Cover, Sibylle Berg, "PNR: La bella vita"

Stand: 09.10.2025 06:00 Uhr

Nach „GRM“ und „RCE“ erscheint nun mit „PNR: La Bella Vita“ der Abschluss der Trilogie von Sibylle Berg über eine Welt im Umbruch. „PNR“, wieder ein Akronym im Titel, spielt auf den PNRR, Italiens Nationalen Wiederaufbau- und Resilienzplan, an.

von Nina Wolf, SWR

Italien hat eine neue Hymne, gewählt vom Volk, via App. So läuft es nun in der neuen Welt: Die wichtigen Entscheidungen, etwa über die Verteilung von Wohnraum, fällen die Menschen gemeinschaftlich oder per Los, alles verfügbar in der RCE-App.

Eine Frau liegt auf dem Rücken auf einem dampfenden Podest auf der Bühne

Sybille Bergs „Ein wenig Licht. Und diese Ruhe.“ feiert Premiere am Staatstheater Hannover. In der Hauptrolle: Katja Riemann.

„PNR: La Bella Vita“ beschreibt das Leben nach dem großen Hack

Ein post-revolutionäres Europa beschreibt Sibylle Berg in „PNR: La Bella Vita“. In den Vorgängerromanen „GRM: Brainfuck“ (etwa 700 Seiten) und „RCE: #RemoteCodeExecution“ (um die 800 Seiten) entwarf Berg – Achtung, Kurzfassung – eine kaputte, spätkapitalistische und düstere Technokratie, die nur durch Neustart gerettet werden kann. Die Welt liegt also im Argen – zumindest für alle, die nicht über millionenschweres Vermögen verfügen. In „RCE“ arbeitet eine Gruppe Hacker im Verborgenen gegen das System, am Master-Code. Die Attacke gelingt.

Und nun also „PNR: La Bella Vita“, das schöne Leben: Der letzte Teil der Reihe widmet sich dem Leben nach der Remote Code Execution, nach dem großen Hack. Ein beinahe schlanker Roman mit knapp 400 Seiten. Weil Sibylle Berg mehr Spaß am Schreiben von Weltuntergangsfantasien hat? „Nee, ich liebe den Untergang gar nicht. Ich hatte wahnsinnige Freude daran, das zu beschreiben, wo die meisten kapitalismuskritischen Bücher enden – die enden einfach in einer Kritik“, erklärt Berg.

Buchcover: Sibylle Berg, "Try praying. Gedichte gegen den Weltuntergang“

Die erzählerische Wucht, die Sibylle Berg in ihren Romanen gelingt, funktioniert in ihrem ersten Lyrikband nur mäßig.

93 Vorschläge für das neue Zusammenleben strukturieren den Roman

Das Europa, das Berg in „PNR“ entwirft, ist befreit vom Kapitalismus, von faschistischen Regierungen, von Parteien, von Regierungen überhaupt. Haupthandlungsort des Romans ist Italien. Die Gesellschaft dort ist selbstorganisiert, frei, eben anarchisch: „Die neue Gesellschaftsordnung, die ich mir ausgedacht habe, basiert auf sehr vielen, bereits vorhandenen wissenschaftlichen Denkexperimenten von David Graeber über Wissenschaftlerinnen, die neue Ernährungsformen, neue Formen des Zusammenlebens, der Ökologie erforscht haben.“

93 Vorschläge für das neue Zusammenleben formuliert Berg aus ihren Recherchen; sie strukturieren den Roman, etwa:

Und nun gelten sie wieder: die Menschenrechte.

Leseprobe

Sibylle Bergs radikale Trilogie endet mit Hoffnung

Don, die Ich-Erzählerin in „PNR“, macht Berg zur Chronistin dieser Zeit des Umbruchs. Don erinnert sich oft zurück, an die Zeit vor dem Hack. Vieles kennt man daher schon aus „RCE“ und wiederholt sich. Stilistisch ist das typisch Berg, da lässt sich ein Auge zudrücken. Es gibt Einschübe und Wiederholungen, der Roman ist Collage-artig gebaut, humorvoll, aber immer scharfzüngig.

Mit „PNR: La Bella Vita“ wagt Sibylle Berg etwas: Ihre Anarchie ist keine naive Utopie, sondern ein Versuch, konkrete Vorschläge aus Theorie und Wissenschaft literarisch zu verarbeiten. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, bekommt ein radikales und erstaunlich hoffnungsvolles Finale einer kompromisslosen Trilogie.

Cover, Sibylle Berg, "PNR: La bella vita"

PNR: La Bella Vita

von Sibylle  Berg

Seitenzahl:
416 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Kiepenheuer & Witsch
ISBN:
978-3-462-00380-2
Preis:
26 €

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Romane