Wenn es um den künftigen Beruf geht, scheuen die meisten Azubis in der Region Stuttgart das Risiko. Ein sicherer Arbeitsplatz und genügend Freizeit neben dem Job zählen zu den wichtigsten Erwartungen. Das folgert eine Umfrage der IHK Region Stuttgart unter 1300 Auszubildenden in IHK-Berufen, die sich vor allem auf die Werte der 15- bis 25-Jährigen und ihre Zufriedenheit in der Lehre fokussierte.
„Junge Menschen suchen Halt – und können diesen in einer guten Ausbildung finden. Das ist auch eine große Chance für Betriebe, die Sicherheit und Perspektiven bieten“, betonte Andrea Bosch, Leiterin der Abteilung berufliche Bildung und Fachkräfte.
Gesellschaftliches Engagement spielt kaum eine Rolle
Die IHK hatte im Juni und August Vertreter der sogenannten Generation Z – die heute 15- bis 25-Jährigen – befragt und will die Ergebnisse an diesem Donnerstag auf ihrem Kongress „Zukunft Ausbildung gestalten“ präsentieren. Während sieben von zehn Befragten sich einen sicheren Arbeitsplatz und genügend Freizeit wünschten, spielten Wünsche wie „Möglichkeiten, etwas für die Gesellschaft zu tun“, „viele Kontakte zu anderen Menschen“ oder „Möglichkeiten, sich um andere Menschen zu kümmern“ bei der Berufswahl nur für jeden zehnten bis achten Befragten eine Rolle.
Überhaupt steht gesellschaftliches Engagement nicht hoch im Kurs. So glaubt nur ein Viertel der Befragten, die aktuellen Verhältnisse durch ein soziales oder politisches Engagement beeinflussen zu können. Fast zwei Drittel setzt eigene „Ziele und Erfolgsvorstellungen in die Tat“ um. „Junge Menschen setzen stärker auf persönliche Interessen als auf gemeinschaftliches Engagement“, erläutert Vizepräsident Thorsten Pilgrim. „Werte wie politische Teilhabe und Umweltbewusstsein spielen für viele jetzt eine eher untergeordnete Rolle.“
Andrea Bosch wiederum spricht von „Politikmüdigkeit“: „Viele Auszubildende fühlen sich nicht gehört und haben das Gefühl, dass sich nichts bewegt. Hier hat das Ausbildungspersonal eine wichtige Aufgabe zu vermitteln, dass ein soziales Miteinander nicht funktioniert, wenn alle nur auf sich schauen.“
Gute Noten für Ausbildungsbetriebe
Überraschend gut bewerten die Azubis der Region im Allgemeinen ihre Ausbildung: Drei von vier sind mit ihrem Ausbildungsbetrieb zufrieden. Zwei Drittel möchten im erlernten Beruf bleiben, die Hälfte im aktuellen Betrieb. Dazu trägt wohl auch bei, dass nur wenige der Befragten in kleinen Betrieben die Ausbildung machen und von den Möglichkeiten größerer Unternehmen profitieren.
Andrea Bosch sieht „Politikmüdigkeit“ bei jungen Auszubildenden. Foto: IHK
Der Weg in die Lehre ist meist unkompliziert. Sechs von zehn Azubis fiel es laut Umfrage „leicht“ oder „sehr leicht“, den aktuellen Ausbildungsplatz zu finden. Nur jedem Zehnten dagegen fiel es „schwer“ oder „sehr schwer“.
„Die Bewerberlage und Stellenzahl sind in Baden-Württemberg nach wie vor gut“, bestätigt Bosch. „In der Region Stuttgart haben wir noch immer einen deutlichen Überhang an gemeldeten Stellen, auch wenn die Entwicklung rückläufig ist.“ Auf 80 Bewerber kommen demnach rechnerisch 100 Stellen – was nicht heißt, dass für jeden Bewerber der gesuchte Ausbildungsplatz verfügbar ist.
IHK: Mehr Sicherheit nach der Ausbildung als nach dem Studium
Dennoch sieht man bei der IHK in der Ausbildung mehr Sicherheit als nach einem Studium. „Wir erleben aktuell, dass zunehmend Studienabsolventen darüber klagen, dass sie keinen Einstieg in die Unternehmen bekommen“, sagt Bosch. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es von Vorteil, wenn ich als Azubi schon in einem Unternehmen bin.“
Die IHK verglich ihre Umfrage auch mit der Shell-Jugendstudie, die Werte und Zukunftsperspektiven von Jugendlichen in Deutschland untersucht und zuletzt vor einem Jahr veröffentlicht wurde. Demnach gaben die Azubis der Region Stuttgart deutlich häufiger an, „ihr Leben in vollen Zügen genießen“ zu wollen. Gründe dafür könnte die vergleichsweise gute wirtschaftliche Lage und wohlhabende Elternhäuser wie auch das große kulturelle Angebot sein. Ebenfalls über Schnitt wurden der „Respekt vor Gesetz und Ordnung“ und „Fleiß und Ehrgeiz“ genannt.