübergehend die Entsendung von Truppen der Nationalgarde nach Portland und vertrat die Ansicht, dass der Einsatz nicht den Tatsachen vor Ort entspreche. Diese Entscheidung löste wütende Angriffe von Miller aus, der sie als „juristische Revolte“ bezeichnete. Es folgten öffentliche Drohungen des Präsidenten, Richter „sollten sich schämen“, wenn sie gegen ihn entscheiden.

Am Montag sagte Miller, das Weiße Haus werde sich „an das Urteil halten, soweit es die involvierten Parteien betrifft“. Man werde aber andere Möglichkeiten verfolgen, um Militär oder Bundeseinheiten an Orten wie Portland und Chicago einzusetzen. Millers Beharren darauf, dass das Weiße Haus den Gerichtsentscheid nur dann befolgen werde, „soweit es die involvierten Parteien betrifft“, macht deutlich, dass die Regierung gerichtliche Anordnungen als bloße Stolpersteine betrachtet. Sie führt Ausweichmanöver durch, wie z. B. den Versuch, die texanische Nationalgarde anstelle der kalifornischen einzusetzen, während sie gleichzeitig beim faschistisch beherrschten Obersten Gerichtshof Einspruch gegen gerichtliche Verfügungen einlegt. Letztlich will sie unabhängig von rechtlichen Zwängen Truppen einsetzen.

Miller wurde von CNN gefragt, ob es „übertrieben“ sei, Demonstranten als „Terroristen“ zu bezeichnen. Seine Antwort: „Nein. Wenn überhaupt, dann untertreibe ich den Ernst der Lage.“ Er behauptete – ohne Beweise – mit der Joint Terrorism Task Force haben „wir eine gemeinsame Finanzierung gefunden… Treffpunkte … das ist Terrorismus“. Auf die Frage, ob die Regierung plane, die Demonstranten wegen Terrorismus anzuklagen, antwortete Miller: „Ja, das würde ich gerne tun.“ Er sagte weiter, dass „das Gesetz über den inländischen Terrorismus im Kongress gestärkt werden muss“.

Nach den Äußerungen von Trump und Miller veröffentlichte das Weiße Haus ein neues Memorandum an Kriegsminister Pete Hegseth, Generalstaatsanwältin Pam Bondi und Heimatschutzministerin Kristi Noem mit dem Titel „Sicherheitsmaßnahmen des Kriegsministeriums zum Schutz von Bundespersonal und Eigentum in Illinois“.

Das Memo verfälscht Proteste vor Einrichtungen der Einwanderungsbehörde (ICE) in Broadview (Illinois) und behauptet, die Demonstrationen seien ein „koordinierter Angriff gewalttätiger Gruppen“. In dem Memo wird behauptet, dass diese angeblichen „Gruppen“ Abschiebeaktionen „durch gewalttätige Demonstrationen, Einschüchterung und Sabotage von Operationen der Bundesregierung“ verzögern. „Diese gewalttätigen Aktivitäten scheinen zuzunehmen, und die Situation im Bundesstaat Illinois, insbesondere in und um die Stadt Chicago, kann so nicht weitergehen.“

In Wirklichkeit sind die einzig „gewalttätigen Gruppen“ im Raum Chicago die Polizei und die Bundeseinwanderungsbehörde ICE. Seit Beginn der Aktion, die den Codenamen „Operation Midway Blitz“ trägt, hat die Bundespolizei für Einwanderung Schusswaffen gegen mindestens zwei Menschen abgefeuert, darunter am 12. September auf Silverio Villegas-Gonzalez. In einer verlogenen Pressemitteilung des Ministeriums für Heimatschutz (DHS) anlässlich der Tötung wird der Restaurantkoch und Vater von zwei Söhnen fälschlicherweise als „krimineller illegaler Ausländer“ bezeichnet und behauptet, er habe „einen Beamten über eine beträchtliche Distanz geschleift“.

Tatsächlich widersprechen die Videobeweise jedem Schlüsselelement dieser Erzählung. Villegas-Gonzalez hat keinen ICE-Beamten ernsthaft verletzt. Aufnahmen der BodyCam, die von der Chicago Sun-Times veröffentlicht wurden, bestätigen, dass der ICE-Beamte eine kleine Schramme an seinem Knie hatte und seine Jeans zerrissen war, „nichts Großes“, formuliert er selbst.

Villegas-Gonzalez war nicht vorbestraft und war lediglich wegen geringfügigen Verkehrsverstößen aufgefallen, die über ein Jahrzehnt zurücklagen. Als er von der ICE getötet wurde, war der 38-Jährige nicht in kriminelle Aktivitäten verwickelt. Tatsächlich überfiel die ICE ihn, nachdem er eines seiner Kinder an der Schule abgesetzt hatte, bevor er zur Arbeit fuhr.

Eine zweite Person wurde am vergangenen Samstag von Bundesbeamten der Einwanderungsbehörde angeschossen. Es handelt sich um die 30jährige Marimar Martinez, die während einer Konfrontation im Brighton Park durch Schusswaffengebrauch von Bundesbeamten verletzt wurde. Martinez wurde ins Krankenhaus eingeliefert und wieder entlassen. Sie und Anthony Ian Santos Ruiz, 21, sind nachfolgend von der Bundesstaatsanwaltschaft wegen „gewaltsamen Angriffs, Bedrohung und Störung eines Bundespolizeibeamten“ angeklagt worden. Kein Beamter wurde wegen der Schüsse auf Villegas-Gonzalez oder Martinez belangt.

