Mark Rackles (SPD) soll heute von der Bürgerschaft zum neuen Bremer Bildungssenator gewählt werden. Dann wird der 59-jährige Berliner Sascha Aulepp (SPD) im Amt ablösen. Rackles gilt als erfahrener Bildungsexperte – in Bremen gibt es für ihn mit Blick auf Kitas und Schulen einiges anzupacken. Diese fünf Themen dürften den neuen Senator bald in besonderem Maße umtreiben.
Eine Herausforderung, die bleibt: Inklusion
Bremen feiert sich gern als Vorreiter der Inklusion. Doch was politisch gewollt ist, besteht nach mehr als anderthalb Jahrzehnten noch immer nicht den Praxistest. Wirklich gut funktioniert die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf in das Regelschulsystem zu häufig nur auf dem Papier. An allen Ecken und Enden fehlen sonderpädagogische Fachkräfte, noch nicht einmal ungelernte Assistenzkräfte sind in ausreichendem Maß vorhanden. Manche Experten verkünden sogar schon das Ende der Inklusion. Dennoch erfreut sich die inklusive Grundidee einer breiten Unterstützung unter den Akteuren im Bildungswesen. Der neue Senator muss deshalb keine Überzeugungsarbeit leisten, wohl aber dafür Sorge tragen, dass die Inklusion auch hält, was sie verspricht.
Ein Quell der Unzufriedenheit: die Arbeitszeiterfassung
Rein rechtlich ist die Lage seit Jahren klar, auch die Arbeitszeit der Lehrkräfte muss erfasst werden. Keiner weiß das besser als der neue Bildungssenator, der dazu ausgiebig geforscht hat. Seine Lösung: Schluss mit dem Deputat, her mit der Jahresarbeitszeit. Die bisherigen Pflichtstunden sollen abgelöst, Überstunden per Arbeitszeitkonten ausgeglichen werden. Deshalb verknüpft sich mit seinem Amtsantritt auch die Hoffnung, dass seine Handschrift deutlich erkennbar wird. „Mit Rackles als Senator könnte Bremen zum bundesweiten Vorreiter bei der Reform der Lehrerarbeitszeit werden“, sagt Bildungsforscher Helmut Zachau. Optimistische, fast euphorische Töne sind auch vom Personalrat Schulen zu hören, den Rackles zu einer Behördenrunde über die Zukunft des geplanten Pilotprojekts zur Arbeitszeit hinzugebeten hat. „Herr Rackles kommt nach Bremen, um seine Vorstellungen von Lehrerarbeitszeit umzusetzen“, freut sich Personalratschef Jörn Lütjens. Vielleicht findet dann auch die juristische Auseinandersetzung zwischen Personalrat und Senat ein Ende. „Die Klage läuft, da muss man mal gucken“, so Lütjens.
Eine Großbaustelle: der Ganztagsausbau
Der Rechtsanspruch auf Ganztag kommt, da gibt es nichts zu rütteln: Ab August 2026 haben Erstklässler ein Recht darauf, bis 2029 dann alle Grundschulkinder. Bisher haben in Bremen zwei von drei Grundschülern einen Ganztagsplatz. Und selbst wenn nur 80 Prozent der Eltern eine Nachmittagsbetreuung wollen, was die Behörde annimmt, bleibt in Bremen viel zu tun. Zuletzt war noch an 31 von 84 Grundschulen der Stadt um 13 Uhr Schulschluss. Geplant ist, dass alle Grundschulen auf Ganztag umstellen. Dafür werden zum Beispiel Mensen gebraucht, aber auch Personal – insbesondere Erzieher, die schon in den Kitas heiß begehrt sind.
Und der Ganztagsausbau reiht sich ein in den generellen Schulausbau, bei dem es immer wieder knirscht. In vielen Stadtgebieten werden die Schulen immer voller. Und neue Schulbauten kommen oft später, als sie gebraucht werden. Rackles war Leiter der Berliner Taskforce Schulbau – und auch wenn in Bremen zuletzt eine eigene Bildungsbau-Gesellschaft gegründet wurde, wird ihn der Schulausbau sicher weiter umtreiben.
Ein Sorgenkind: die Betreuungsquote in Kitas
In der frühkindlichen Bildung hat das Land Bremen 2025 aufgeholt: Erstmals wurde allen angemeldeten Kindern ein Platz in einer Kita angeboten, einzelne Kitas haben freie Plätze. Bei der Betreuungsquote verharrt Bremen im Ländervergleich dennoch auf dem letzten Platz. Weit entfernt von einer Vollversorgung sind etwa Stadtteile wie Gröpelingen und Blumenthal. Viele Eltern melden ihre Kinder dort nicht zur Kita an, auch wenn eine möglichst frühe Sprachförderung für sie wichtig wäre.
Zugleich arbeiten bundesweit und in Bremen immer weniger Fachkräfte in den Kitas. Laut Bildungssenatorin Aulepp fehlen in Kitas und Ganztagsschulen Erzieherinnen mindestens im hohen dreistelligen Bereich. Um auch gering qualifiziertes Personal flexibler einzusetzen, hat die Senatorin für einen Zeitraum von fünf Jahren das Bremische Kita-Gesetz geändert. Bremen ist für viele Fachkräfte nur eine Durchlaufstation: Nur jede dritte Erzieherin bleibt dauerhaft in Bremen, unter anderem, weil sie mit den Arbeitsbedingungen und der Betreuungsqualität unzufrieden ist. Umstände, die Rackles dringend verbessern müsste.
Eine Daueraufgabe: Sprachförderung
Jedes zweite Vorschulkind im Bundesland Bremen hat große sprachliche Probleme. 2024 ergab der Primo-Test vor dem letzten Kindergartenjahr, dass vor allem Kinder in Gröpelingen, Blumenthal und Huchting keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben. Gründe sind der wachsende Anteil von Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, weniger sprachlicher Austausch und ein geringes Bildungsniveau in den Elternhäusern. Das Kita-Brückenjahr ein Jahr vor der Einschulung soll Kindern mit Sprachförderbedarf, die zuvor nicht in der Kita waren, ermöglichen, Sprachdefizite aufzuholen. Ein Problem bleibt die Finanzierung: Das Land Bremen hatte bei der Sprachförderung bis 2023 vom Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ profitiert, das vom Anschlussprojekt „Sprach-Kita 2.0“ abgelöst wurde, aber projektbezogen und befristet ist. Der Vorstand der Evangelischen Kitas plädierte dafür, die Ressourcen für Sprachförderung verstetigt in die Kita-Finanzierung aufzunehmen. Aulepp pflichtete ihm bei. Wie wird Rackles diese Aufgabe angehen?