Surprise, Surprise, wie die Amerikaner sagen. Da hat sich doch jemand mit Mitte 50 in seinem neunten Solo-Programm noch mal neu erfunden, mit einer 15 Jahre alten Bühnenfigur, und das funktioniert tatsächlich so grandios, dass es am Ende Standing Ovations im Lustspielhaus gibt. In Luise Kinsehers neuem Programm „Mary from Bavary – Endlich solo!“ gibt ihr stets dezent angeschickertes Alter Ego ein gar wunderbares Comeback, nicht wie so oft als eine von vielen Figuren, sondern als Protagonistin.
Ist die Welt also gerade nur noch mit Alkohol zu ertragen? Iwo, dafür trägt die Lady in der Kittelschürze viel zu viel Lebenslust in sich, steht mit beiden Beinen in der Welt, lässt sich nicht vom Weg abbringen. Und sie glaubt an die Liebe, die Menschen und die Freude im Leben. Ihre Botschaft: bloß nicht aufhören, an die große Liebe zu glauben!
Das erzählt uns eine Frau, die im Mai in den Hafen der Ehe eingebogen ist, in einem Alter, „in dem sich andere eher scheiden lassen“. Unmittelbare Folge der Heirat: Die Kinseher tritt kürzer – und lässt die Mary ran. „Warum eigentlich nicht?“, fragt sie in Glitzer-Jeans und Seidenbluse. Sie gehe mit ihrem Mann jetzt mal essen, hinterlasse der Mary aber eine thematische Guideline in Form von ein paar Moderationskärtchen, an denen sie sich inhaltlich festhalten möge, damit nicht alles aus dem Ruder laufe – was es natürlich doch tut.
Zur Melodie von „It’s raining men“ entert Mary die Bühne, rosa Federboa über der Kittelschürze und rockröhrt „I bin die Mary, yeah!“ Fehlt nur noch die Showtreppe. „Ich bin die Taylor Swift Bayerns, und ihr seid keine Swifties, sondern meine Schwipsies.“ Eine Wohltat für die Mary, nicht wieder als Sidekick, sondern ganz und gar solo auf der Bühne sein zu dürfen. Logisch, dass die den Ansprüchen des politischen Kabaretts verpflichteten Moderationskarten nur spärlich zum Einsatz kommen. Stattdessen geht es um Mary und ihre Männer: „Immer schwierig, das mit der Liebe.“
Die erste große Liebe? Goldhamster Muckel, „ich war vier …“. Es folgen: David Hasselhoff, die Jungs aus der Dorfdisco oder die chinesische Affäre Wan Tan, „mein Reisbällchen aus der Wok-Dynastie“. Alles herrlich überzeichnet, hat aber auch ernste, anrührende Momente. So wie die Mary nicht nur über ein Lama namens Dalai albert, sondern angemessen nachdenklich auch über Platon, Peter Thiel, Kipppunkte und das Idealbild eines Bundeskanzlers spricht. Nach gerade erst überstandener Erkältung singt sie auch wieder, zum Teil im Duett mit ihrem neuen Manager Simon Ernst. Als die beiden zum Finale Furioso auch noch „Time of my life“ schmettern und zu gewagten Dirty-Dancing-Tanzeinlagen ansetzen, geben sie dem Affen endgültig Zucker. Ein großer Spaß.