Junge Menschen, besonders der sogenannten Gen Z, werden häufig als verweichlicht bezeichnet, von manchen gar als „Snowflakes“ beschimpft. Ältere unterstellen der Generation immer wieder extrem sensibel, verletzlich und wenig robust zu sein. Wie ein Schneeflöckchen scheinen sie bei der kleinsten Hürde im Leben dahin zu schmelzen.

Junge Menschen sind psychisch belasteter als früher

Aber ist das wirklich so? Und ja, viele Studien zeigen, junge Menschen sind heute psychisch belasteter als frühe noch. Wahr ist aber auch, dass sie derzeit zwischen Pandemie, Krieg, Klimakrise und schlechter wirtschaftlicher Lage aufwachsen.

Wie blicken junge Menschen aus Baden-Württemberg auf das aktuelle Zeitgeschehen? Was sind ihre größten Sorgen, was ist ihnen wichtig? Vier Professoren der Universität Stuttgart vom Institut für Erziehungswissenschaft und dem Institut für Sozialwissenschaften untersuchen im Rahmen der Jugendstudie alle zwei Jahre, wie es jungen Menschen in Baden-Württemberg geht und was sie umtreibt. Ausgehend von ihren Forschungsschwerpunkten nehmen die Wissenschaftler dabei unterschiedliche Perspektiven auf junge Menschen ein.

„Zeig‘ mir deine Jugend und ich sage dir, in welcher Gesellschaft du lebst.“ Jugendliche und junge Erwachsene seien wie ein Seismograph für die Stimmung in der Bevölkerung. Daher sei es essenziell, die Lebenswirklichkeit, Wünsche und Befindlichkeiten von Jugendlichen zu kennen und die Jugendpolitik daran auszurichten, heißt es von den Studienautoren.

Das Ergebnis ist vielschichtig: Die psychische Gesundheit von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren ist schlechter geworden, sagt André Bächtiger, Leiter der Abteilung Politische Theorie und Empirische Demokratieforschung. Die Ursachen dafür könne man nicht mehr nur auf Corona zurückführen, es sei vielmehr ein länger anhaltender Trend.

Steigende Preise und die weltweite Bedrohungslage machen Angst

Seine Kollegin Susanne Vogl, Professorin für Soziologie, sagt dazu: „Die Anzahl derer, die sich nie oder fast nie Sorgen machen, ist unter ein Prozent gesunken – im Vergleich waren es 2022 noch knapp 20 Prozent.“ Die größten Ängste der Jugendliche sind laut der Jugendstudie steigende Preise (64 Prozent), Krieg und die weltweite Bedrohungslage (61 Prozent) sowie später keine Arbeit zu finden (49 Prozent).

Vogl sagt, Belastungen seien durchaus erkennbar und die zeigten sich vor allem bei Mädchen und jungen Frauen: wie überanstrengt zu sein, unruhig zu schlafen, sich niedergeschlagen zu fühlen. Gleichwohl seien die durchschnittlichen Werte für Glücklichsein und das-Leben-genießen insgesamt vergleichbar hoch. Im Vergleich zu 2022 waren Jugendliche im Jahr 2024 in Baden-Württemberg sogar etwas häufiger glücklich.

Auch die COPSY-Studie des UKE und schulpsychologische Dienste melden seit Jahren steigende Belastungen – von Ängsten bis zu Essstörungen, besonders bei Mädchen. „Junge Menschen verbringen teils ihre Freizeit isolierter, hängen einfach nur rum oder sind nur über digitale Tools in Kontakt“, sagt die Professorin Christine Sälzer, Leiterin der Abteilung für Pädagogik. „Das wirkt oberflächlich wie Gemeinschaft, ist aber oft eine einsame Erfahrung.“ Was Sälzer besorgt ist, dass vor allem junge Mädchen, die von hohen Belastungen sprechen und zudem häufiger in der Schule fehlen.

Früher wurden psychische Probleme oft verschwiegen. Im Kontext der Universität etwa sprechen Studierende heute offener über Prüfungsängste oder Depressionen – und können mit ärztlicher Diagnose Nachteilsausgleiche beantragen und Unterstützung erhalten. Sälzer findet das an sich gut, auch weil man heute eben über viele Belastungen und Störungsbilder wie ADHS oder Autismus besser Bescheid wisse und diese offener thematisiert werden.

Viele achten stärker auf ihre psychische Gesundheit

Jugendliche seien im Hinblick auf ihre psychische Gesundheit stärker sensibilisiert und gleichzeitig sei die wahrgenommene gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Belastungen aus Sicht von jungen Erwachsenen gestiegen, sagt Vogl.

