Union Berlin steht mit sieben Punkten auf Tabellen-Rang 13 der Fußball-Bundesliga. Eine ordentliche Bilanz, denn das Auftaktprogramm der Köpenicker war nicht einfach: Die Eisernen mussten unter anderem gegen die Top-Klubs VfB Stuttgart (2:1), Borussia Dortmund (0:3), Eintracht Frankfurt (4:3) und Bayer Leverkusen (0:2) ran. Großen Anteil daran, dass Union einen vernünftigen Saisonstart hinlegte, hat Zugang Ilyas Ansah (20). Er gehört zu den Senkrechtstartern in der 1. Liga. Im großen Interview mit SPORT BILD stellt sich der U21-Nationalstürmer vor und verrät, wieso er nicht zu den Konkurrenten Hamburger SV oder Borussia Mönchengladbach wechselte.
SPORT BILD: Herr Ansah, Sie kamen von Zweitligist SC Paderborn zu Union Berlin und erzielten in Ihren ersten sechs Bundesliga-Spielen vier Treffer. Wie oft mussten Sie sich zwicken?
Ilyas Ansah (20): Einige Male, denn damit hatte ich vor der Saison nicht gerechnet. Aber ich habe hart dafür gearbeitet – und ich freue mich natürlich über diesen guten Start, der eine zusätzliche Motivation für mich ist, weiter hart zu arbeiten. Denn in meiner bisherigen Laufbahn musste ich auch Rückschläge hinnehmen.
2018 etwa, als Sie mit 13 Jahren beim VfL Bochum aussortiert wurden.
Ja, das war ein harter Schlag. Denn ich wurde das erste Mal damit konfrontiert, als Fußballspieler nicht gut genug zu sein. Aber meine Familie, speziell mein Vater, hat mir schnell klargemacht, dass es nicht das Ende sein muss.
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Quelle: BILD08.10.2025
Sie lebten damals in Lüdenscheid, über Eintracht Dortmund und Sportfreunde Siegen landeten Sie 2022 im Nachwuchs-Leistungszentrum des SC Paderborn. Im September 2023 debütierten Sie in der 2. Liga. Ein Meilenstein?
Ja, weil das Gesamtpaket in Paderborn am besten passte. Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich mein Abitur mache. Was mir in Paderborn mit der Note 2,7 gelang.
Sie haben sogar das große Latinum …
(schmunzelt) Das lag daran, dass meine Schwester dieses Fach hatte. Als ich zwischen Französisch und Latein entscheiden musste, war mir schnell klar, welches ich nehme. In Latein war ich dann ganz gut. Und in Paderborn hatte ich die Möglichkeit, ein altsprachliches Gymnasium zu besuchen. Auch sportlich wurde ich gefördert. Bereits nach wenigen Wochen als U19-Bundesliga-Spieler durfte ich bei den Profis mittrainieren. Im Januar 2023 war ich dann beim Winter-Trainingslager in Spanien dabei, doch gleich am Anfang verletzte ich mich und musste abreisen.
Weil Sie einen Muskelbündelriss erlitten, wieder ein Rückschlag …
Auf der einen Seite schon, auf der anderen eine neue Motivation. Mein Ziel war: noch besser zurückzukehren.
Im Sommer 2023 gab es in Paderborn den ersten Profivertrag. Auch Nationalspieler Antonio Rüdiger von Real Madrid beglückwünschte Sie. Aus welchem Grund?
Er ist der Bruder meines Beraters, wusste deshalb Bescheid und schenkte mir ein Real-Madrid-Trikot von sich mit einer besonderen Widmung. Darauf steht: „Wenn man etwas wirklich will, dann kann man es schaffen. Dafür muss man hart arbeiten.“ Das war die Botschaft. Als ich vergangenen Sommer zu Union Berlin wechselte, schickte er mir eine Glückwunsch-Nachricht als zusätzliche Motivation.
Das Trikot haben Sie in Ihrer Wohnung, wie auch ein Foto von Frankreichs Weltmeister Thierry Henry. Der Ex-Weltstar gewann mit der „Équipe Tricolore“ 1998 beim Heimturnier den begehrten Titel.
Stimmt. Thierry Henry ist mein Vorbild. Wie er Fußball gespielt hat, macht unglaublich viel Spaß anzuschauen. Ich schaute mir zahlreiche Videos von ihm auf YouTube an und dachte mir: So wie er Fußball spielt, will ich auch Fußball spielen – das ist das Ziel. Das Bild von ihm steht bei mir zu Hause.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Pflichtspiel-Treffer als Profi erinnern?
Das war im Hamburger Volksparkstadion mit Paderborn (9. Dezember 2023; d. Red.). Wir gewannen 2:1, ich erzielte das Siegtor. Ich konnte es bei meinem Jubel nicht richtig realisieren. Es war, als ob tausend Träume in Erfüllung gegangen sind.
Neben Union wollten der Hamburger SV und Borussia Mönchengladbach Gladbach Sie verpflichten. Inwieweit hat vor allem Trainer Steffen Baumgart Sie von Berlin begeistern können?
Für einen jungen Spieler ist der Trainer eine der wichtigsten Personen im Verein. Er erklärte mir deutlich, welche Rolle ich einnehmen könne – ich dafür die nötige Zeit bekäme und auch Fehler machen dürfe. Er stellte mir darüber hinaus Einsätze in Aussicht, wenn ich hart arbeite und meine Leistungen bringe. Das ist das, was man hören will: Vertrauen. Deshalb habe ich mich früh für Union entschieden und will dieses Vertrauen zurückzahlen.
Mittlerweile sind Sie U21-Nationalspieler Deutschlands. Nach SPORT BILD-Info hat Sie auch der Verband Ghanas für die A-Nationalmannschaft im Visier, weil Ihre Eltern aus dem afrikanischen Land stammen. Wäre das eine Alternative für Sie?
Ich bin aus der U20 in die U21 des DFB gekommen, darüber freue ich mich sehr – darauf fokussiere ich mich. Ich bin kein Fan, etwas voreilig zu entscheiden bzw. mir Gedanken darüber zu machen.
Sie lesen Bücher wie „Can’t hurt me: Beherrsche deinen Geist und erreiche jedes Ziel“ von David Goggins. Was lernen Sie daraus?
Dass man nach Rückschlägen zurückkommen kann, wenn man bei sich bleibt, fokussiert ist, sich von außen nicht beeinflussen lässt und an sich glaubt.
Stichwort Glaube: Wie wichtig ist der für Sie?
Der Glaube ist ein Teil von mir. Ich bin Moslem, bete fünfmal am Tag, habe auch Teile des Koran gelesen. Das gibt mir Halt.