Horizontaler Chromosomentransfer steigert Schädlichkeit von Pilzen
Wichtige Grundlagen für die Unterstützung im Rahmen des Noether-Programms bilden Barragáns Forschungserfolge während ihrer Postdoc-Tätigkeit im Sainsbury Laboratory: Ihr gelang erstmals für diese Pilzart der Nachweis, dass der Nutzpflanzen befallende M. oryzae vollständige Chromosomen von verwandten, aber auf Wildgräsern lebenden Pilzen empfangen und so seine Schädlichkeit steigern kann. Mit diesem horizontalen Transfer von Genen beziehungsweise ganzen Chromosomen ist die Weitergabe genetischer Informationen nicht von Eltern an Nachkommen, sondern zwischen bereits existierenden Organismen gemeint.
Einzellige Mikroorganismen wie Bakterien tauschen auf diese Weise ganze Genpakete aus, um sich schnell an neue Umweltbedingungen anzupassen. Bei Pilzen hingegen ist dieser Prozess bisher wenig untersucht, findet aber zunehmend wissenschaftliche Beachtung – an der CAU zum Beispiel bei der Erforschung der Genomevolution von mikrobiellen Pflanzenpathogenen im Kiel Plant Center (KPC) im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science (KLS). „Dieser erste Nachweis eines horizontalen Chromosomentransfers beim Reisbrandpilz verändert grundlegend das wissenschaftliche Verständnis darüber, wie pflanzenschädliche Pilze genetische Grenzen überwinden können, um sich an ihre Umwelt anzupassen und ihnen so zum Beispiel das Befallen ihrer Wirtpflanzen zu erleichtern“, ordnet Barragán die Bedeutung ihrer bisherigen Forschungen ein.
Neue Pilzpathogen-Forschungsgruppe in der CAU-Phytopathologie
Barragáns Emmy Noether-Gruppe wird mit einer Kombination von Ansätzen aus der Molekulargenetik, Chromatinbiologie, Pflanzenpathologie, Genomik und Evolutionsbiologie arbeiten. Diese transdisziplinäre Methodik, so Barragán, helfe dabei, neue Erkenntnisse über die schnelle Evolution von pflanzenschädlichen Pilzen zu sammeln. Konkret geht es in dem geplanten Forschungsprogramm darum, drei zentrale Fragen zu beantworten:
- Welche Rolle spielen die übertragenen Chromosomen für die evolutionäre Anpassung und Pathogenität von M. oryzae?
- Welche molekularen Mechanismen liegen dem Chromosomentransfer zwischen artfremden Pilzen zugrunde?
- Welchen Einfluss übt der horizontale Gentransfer zwischen verschiedenen Pilzpathogenen auf die langfristige Evolution von Pflanzenkrankheiten aus?
Dadurch sollen insgesamt Einblicke in die Plastizität des Pilzgenoms als Grundlage der schnellen evolutionären Anpassungsfähigkeit gesammelt werden. Langfristig werden die neuartigen Erkenntnisse in die Entwicklung neuer Strategien für einen verbesserten Pflanzenschutz und die erhöhte Widerstandsfähigkeit von Nutzpflanzen gegenüber schädlichen Pilzen einfließen.
Barragáns nun eingeworbene Forschungsgruppe wird eng mit Remco Stam, Professor für Phytopathologie an der CAU und Mitglied im KPC, zusammenarbeiten und so an der CAU ein fruchtbares Umfeld für diese ambitionierte Forschung finden. Das Emmy Noether-Programm stattet erfolgreiche Nachwuchsforschende mit idealen Voraussetzungen aus, um sich mit dem Aufbau eines eigenständigen Forschungsprofils in einer unabhängigen Arbeitsgruppe auf eine künftige Professur vorzubereiten.