Geht es Jugendlichen also heute schlechter als es jungen Menschen noch vor zehn bis zwanzig Jahren ging? Das findet Christine Sälzer gar nicht so relevant: „Es geht darum, jungen Menschen zuzuhören, ihre Ängste ernst zu nehmen und ihnen nicht einfach zu sagen, sie sollen sich nicht so anstellen.“

Dies betrifft etwa auch die Frage der Berufswahl, die bereits im Jugendalter eine Rolle spielt. Kristina Kögler erforscht als Berufspädagogin die Entwicklung beruflicher Interessen und Identität von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Über 70 Prozent der befragten Jugendlichen äußern bereits konkrete Wunschberufe. Die beruflichen Interessen seien insgesamt breit ausdifferenziert.

Es sei aber festzustellen, dass Mädchen soziale und künstlerische Tätigkeiten als etwas interessanter einstufen, während Jungen eher an unternehmerischen und handwerklichen Tätigkeiten interessiert seien. Unterstützung werde insbesondere von sozialen Bezugspersonen in Familie und Freundeskreis in Anspruch genommen, dabei gebe es aber noch großes Potenzial für schulische und außerschulische Unterstützungsinstanzen.

Der Politikwissenschaftler Bächtiger sieht hinter vielen Ängsten von Jugendlichen einen sehr realen Hintergrund. Was ihn besorgt ist, dass sich junge Menschen für gesellschaftliche und politische Themen interessieren, ihren eigenen Einfluss aber wiederum als sehr gering einschätzen. „Es fehlt das Vertrauen in politische Institutionen“, sagt Bächtiger.

Viele befürworteten unabhängig von ihrem schulischen Hintergrund zwar die Demokratie als Staatsform, seien aber mehrheitlich unzufrieden, wie die Politik aus ihrer Sicht aktuell funktioniere. Die Unzufriedenheit mit der Politik stieg laut der Umfrage binnen zwei Jahren von 42 auf 57 Prozent.

Unsere Gesellschaften sind liberaler geworden

Insgesamt sieht Bächtiger manche aktuelle gesellschaftliche Entwicklung aber gelassener als es so manche Menschen in sozialen Netzwerken oder in Kommentarspalten tun. „Der große Trend ist, dass Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten liberaler und toleranter geworden sind“, betont er. Derzeitige Backlashes sind aus seiner Sicht nicht unbedingt lang anhaltende Trends. „Jede Neuerung fordert immer auch Widerstände heraus“, so der Politikwissenschaftler.

Insgesamt seien die meisten jungen Menschen aus seiner Sicht politisch doch gemäßigt. Dies habe auch die für Baden-Württemberg repräsentative Studie ergeben. „Die große Mehrheit ist nicht extrem. Von der hört man nur nicht so viel“, so Bächtiger und ergänzt: „Aber genau diejenigen muss man mehr mobilisieren.“ Menschen, die sich vom demokratischen Diskurs schon völlig entkoppelt hätten, hole man vermutlich nicht mehr zurück. „Zumindest nicht mit den klassischen Methoden.“

Jugendliche und junge Erwachsene müssen sich einbringen können

Sälzer sieht es vor diesem Hintergrund durchaus als positive Entwicklung an, dass es in Baden-Württemberg einen Landesjugendbeirat und eine Landesjugendkonferenz gibt, bei dem sich junge Menschen mit ihren Wünschen und Vorstellungen für die Gesellschaft einbringen können.

Bächtiger fragt sich wiederum, wie die aktuelle Unzufriedenheit mit der Politik überwunden werden könnte. „Wie müssten wir Politik machen, dass es allen besser geht?“ Die Antwort auf diese Frage sei schwierig.

In Skandinavien und in seinem Heimatland, der Schweiz, sind Bürger laut Bächtiger deutlich zufriedener mit Politik. Dabei würden in Deutschland im Schnitt deutlich mehr als 50 Prozent der Wahlversprechen tatsächlich eingelöst – weit mehr, als viele glaubten.

Viele Abgeordnete arbeiteten hart, aber es komme bei den Wählern nicht an. „Wähler sehen nur die großen Versprechen, die vermeintlich nicht erfüllt werden. Und das prägt das Image“, ergänzt er.

Das Fazit der vier ist dennoch kein negatives: Belastungen hätten zugenommen, ja; Social Media verändere das Miteinander und das Erleben von jungen Menschen sehr, aber die große Mehrheit sei weder extrem in ihren politischen Einstellungen noch blicke sie hoffnungs- oder gar mutlos auf das aktuelle Zeitgeschehen, so das ihr Fazit.