Wie bei der Tötung von Villegas-Gonzalez sollte keine der Behauptungen, die das Heimatschutzministerium DHS nach dem Vorfall vom Samstag aufstellte, für bare Münze genommen werden. Obwohl die ICE behauptet, dass die Beamten gezwungen waren, auf Martinez zu schießen, weil sie angeblich eine „halbautomatische Waffe“ bei sich trug, bezieht sich keine der von der Bundesanwaltschaft am Montag erhobenen Anklagen auf Schusswaffenbesitz oder -einsatz. Das DHS behauptet, Martinez und Ruiz hätten die Beamten mit ihren Fahrzeugen „behindert“, doch Augenzeugen berichten, die Beamten hätten zuerst ihre Fahrzeuge eingesetzt, um den Kontakt zu erzwingen. Nach der Schießerei kam es zu einem mehrstündigen Protest von empörten Anwohnern, die sich schwer bewaffneten Schlägern der Regierung entgegenstellten.

Vor diesem Hintergrund ist Trumps neue Weisung, die Truppen der Nationalgarde von Illinois zum „Schutz von Bundespersonal und -eigentum“ einzusetzen, praktisch eine Erklärung von Militäroperationen gegen eine amerikanische Stadt, die bereits von Truppen der Bundeseinwanderungsbehörde besetzt ist.

Die Formulierung des Befehls – „die regulären Streitkräfte reichen nicht aus, um die Vollstreckung der Bundesgesetze in Illinois zu gewährleisten‘ – ist ein direktes Echo auf die rechtlichen Begründungen, die für die Inkraftsetzung des Insurrection Act verwendet wurden. Es ermächtigt den Kriegsminister, Einheiten der Garde „für 60 Tage“ zu entsenden, um ICE-, FPS- (Federal Protective Service) und DHS-Einrichtungen zu sichern und „Operationen zu schützen, die durch Demonstrationen gestört werden könnten“.

Bundesbeamte machen Gebrauch von Schusswaffen, geben falsche Presseerklärungen heraus und terrorisieren Einwandererviertel. Vor diesem Hintergrund stellt diese Anordnung eine Vertuschung dar, und zwar wird ein militarisierter Angriff auf die Menschen in Chicago vertuscht.

Die Demokratische Partei wiederum reagiert auf Trumps vorschreitenden Griff zur Diktatur, indem sie alles tut, was in ihrer Macht steht, um die Opposition zu unterdrücken und sie hinter die eigenen Reihen und die korrupten Gerichte zurückzuleiten. In einer Pressekonferenz am Montag sagte der Gouverneur von Illinois, J. B. Pritzker, die Trump-Regierung schaffe „einen Vorwand, um sich auf das Aufstandsgesetz zu berufen, damit er das Militär in unsere Stadt schicken kann“. Pritzker sagte, er wisse nicht, warum Trump Chicago als „Höllenloch, als Kriegsgebiet“ darstelle, und sagte: „Er tut dies aus irgendeinem unausgesprochenen Grund.“

Wie die World Socialist Web Site erklärt, handelt Trump „nicht auf eigene Faust … er vertritt die Interessen der Unternehmen und der Finanzoligarchie“. Und weiter:

Die amerikanische herrschende Klasse ist sich der existenziellen Krise des kapitalistischen Systems sehr bewusst, und sie hat große Angst davor. Sie ist sich bewusst, dass die Staatsverschuldung – die sich mittlerweile auf fast 40 Billionen Dollar beläuft – untragbar geworden ist.

Die Oligarchen sind überzeugt, dass ein massiver Angriff auf den Lebensstandard und sogar auf das Leben der Arbeiterklasse notwendig ist.

Die Demokratische Partei ist ebenso wie die Republikaner eine Partei der Wall Street und des militärisch-industriellen Komplex. Sie haben weitaus mehr Angst vor einer Massenbewegung gegen das gesamte verrottete System als vor der Machtübernahme durch eine faschistische Regierung in Amerika.

Aus diesem Grund sagen Pritzker und andere – so etwa der von den Democratic Socialists of America unterstützte Bürgermeister von Chicago, Brandon Johnson, der Abgeordnete Jesus „Chuy“ Garcia und der Präsident des Cook County Board, Toni Preckwinkle – während der Pressekonferenz am Montag nichts darüber, wie Trump grundsätzlich zu stoppen ist.

Keiner von ihnen fordert den Kongress auf, den Präsidenten abzusetzen wegen seiner Usurpation lokaler Befugnisse und seiner Drohungen, das Aufstandsgesetz anzuwenden. Stattdessen kündigen die Demokraten an, gegen Trumps diktatorische Pläne Klage vor Gericht einzureichen.

In einer Anhörung am Montag im Dirksen Federal Courthouse in Chicago weigerte sich die US-Bezirksrichterin April Perry, die von Trump angeordnete Entsendung von 300 Mitgliedern der Nationalgarde und von bis zu 400 Soldaten der texanischen Nationalgarde nach Chicago sofort zu blockieren. Perry sagte, sie werde der Trump-Regierung bis Mittwoch um Mitternacht Zeit geben, um auf die Klage zu antworten; die erste Anhörung ist für Donnerstag angesetzt.