In Frankreich können gleichgeschlechtliche Paare erst seit 2021 schon vor der Geburt die gemeinsame Elternschaft anerkennen lassen. Zuvor war es etwa dem nicht gebärenden Teil einer lesbischen Partnerschaft dank des 2013 verabschiedeten „Ehe für alle“-Gesetztes zwar möglich, das Kind nachträglich zu adoptieren, aber bis dahin stand nur die biologische Mutter in der Geburtsurkunde. Es war ein kompliziertes, oft sechs bis 18 Monate dauerndes juristisches Verfahren – und in dieser Zeit stand eine der beiden Frauen quasi ohne elterliche Rechte da.
In ihrem Spielfilmdebüt begleitet die Regisseurin Alice Douard ein Paar, das genau diesen bürokratischen Adoptionsprozess vorbereitet und nach der Geburt durchlaufen muss – inklusive der titelgebenden „15 Liebesbeweise“. Das Ergebnis ist ein authentisch-frustrierender, aber dabei auch erstaunlich leichtfüßiger Film, der zwischen Babybrei, Bürokratie und Beethoven intelligente Fragen über Mutterschaft und Muttersein aufwirft – eingefangen in wohlig-warmen Bildern von Kameramann Jacques Girault.
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Céline (Ella Rumpf) und Nadia (Monia Chokri) erwarten ihr erstes gemeinsames Kind – nur den Ämtern müssen sie ihre Liebe erst noch umständlich beweisen.
Paris im Jahr 2014: Die auch selbst als DJane auflegende Tontechnikerin Céline (Ella Rumpf) erwartet gemeinsam mit ihrer Ehefrau Nadia (Monia Chokri) ihr erstes Kind. Die Entscheidung, wer von ihnen das Baby austragen soll, haben sie ganz pragmatisch getroffen: Mit 37 Jahren ist es für Nadia höchste Zeit, Mutter zu werden, die 32-jährige Céline hat hingegen noch Zeit, über eine spätere Schwangerschaft nachzudenken. Aber während Nadia als biologische Mutter in drei Monaten ihre Tochter gebären wird, muss Céline den zuständigen Ämtern erstmal ihre Eignung als Mutter beweisen. Dafür braucht sie neben offiziellen Dokumenten auch 15 Briefe von Freund*innen und Familienmitgliedern, die ihr bescheinigen, dass sie liebevoll in die Versorgung ihrer Tochter eingebunden ist.
Auch Célines Mutter Marguerite (Noémie Lvovsky) wäre eine wichtige Kandidatin für einen solchen Brief, aber als erfolgreiche Pianistin hat sie sich schon immer mehr um ihre Karriere als um ihre Tochter gesorgt. Trotzdem versucht Céline ihr Glück. Marguerite ist eine gute Beobachterin, erspäht sofort den Ehering und erfährt von Célines Elternschaft. Sie freut sich, Oma zu werden. Doch als sie erfährt, dass Nadia das Kind austragen wird, konfrontiert Marguerite ihre Tochter mit einer schmerzhaften Wahrheit: „Richte ihr meine Glückwünsche aus. Es ist wunderbar, schwanger zu sein.“ Céline ist nicht schwanger – und um Mutter zu werden, muss sie zunächst noch einen kafkaesken Bürokratieirrsinn durchstehen…
15 Liebesbeweise – aber noch viel mehr Fragen
„15 Liebesbeweise“ beginnt mit Nadias Schwangerschaft und endet mit der Geburt ihres gemeinsamen Kindes. Aber bis dahin gilt es für Céline, noch viele Dinge zu klären. Durch das stille, aber eindringliche Spiel von Ella Rumpf („Raw“) spürt man ihre Zweifel und Fragen: Wie wird man überhaupt eine gute Mutter? Und kann sie selbst überhaupt eine werden, wenn doch ihre eigene Mutter meist abwesend war? Wie kann sie Nadia in ihrer Schwangerschaft unterstützen? Was passiert danach? Wie wird ihr gemeinsames Leben mit Kind aussehen?
Es kommt fast einer Erlösung gleich, als Nadia ihr einmal vorschlägt, auszugehen. Dann sind sie beide frei und verlieren sich in der Nacht zu Disclosures „You & Me“. Sie lächeln sich zu. Regisseurin Alice Douard deutet auch eine Sexszene zwischen Céline und der hochschwangeren Nadia an, die Chemie zwischen Ella Rumpf und Monia Chokri überzeugt.
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Marguerite (Noémie Lvovsky) erweist sich als sehr viel empathischer, als ihre Tochter jemals für möglich gehalten hätte.
Schön sind die Gespräche Célines mit einem Freund, der selbst Vater ist: Sie seien ja in einer ähnlichen Situation, da beide das eigene Kind nicht monatelang im Bauch mit sich getragen haben. Ein merkwürdiger, wenn auch naheliegender Gedanke. „15 Liebesbeweise“ trägt keine Bitterkeit in sich, sondern erhält dank des Drehbuchs von Alice Douard und ihren Beraterinnen Julie Debiton und Laurette Polmanss einen liebevollen Ton – mit einem leisen Humor, der meist aus unvermittelten Momenten oder der bürokratischen Steifheit heraus entsteht.
Man spürt einfach, dass Douard weiß, wovon sie erzählt: Sie selbst ist 2018 tief in die Recherche eingestiegen, als sie für die Adoption ihres eigenen Kindes denselben Prozess durchlaufen musste – und dabei die ganz speziellen Tücken des gleichgeschlechtlichen Mutterseins selbst erlebt hat.
Fazit: „15 Liebesbeweise“ porträtiert leise, scharfsinnig und mit viel Wärme die Facetten moderner Mutterschaft.
Wir haben „15 Liebesbeweise“ auf dem Filmfest Hamburg 2025 gesehen.