Blick in die «Bund»-Redaktion, Teil 7 –
Scheitern gehört zu seinem Alltag
Adrian Moser fotografiert seit 25 Jahren für den «Bund», was in Bern passiert. Wie er zu Handykameras steht, was ihn mit Simonetta Sommaruga verbindet und welcher Auftrag ihn an seine Grenzen brachte.
Publiziert heute um 09:42 Uhr
Der Erfolg seiner Arbeit hängt oft von wenigen Augenblicken ab: Adrian Moser fotografiert für den «Bund» seit 25 Jahren das Geschehen in Bern.
Foto: Beat Mathys
Adrian Moser ist 1,98 Meter gross und fühlt sich manchmal wie ein Leuchtturm. Dieses Herausstechen verschafft dem Co-Leiter Fotografie von Tamedia Deutschschweiz berufliche Vorteile. Zum Beispiel, wenn er Konzerte ablichtet. «Ich habe eine Übersicht, die viele andere nicht haben.» Sein geschulter Fotografenblick registriert dabei aber auch den Preis seines Wuchses. «Wer hinter mir steht, sieht leider nicht mehr auf die Bühne.»
Es sei ihm verziehen. Denn seit 25 Jahren bieten Mosers Bilder Sichtweisen auf Berner Lebensrealitäten, die dem «Bund»-Publikum sonst verborgen geblieben wären. Sein Berufsgeheimnis ist eine Mischung aus Erfahrung, Fachwissen und einer Prise Glück. Denn manchmal ist der entscheidende Moment mit Umständen verknüpft, die sich nicht kontrollieren lassen.
Warum sich Adrian Moser nicht eingehend auf Aufträge vorbereitet und was sich in seiner Fotografenkarriere alles verändert hat.
Video: Beat Mathys/Martin Erdmann
Trotz dieser Abhängigkeit von der Gunst des Zufalls spricht Moser mit unbeugsamer Euphorie über seinen Beruf. Nur, um dann etwas zu sagen, das gar nicht dazu passen will: «Fotografieren ist eine lange Schlange von verpassten Chancen. Scheitern gehört zum Alltag.» Nur etwa 10 Prozent der geschossenen Bilder genügen letztlich seinen Ansprüchen.
Darunter befinden sich solche, die ihm bis heute nicht mehr aus dem Kopf gehen. Zum Beispiel jenes von Simonetta Sommaruga. 2012 lichtete er die ehemalige SP-Bundesrätin im Bundeshaus ab. Um die Blitzeinstellung zu kontrollieren, schoss er zunächst ein Testbild. Dieses wurde zum besten Porträtfoto beim Swiss Press Award gekürt. «Es war ein unkontrollierbarer Moment. Nur dadurch konnte dieses wahnsinnig feine und verletzliche Porträt entstehen», sagt Moser.
Fein, verletzlich, preisgekrönt: Adrian Mosers Porträt von der ehemaligen Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Foto: Adrian Moser
Mit einer ganz anderen Art von Verletzlichkeit sah sich Moser 2013 konfrontiert. Die Tanz-dich-frei-Demonstration mündete in Gewaltexzesse, und er kam auf dem Bundesplatz zwischen die Fronten. «Von der Polizei habe ich Gummischrot abbekommen und die Demonstranten sahen mich als Fotograf der ‹Systempresse› und warfen Flaschen nach mir.»
Es war eine Nacht, die er nie vergessen wird, aber der er ein freiwilliges Ende gesetzt hat. Er sagte sich: «Ich bin zwar von der Presse und sollte das dokumentieren, aber ich gehe jetzt nach Hause.»
2013 kam es am Tanz-dich-Frei zu Ausschreitungen vor dem Bundeshaus. Adrian Moser geriet zwischen die Fronten.
Foto: Adrian Moser
Fotografie im digitalen Wandel
Wo Menschen fotografiert werden, kann Eitelkeit aufblitzen. Diese ist Moser bei seiner Arbeit nicht fremd. Er trifft sie häufig im Tummelfeld der Cervelat-Prominenz an. «Manche wollen die Bilder kontrollieren, kaum habe ich den Auslöser gedrückt. Das habe ich überhaupt nicht gerne.»
Adrian Moser ist ein Profi an der Spiegelreflexkamera, hat aber auch ein Herz für die Smartphonekamera.
Foto: Beat Mathys
Digitalisierung, Smartphone und Social Media haben die Selbstverliebtheit gefördert. Hat das zu einer Trivialisierung des Bildes geführt? Moser will lieber von einer Demokratisierung sprechen. Er sieht das Smartphone als Fortschritt für die Fotografie. «Laien können heute Bilder schiessen, die vor 20 Jahren unmöglich gewesen wären.»
Das hinterlässt an seiner Berufsehre keine Kratzer. «Der Hauptanteil an einem guten Bild trägt immer noch der Fotograf und nicht das Gerät.»
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EinloggenMartin Erdmann ist 2008 in den Journalismus eingestiegen. Seit 2012 arbeitet er bei «Bund» und «Berner Zeitung».Mehr Infos
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