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Türkeistämmige Menschen in ihrem beruflichen Umfeld hat der Journalist und Fotograf Ilker Maga porträtiert. © Andreas Hapke
Im Rathaus Stuhr zeigt Ilker Maga Fotos seines bundesweiten Projekts zur Arbeitsmigration aus der Türkei nach Deutschland.
Zum 50. Jahrestag der Arbeitsmigration aus der Türkei nach Deutschland hatte sich der Fotograf Ilker Maga auf den Weg gemacht, um bundesweit türkeistämmige Menschen zu porträtieren. Eine Auswahl der Fotos ist bald im oberen Foyer des Rathauses der Gemeinde Stuhr zu sehen. Zur Vernissage seiner Ausstellung „Farben der Gesellschaft – eine Deutschland-Reportage“ lädt er für Donnerstag, 6. November, um 18 Uhr ein.
Wir haben keine gemeinsamen Lösungen gefunden. Es gibt von beiden Seiten keinen Willen für einen Zusammenhalt.
Obwohl 2026 schon der 65. Jahrestag der Arbeitsmigration aus der Türkei ansteht, hat Magas Projekt nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Sogar „hochaktuell“ findet Nikki Sprich von der Kulturabteilung des Rathauses die Frage, wie Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ankommen. Denn die fotografierten und interviewten Frauen und Männer sind Beispiele für eine gelungene Integration und eine diverse Gesellschaft. Die Bilder zeigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedlichen Geschlechts in unterschiedlichen Berufen. Wobei es Maga nach eigener Auskunft nicht auf den Erfolg selbst ankommt, sondern darauf, einen repräsentativen Querschnitt zu dokumentieren.
Dafür war der Bremer Journalist zwischen Ende Januar und Mitte September 2011 in 43 Städten unterwegs. Maga nennt Millionenstädte wie München und Berlin als Beispiele, aber auch kleinere Kommunen wie Delmenhorst und Recklinghausen. Insgesamt habe er Gespräche mit 350 Menschen türkischer Herkunft geführt und 137 von ihnen porträtiert. 16 000 Kilometer habe er zurückgelegt, teilweise in nächtlichen Aktionen.
Schock und Ansporn zugleich
Damals habe es kein bundesweites Projekt dieser Art gegeben, sagt Maga. „Das war ein Schock für mich.“ Und ein Ansporn. Niemand habe es für möglich gehalten, dass er dies alleine, mit seinen eigenen Mitteln schaffen würde. Er habe trotzdem damit begonnen – und im weiteren Verlauf auch finanzielle Unterstützer gefunden. Noch heute, 14 Jahre später, sei sein Projekt wegen der Einbeziehung des gesamten Bundesgebiets einzigartig. „Traurig sei das“, findet Maga.
Nicht nach Städten, sondern nach Menschen habe er seine Arbeit ausgerichtet, berichtet der Fotograf. „Deutschland ist ein Apfelland. Wo finde ich einen türkeistämmigen Apfelexperten?“ Er habe dies recherchiert und sei im Ammerland fündig geworden, beschreibt er seine Vorgehensweise. „Klavier ist eine deutsche Erfindung. Wo gibt es einen Klavierbauer aus der Türkei, wo einen Autor für Kinderliteratur? Auch dafür ist Deutschland ja bekannt.“ Obwohl er Pazifist sei, habe er sich mit einem Arzt bei der Bundeswehr getroffen. „Wäre es ein Offizier gewesen, hätte ich ihn nicht genommen.“
Wie leben aus der Türkei stammende Menschen in Deutschland? Wie fühlen sie sich und was denken sie über Deutschland und über ihr Herkunftsland, die Türkei? Welche Berufe üben sie aus? Was erwarten sie von der Zukunft in ihrer neuen Heimat? Unter anderem diese Fragen hat Maga den von ihm porträtierten Menschen gestellt.
Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft
Seine Arbeit hat er in einem Fotobuch zusammengefasst, laut Maga ist es „drei Kilo und 150 Gramm“ schwer. Drei Exemplare des sowohl türkisch- als auch deutschsprachigen Bands liegen während der Ausstellung aus, damit der Besucher die Biografien zu den jeweiligen Bildern erhält. Nur wenige prominente Personen tauchen darin auf, etwa der heutige Fußballprofi Emre Can von Borussia Dortmund. Ihn hatte Maga als 17-jährigen Nachwuchskicker in München besucht.
50 bis 60 Fotos, schätzt Maga, könne er im Rathaus präsentieren. Auch dort wolle er Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft vorstellen, vom Müllmann über den Handwerker bis hin zum Akademiker. Diese Vielfalt, dieser Reichtum von Menschen spiegelt der Ausstellungstitel „Farben der Gesellschaft“ wider. Die Fotos selbst sind schwarz-weiß, weil er als Fotograf seine Umgebung so betrachte. Er habe analog angefangen, sei aber aus Kostengründen auf die digitale Fotografie umgestiegen.
Was sich getan hat zwischen dem Start seines Projekts und heute? Maga zeichnet ein enttäuschendes Bild: In der Arbeitswelt, gerade auch in angesehenen Jobs und Führungspositionen wie Richter und Professoren, seien türkische Staatsbürger zwar präsenter. „Doch es hat sich leider eine Parallelgesellschaft entwickelt. Wir haben keine gemeinsamen Lösungen gefunden. Es gibt von beiden Seiten keinen Willen für einen Zusammenhalt.“ Deshalb liebe er Ausstellungseröffnungen. „Es sind Orte der Begegnung. Wir können neue Kontakte knüpfen.“
Die Ausstellung ist bis zum 2. Dezember zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen: montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr, freitags von 8 bis 15 Uhr. Der Eintritt ist frei.