Für die Nutzung der gerade entstehenden Flüchtlingsunterkunft an der Warfer Landstraße in Borgfeld wird Bremen dem Eigentümer über einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als sechs Millionen Euro an Miete überweisen. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP in der Bremischen Bürgerschaft hervor. Die Freidemokraten baten darin um Details zur Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Rechtmäßigkeit des Bauprojekts „Neues Borgfelder Landhaus“. Kritiker ziehen diese in Zweifel.
Sie befürchten, Bremen könnte sich aus Mangel an Alternativen vorschnell auf einen Investor festgelegt und diesem Zugeständnisse gemacht haben. Dem widerspricht der Senat. Es habe Anfang März 2023, als der Mietvertrag zwischen Investor und Stadt unterzeichnet worden sei, eine „außergewöhnliche Dringlichkeit“ bestanden, die eine Auftragsvergabe ohne Wettbewerber ermöglicht habe. Zuvor sei das Projekt jedoch auf seine Wirtschaftlichkeit hin bewertet worden, heißt es.
Senat: Obdachlosigkeit vermeiden
Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei die Zahl der Flüchtlinge sprunghaft gestiegen. Der Senat habe sich vor dem Hintergrund des gesetzlich vorgegebenen Unterbringungsauftrages gezwungen gesehen zu handeln, um die Obdachlosigkeit der hilfesuchenden Menschen jetzt und in Zukunft zu vermeiden. Das Sozialressort habe dazu sämtliche bekannten Wohnraumangebote und verfügbaren Flächen geprüft. Die politischen Gremien seien umfassend eingebunden worden, die nötigen Mittel stünden im städtischen Haushalt zur Verfügung. Das geplante Gebäude in Borgfeld sei „nur eine von mehreren Anmietungen“ durch die Stadt.
Diese Anmietungen müssen bezahlt werden, so auch in Borgfeld. Die Kosten für Miete, Nebenkosten und Ausstattung des Borgfelder Übergangswohnheims belaufen sich über die gesamte Mietdauer von zehn Jahren auf rund 6,2 Millionen Euro, teilt der Senat mit. Das seien rund 240.000 Euro weniger, als vom Senat im Juni 2022 genehmigt. Pro Monat bezahle die Stadt für die 35 geplanten Wohnungen inklusive Nebenkostenpauschale (5000 Euro) rund 49.500 Euro. Die Mietkonditionen seien auf der Grundlage von „Vergleichswerten anderer Einrichtungen im Bremer Unterbringungssystem“ verhandelt worden. Maßgeblich seien insbesondere die Größe der Apartments, die bauliche Gestaltung sowie der Standort Borgfeld mit seiner „guten Infrastruktur“ gewesen. Die Senatsantwort nennt in diesem Zusammenhang Schulen, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten und den ÖPNV. Eine Mietzahlung erfolge „erst ab Übergabe der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand“.
In Borgfeld habe man sich zudem an der Größe der Apartments orientiert, die bauliche Ausgestaltung und den „Standort Borgfeld mit seiner guten Infrastruktur“, wie Schulen, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten und die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Ausstattung der Wohnungen mit Möbeln, Waschmaschinen und Textilien soll „größtenteils aus Lagerbeständen“ erfolgen, die im laufenden Betrieb angeschafft werden. Für Inventar wie rollstuhlgerechte Küchen, Technik, die Sanitärausstattung und eine elektronische Schließanlage entstehen laut Senat Kosten in Höhe von zusätzlich rund 265.000 Euro.
Diesen Entwurf vom neuen Borgfelder Landhaus hat das Architekturbüro veröffentlicht.
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Die nachträglich von den Behörden eingeforderten Auflagen zum Schutz vor Hochwasser haben laut Senat keinen Einfluss auf die Höhe der Kosten. Die Pläne waren entsprechend den rechtlichen Vorgaben angepasst worden – mit Folgen für die Gestaltung. Das ursprünglich geplante, von der Hauptstraße sichtbare Gebäude, das optisch an das alte Traditionsgasthaus Borgfelder Landhaus erinnern sollte, wird es nun nicht mehr geben. Geplant sei ein Gesamtgebäude, da mehr Abstand zum Deich gehalten werden müsse.
Klage vor dem Verwaltungsgericht und Petition
Ein gegen das Bauvorhaben eingereichter Widerspruch sei inzwischen mit einem Bescheid beendet worden, so der Senat. Erledigt ist die Sache damit noch nicht, denn die Widerspruchsführer haben Klage vor dem Verwaltungsgericht Bremen erhoben. Zudem befinde sich eine Petition im Verfahren. Anfang Juli hatte der Borgfelder Heiko Markwart den Senat aufgefordert, die erteilte Baugenehmigung zu widerrufen, weil diese aus seiner Sicht gegen gültiges Baurecht verstößt. Darüber hinaus plane der Investor für eine so dicht besiedelte Gegend zu groß – spare jedoch bei der Bereitstellung der nötigen Infrastruktur, wie zum Beispiel Autostellflächen.
Der Senat hingegen betont, das geplante Gebäude sei zulässig. Es werde zur Umgebung passen und das Ortsbild nicht verschandelt, wie von einigen befürchtet. Gestalterische Kniffe, wie zurückgesetzte Fassadenteile, werden nach Ansicht der Behörden dazu führen, dass das Gebäude nicht so lang und wuchtig wirkt, wie angenommen.
Die Arbeiten an der Warfer Landstraße gehen unterdessen voran. 18 Monate Bauzeit sind eingeplant. Demnach müsste das Übergangswohnheim im März 2027 fertig sein.