Während die meisten Fahrgäste längst im Bett sind, beginnt für Ali Yildirim und sein Team die Arbeit: Sie sorgen dafür, dass die Stuttgarter S-Bahnen am Morgen wieder blitzen.

Mittwoch, 0.10 Uhr am Schorndorfer Bahnhof: Ali Yildirim steht am Bahnsteig und wartet auf eine S-Bahn. Nicht, weil er zu nachtschlafender Zeit noch irgendwo hin reisen möchte. Der 50-Jährige steht mit seinen Mitarbeitern parat, um den ankommenden Zug von den Spuren des Einsatzes zu reinigen.

Dass die automatisierte Ansage eine Ankunft auf einem anderen Bahnsteig prognostiziert, nur um diese Behauptung wenig später wieder zu revidieren, bringt Yildirim nicht aus dem Konzept. Dazu ist er zu lange im Geschäft mit der Sauberkeit. Aus einer S-Bahn, der man ihren langen Einsatz ansieht, macht er wieder einen feinen Zug.

Während Yildirim und sein Team der S-Bahnreiniger dafür zuständig ist, Hinterlassenschaften zu beseitigen, muss der Lokführer erst mal dafür sorgen, dass der Zug auch tatsächlich leer ist. In dieser Nacht wird er fündig. Ein Mann ist tief eingeschlafen und muss geweckt werden. Er ist nicht mehr ganz sicher auf den Beinen und schlurft, gestützt auf sein Fahrrad, den nächtlichen Bahnsteig entlang.

Erstaunlich, was die S-Bahnreiniger alles so einsammeln

Immerhin hat er es mitgenommen, sein Fahrrad. Yildirim kann da von anderen Situationen erzählen. „Große Koffer, Bücher, Handys, Fahrräder – die Leute vergessen einfach alles in der S-Bahn“. Am krassesten sei der Fund eines Kinderwagens gewesen – inklusive Kind. Doch die Eltern hätten sich schnell wieder eingefunden.

Alles andere wandert in einen großen Schrank im Bahnhof Schorndorf. Von dort werden die Fundstücke in regelmäßigen Abständen ins S-Bahnwerk nach Plochingen geschafft, dort registriert und schließlich im Fundbüro am Stuttgarter Hauptbahnhof zur Abholung bereit gelegt.

Heute werden die Mitarbeiter allerdings nicht fündig – zumindest gibt es in der ersten von 15 in dieser Nacht zu reinigenden Bahnen keine Hinterlassenschaften, die wohl von ihrem Besitzer vermisst werden könnten. Die beiden für den zuständigen Mitarbeiter leeren in Windeseile die rund 40 Mülleimer im Wageninneren – und kommen mit einem leidlich gefüllten Müllsack zurück. „Das war heute Abend nicht viel“, sagt Yildirim. Pro Jahr sammelt die Bahn in den Stuttgarter S-Bahnen sage und schreibe 104 Tonnen Abfall ein. Manche Passagiere würden die Zugfahrt nutzen, um ihren Hausmüll zu entsorgen.

Es ist eine nie endende Arbeit. In Summe 50 000 Mal pro Jahr rücken die S-Bahnreiniger den Rückständen in der Stuttgarter Flotte zu Leibe. Das Gros davon passiert an den Außenbahnhöfen in Backnang, Bietigheim, Kirchheim/Teck, Schorndorf, Stuttgart-Vaihingen und Weil der Stadt. Lediglich 17 000 Putzeinsätze finden im Hauptwerk in Plochingen statt. Standard ist die Reinigung mit dem Besen und das Entleeren der Mülleimer. Die nächste Stufe ist die sogenannte Nassreinigung, bei der auch die Böden gewischt und Glasflächen gereinigt werden.

Wasenzeit ist eine Herausforderung für die Putzteams

Diesen höheren Standard ruft die Bahn vor allem in den Zeiten ab, in denen erfahrungsgemäß mit schmutzigeren Zügen zu rechnen ist. Wenn sich auf dem Wasen Karussells drehen und im Bierzelt gebechert wird, sind auch die Reiniger besonders gefragt.

Yildirim kann auf seinem Handy eine ausgesprochen unappetitlich Bildersammlung zeigen – nicht weil er sensationsgierig wäre, sondern weil besonders krasse Verunreinigungen dokumentiert werden müssen. Tritt der Fall ein, haben die Reinigungsteams mehr Zeit pro Zug als die eigentlich zur Verfügung stehenden 20 bis 25 Minuten – pro gut 70 Meter langem Zug und den rund 190 Sitzplätzen.

Zumindest besenrein sind die Züge nach dem Einsatz. Foto: Gottfried Stoppel

Von derartigem bleiben die Reiniger im ersten Zug des Abends verschont. Fast schon entschuldigend sagt der Chef der Reinigungstruppe, dass der Zug in einem anständigen Zustand angekommen sei und es wenig zu sehen gebe. Das dürfte ganz im Sinne des Auftraggebers der S-Bahn Stuttgart sein, die ihre Dienste für den Verband Region Stuttgart versieht. Der lässt sich einmal im Jahr Kennziffern für den Zustand des Betriebs vorlegen. Im vergangenen Jahr erreichte die S-Bahn bei der Sauberkeit einen Wert von 91,2 Prozent, der leicht über dem von 2023 (90,4), aber eben immer noch unter dem vereinbarten Zielwert von 92 Prozent lag. Die Fahrgäste geben der S-Bahn in Sachen Sauberkeit einen Notendurchschnitt von 2,4 der leicht besser ist als die vereinbarte Marke von 2,5.

In langen Nachtschichten wird geputzt

Matthias Stübler, Servicebereichsleiter bei DB Services, kann aus Gesprächen mit Kollegen aber auch Kunden berichten, dass die S-Bahn Stuttgart im Ruf steht, ein besonders gepflegter Betrieb zu sein. Er weiß um den Einsatz, den die von ihm beauftragten Unternehmen zeigen, um die Bahnen in einem guten Zustand zu halten. Und das zu Zeiten, zu denen die meisten Fahrgäste dem nächsten Tag entgegen schlummern. Die Reinigungstrupps sind unter der Woche jeweils von 22.30 Uhr bis 4.30 Uhr im Einsatz.

Für Yildirim und seine Mitarbeiter wird es also noch eine lange Nacht. Aber wenn sie so weitergeht, wie sie begonnen hat, wird es ein entspanntes Arbeiten. „Wenn alle Züge so kommen, wie der erste heute Nacht, dann freuen sich die Leute“. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Nicht ausgeschlossen, dass die Fotosammlung von Ali Yildirim in Zukunft weiter anwächst.