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70 Jahre Flughafen. 70 Jahre, in denen Hans Rudolf Wöhrl hier ein- und ausgeht. Eine Zeit voller Höhen, aber eben nicht nur. Im Interview geht Nürnbergs berühmtester Pilot in die Tiefe.

Hans Rudolf Wöhrl kennt den Nürnberger Flughafen seit seiner Kindheit – und hat ihn mit seiner Airline NFD maßgeblich geprägt. Im Interview blickt der 77-Jährige zurück auf die spannenden Jahre der Fliegerei, erzählt von seinem ersten Alleinflug – und davon, warum kleine Flughäfen mehr Freiheit brauchen.

t-online: Herr Wöhrl, der Nürnberger Flughafen feiert 70-jähriges Bestehen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie heute hierherkommen?

Hans Rudolf Wöhrl: Ich erinnere mich noch genau an die Eröffnung. Mein Vater sagte: „Komm, wir fahren nach Nürnberg, da eröffnet ein neuer Flughafen.“ Die Bäume hinter dem Rollfeld waren damals so niedrig, die ragten kaum über den Zaun. Heute sind sie richtig stattlich geworden. Und wissen Sie, damals trennte nur ein Jägerzaun die Besucher vom Vorfeld und die Passagiere durften einfach zum Flugzeug laufen. Das war für mich als Kind unfassbar eindrucksvoll. Ich hatte schon immer eine Affinität zur Fliegerei.

Was schätzen Sie am Nürnberger Flughafen?

Dass er der beste ist. Die Erreichbarkeit ist sensationell. U-Bahn, Bus, Auto – kein Vergleich zu München oder Frankfurt. Nur die Flughafenstraße, die einzige Zufahrtsstraße, ist armselig. Und: Der Flughafen strahlt Herzlichkeit aus. Die Nürnberger sind stolz auf ihn. Ich erinnere mich noch, als die ersten Jets kamen, der Jumbo-Jet, die Concorde, da war das Gelände voll.

Aber es gibt schon auch kritische Stimmen. Zum Thema Lärmschutz zum Beispiel.

Mein Schlafzimmer liegt direkt in der Einflugschneise. Klar hört man was. Aber früher – wenn die Postmaschine kam – da haben die Fenster gewackelt! Heute ist jedes Moped lauter. Wer absolute Ruhe will, der darf nicht in der Zivilisation wohnen.

Was fasziniert Sie so an der Fliegerei?

Es ist eine Bewegung in der dritten Dimension. Wir Menschen können laufen, wir können schwimmen, aber nicht fliegen. Und dann diese Flugzeuge: Hunderttausend Liter Sprit, Hunderte Menschen an Bord, Tonnen von Gepäck. Faszinierend, mit welcher Leichtigkeit dieses Ding in die Luft abhebt.

imago images 150976716Hans Rudolf und Dagmar Wöhrl. (Quelle: VISTAPRESS / G. Chlebarov via www.imago-images.de/imago)

Hans Rudolf Wöhrl ist 1947 in Nürnberg geboren. Der 77-Jährige hat vier Kinder. Er ist mit Dagmar Wöhrl verheiratet, der früheren CSU-Bundestagsabgeordneten und ehemals Miss Germany und heute TV-bekannt. Wöhrl sagt von sich selbst, zwei Leben zu führen – eines in der Modewelt, in die er hineingeboren wurde, und das andere in der Luftfahrt.

Welcher Moment ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben in Ihrem Fliegerleben?

Der erste Freiflug. Als mein Lehrer plötzlich sagte: „Stopp, halt mal“, die Tür aufmachte und dann „Tschüss!“ Das vergisst man nie. Aber auch mein erster Atlantikflug – 1969 mit der King Air – war einschneidend. Eine Propellermaschine, keine GPS-Navigationstechnik wie heute und Funkgeräte mit nur geringer Reichweite. Fünf Stunden überm Wasser, das kann sehr lang sein. Und langweilig.

Wirklich? Fliegen kann auch langweilig sein?

Ja. Langstreckenflüge, die waren nie so meins. Du sitzt da, schaust auf Bildschirme. Für mich war die Zeit beim ADAC die spannendste. Als ich 15 Jahre lang Kranke und Menschen nach schweren Unfällen transportiert habe. Da hast du ein großes Flugspektrum, bist an exotischen Flughäfen und hast das Gefühl, Menschen zu helfen, etwas Besonderes zu tun.

Was war der extremste Einsatz?

In Libyen ist ein Bauarbeiter auf ein Eisen gefallen. Das ragte vorne aus dem Körper raus. Die vor Ort waren vernünftig, haben’s mit der Flex abgetrennt, aber richtigerweise den Rest stecken lassen. Wir haben den Mann aufgenommen, ihn dann aber in Italien in ein geeignetes Krankenhaus bringen lassen. Er hätte es nicht bis nach Deutschland geschafft.

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Das gibt gut Adrenalin, das kann ich Ihnen sagen.

Hans Rudolf Wöhrl über Triebwerk-Explosion

Klingt dramatisch. Gab’s mal eine Situation, in der es brenzlig für Sie selbst wurde?

Einmal. Da ist ein Triebwerk im Flug explodiert. Zwar im Simulator häufig trainiert, aber wenn es dann im echten Leben passiert: Das gibt gut Adrenalin, das kann ich Ihnen sagen.

Wie hat das bei Ihnen angefangen mit der Fliegerei?

Mein Vater machte dem Fliegerclub eine Spende für den Bau eines Segelflugzeuges. Dafür durfte ich als Kind mal mitfliegen – über Roth war mein allererster Flug, das weiß ich noch genau. Von da an habe ich dann angefangen, mich mit der Fliegerei zu beschäftigen. Fliegen war für mich immer ein Traum. Mit 21 hatte ich meinen Pilotenschein. Ich war der schnellste Schüler, den der Aero Club je hatte. Keine drei Monate hat das gedauert.