Berlin. Carlo Masala, Professor für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr in München, ist ein gefragter Interviewpartner, wenn es um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine geht – und er kennt sich mit dem Nahost-Konflikt aus.
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Herr Masala, im Nahen Osten könnte es jetzt tatsächlich zu einer Art Frieden kommen. Worauf führen Sie das zurück?
Im Kern ist das auf den Druck Donald Trumps zurückzuführen. Er hat nicht nur auf die beiden Konfliktparteien Druck gemacht, also auf die Hamas und Israel, sondern auch auf die Staaten in der Region. So hat er, was ich sehr bemerkenswert finde, etwa die Unterstützung der Türkei gewonnen. Er hat Pakistan mit an Bord geholt und Indonesien. Es gibt jetzt eine einheitliche Front islamisch-arabischer Staaten. Das Ganze ist ein Erfolg der amerikanischen Administration.
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Warum sind frühere US-Präsidenten nicht ähnlich entschlossen vorgegangen?
Trumps Vorgänger Joe Biden hat es ja versucht. Aber seine Amtszeit näherte sich dem Ende. Und das Verhältnis zwischen Biden und Benjamin Netanjahu war extrem gestört. Netanjahu hat viel getan, um Biden vorzuführen. Das ist mit Trump anders.
Aber entscheidend ist doch, dass Israel von den USA nicht zuletzt militärisch abhängt, oder?
Die Hebel der USA mit Blick auf Israel sind in der Tat gewaltig. Das hat man zuletzt deutlich gesehen. Zunächst hat Trump Netanjahu dazu gezwungen, den Angriff auf den Iran abzubrechen. Und dann hat er ihn gezwungen, sich bei den Kataris zu entschuldigen.
US-Radar
Was die Vereinigten Staaten bewegt: Die USA-Experten des RND ordnen ein und liefern Hintergründe. Jeden zweiten Dienstag.
Trump ist mit Netanyahu ähnlich umgegangen wie vorher mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
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Genau.
Was ist denn die Lehre für die Diplomatie über den Nahen Osten hinaus?
Es gibt da keine Lehre. Es bestätigt sich nur wieder, was im Nahen Osten immer gilt: Es sind die Amerikaner, die etwas bewegen können, kein anderer. Die Reisen von europäischen Außenministern in die Region sind gut und schön, aber sie bewirken nichts.
Es gibt da keine Lehre. Es bestätigt sich nur wieder, was im Nahen Osten immer gilt: Es sind die Amerikaner, die etwas bewegen können, kein anderer.
Carlo Masala
Gibt es denn Konflikte, bei denen sich Akteure in einer ähnlichen Abhängigkeit von den USA oder anderen Mächten befinden und in denen sich mit entschiedenem Druck ebenfalls Frieden herstellen ließe?
Das sehe ich nirgendwo anders, auch nicht im Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Diese Diskussion über mögliche Lieferungen von Tomahawk-Raketen der USA an die Ukraine macht die Russen zwar ein bisschen nervös. Wenn die Vereinigten Staaten sich dazu wirklich durchringen würden, dann würden sich daraus echte Handlungsspielräume ergeben. Dagegen sind alle Sanktionspakete der Europäer wirkungslos. Aber man sieht, dass Trump sich da wieder ein Hintertürchen offen hält – indem er wissen will, wo die Tomahawk eingesetzt werden. Auch Sanktionen will Trump nicht verhängen. Deshalb halte ich es für momentan ausgeschlossen, dass es in der Ukraine in absehbarer Zeit zu einem Frieden kommt.
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Warum eigentlich? Offenkundig will Trump doch als Friedensstifter dastehen. Das könnte er in der Ukraine ja umso mehr unter Beweis stellen.
Man darf nicht vergessen: Trump und seine Familie haben im Nahen Osten gewaltige wirtschaftliche Interessen. Das gilt nicht zuletzt für seine Söhne, die in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten engagiert sind. Wenn ihm die Araber abspringen, dann schadet das diesen Interessen. Bei Russland sieht das anders aus. Hier verhandelt Trump über eine ökonomische Normalisierung. Deswegen ist ihm der Frieden in der Ukraine relativ egal. Da will er nicht unbedingt der Friedensstifter sein.
Wenn es im Nahen Osten gut geht, steht Trump trotzdem super da.
Absolut richtig.
Gleichzeitig ist er ein Präsident, der nach innen die Zügel immer autoritärer anzieht. Wie nehmen Sie diese Ambivalenz wahr?
Wir kommen nicht an der Erkenntnis vorbei, dass die Vereinigten Staaten trotz aller Schwächung international noch immer die bestimmende Macht sind – unabhängig davon, dass sie in den Autoritarismus abgleiten. Sie können, wenn sie ihre ökonomische und politische Macht in die Waagschale werfen, Dinge bewegen, die andere nicht bewegen können – auch nicht die Chinesen.
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Trump, der unwahrscheinliche Friedensstifter
Noch vor wenigen Monaten propagierte der amerikanische Präsident einen empörenden Gaza-Plan. Nun könnte ihm im Nahen Osten ein historischer Durchbruch gelungen sein. Dahinter stehen auch eigene Geschäftsinteressen.
Das heißt, an diesen autoritären Kurs müssen wir uns jetzt gewöhnen?
Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Macht, die global noch für ein gewisses Maß an Ordnung sorgen kann, mittlerweile keine demokratische mehr ist, sondern eine zunehmend autoritäre. Das erklärt ja auch, warum wir so ruhig sind angesichts dessen, was in den USA passiert. Bei jeder Protestbewegung, die irgendwo auf der Welt Repression erfährt, kriegen wir Statements aus dem Auswärtigen Amt. Aber wenn die Nationalgarde nach Portland geschickt wird, schweigen wir. Weil wir die USA aufgrund unserer Abhängigkeit nicht verprellen wollen.
Am Freitag wird verkündet, wer den Friedensnobelpreis bekommt. Und es gilt nicht mehr als völlig ausgeschlossen, dass es Trump ist. Was würde das bedeuten?
Ich habe bei Sandra Maischberger eher im Scherz gesagt, er wird jetzt auf die Tube drücken, um bis Freitag eine Einigung zu erzielen. Ich vermute, dass der Friedensnobelpreisträger für 2025 längst feststeht. Aber Trump könnte ein heißer Kandidat für das nächste Jahr sein. Denn es sieht so aus, als würde er im Nahen Osten tatsächlich etwas hinbekommen.
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Aber das wäre aus einer demokratischen Perspektive ziemlich verrückt, oder?
Ja, natürlich. Aber der äthiopische Präsident hat den Preis auch bekommen. Und bald darauf hat er Krieg geführt.